Der Bericht aus Berlin: Pleite an Silvester

von Carsten Germann15:36 Uhr | 31.12.2023
Foto: Imago

Aus der Serie „Der Letzte macht das Buch zu!“ – Bundesliga-Spiele an Silvester gab es nicht viele. Aber: Tasmania Berlin, dem schlechtesten Bundesligisten aller Zeiten, blieb auch dieser unbeliebte Spieltermin nicht erspart.

Horst Szymaniak
MittelfeldDeutschland
Zum Profil

Person
Alter
75
Daten
Spiele
108
Tore
6
Vorlagen
-
Karten
---

Dass Tasmania Berlin 1965 überhaupt in die Bundesliga kam, lag an dem durchaus ehrenwerten Versuch des DFB und der Springer-Medien, für die damals geteilte Stadt unbedingt einen Erstligisten herbei zu loben.

14 Tage vorher

Hertha BSC, das Flaggschiff des West-Berliner Fußballs, hatte im Sommer 1965 aufgrund finanzieller Unregelmäßigkeiten die Bundesliga-Lizenz verloren. Ein Novum.

Nach dem Hertha-Zwangsabstieg winkten der Meister der Berliner Stadtliga, Tennis Borussia Berlin, und der Zweite, der Spandauer SV, dankend ab. Tasmania Berlin wurde am 31. Juli 1965, 14 Tage vor dem Saisonstart, in die deutsche Eliteliga „berufen“.

Der Verein aus dem Berliner Bezirk Neukölln setzte Negativ-Rekorde, die auch nach fast 60 Jahren noch Bestand haben.

„Da muss mehr kommen“

Dem ersten Sieg gegen den Karlsruher SC (2:0 / Nur Borussia Neunkirchen verlor noch gegen die „Tasmanen“) vor 81.500 Zuschauern folgte eine Rekord-Serie von 31 Spielen ohne Sieg.

Das Serien-Ende gegen Neunkirchen (heute Saarlandliga / 6. Liga) hatte einen Beigeschmack. Der Legende nach sollen den Tasmania-Spielern in der Kabine zur Halbzeit umgerechnet 500 Euro geboten worden sein, damit sie auch gegen die saarländische Borussia verlieren. Das taten die Berliner nicht. Zumindest nicht für dieses Geld. „Da muss mehr kommen“, forderten sie angeblich. Neunkirchen lehnte einen höheren Betrag offenkundig ab – und verlor 1:2.

Das änderte nichts mehr an den Zahlen des Grauens.

  • Tasmania Berlin holte die wenigsten Punkte (8),
  • erzielte die wenigsten eigenen Treffer (15) und
  • kassierte meisten Gegentore (108) und die höchste Heimniederlage eines Bundesligisten aller Zeiten – 0:9 am 26. März 1966 gegen den damals noch als Meidericher SV firmierenden MSV Duisburg.
  • Kein anderer Absteiger kam auf eine schlechtere Ausbeute als der 1973 aufgelöste Klub.
  • Zwei Siege, zwei Remis und 28 Niederlagen lautete die erschütternde Bilanz des in die Liga gehievten Berliner Vereins.
  • Zum Vergleich: Der Wuppertaler SV stieg 1975 mit 14, Schalke 04 im Jahr 2021 mit 16 Punkten ab.
  • Mit Hertha BSC (1990/91, 17 Punkte) findet sich noch ein zweiter Berliner Verein in der Top 5 der schlechtesten Absteiger aller Zeiten.
  • Das Spiel gegen Borussia Mönchengladbach (0:0) wollten am 15. Januar 1966 nur 827 zahlende Zuschauer im Olympiastadion sehen – absoluter Negativrekord in der Bundesliga!
  • Auch die Partie an Silvester gegen Eintracht Braunschweig (0:2) konnte die Massen nicht unbedingt elektrisieren: 3.000 Unentwegte harrten im weiten Rund im Berliner Westend aus.

Die Braunschweiger machten bei Anstoßzeit 14 Uhr kurzen Prozess – 2:0 nach 38 Minuten durch 2 Tore von Erich Maas (83).

Danach ging es für Maas und Lothar Ulsaß direkt zu einer Silvesterparty in den Harz.

Der bekannteste Spieler von Tasmania Berlin, Horst „Schimmi“ Szymaniak († 2009), nahm die Rekord-Pleiten-Saison mit Humor: „Alles wunderbar, wir peitschen doch die gesamte Bundesliga vor uns her.“

Stimmt. Der Letzte macht das Buch zu. 



Die Bayern-Führung mit Beckenbauer, Rummenigge und Hoeneß ist eine Batterie mit drei Geschützen. Im Unterschied zur normalen Batterie, die ich aus meiner Bundeswehrzeit kenne, schießen sie allerdings in unterschiedliche Richtungen und nicht gleichzeitig.

— Gerhard Mayer-Vorfelder