Karriere-Ende für Ex-BVB-Coach – Was bleibt vom „Nearly Man“?

von Carsten Germann22.12.2025 | 22:54 Uhr
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Foto: Imago

Das war’s, Trainer-Legende Lucien Favre (68) hat seinen Rücktritt erklärt. Der Schweizer wird nie mehr als Fußballtrainer arbeiten. „Sonst“, so sagte Monsieur Le Favre, „sitzt du mit 70 noch auf der Bank.“ Doch was bleibt vom „Nearly Man“, vom genialen Taktik-Tüftler, der in der Bundesliga mit dem BVB und Hertha und in Frankreich mit Nizza schon die Hand an der Meistertrophäe hatte?

Vermutlich wäre die Wette zwischen BILD-Legende und dem Meistertrainer und Schach-Großmeister Felix Magath, die auf zehn Deutsche Meisterschaften des FC Bayern München in Folge gewettet hatten, umgekehrt ausgegangen.

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  • Lucien Favre (68) führte in der Winterpause 2018/2019 mit Borussia Dortmund die Tabelle souverän mit sechs Punkte vor den Bayern an.

Alles schien auf die sechste Meisterschaft des BVB in der Bundesliga und die erste nach sechs Titeln in Folge für den FC Bayern hinzudeuten.

Wie wurde Lucien Favre beim BVB zum „Nearly Man“?

Doch Dortmund und der geniale Schweizer vercoachten sich in der Rückrunde.

Favre wurde – wie zuvor 2009 bei Hertha BSC – nicht zum Meister-Trainer, sondern zum „Nearly Man“, zu dem Coach, der immer ganz nah dran ist, aber am Ende eben keinen Titel holt.

Vermutlich wäre eine Meisterschaft mit Hertha BSC 2008/2009 – unser Redakteur hat in dieser Zeit in Berlin gelebt und die Begeisterung um die „alte Dame“ erlebt und redaktionell begleitet – noch höher einzuschätzen gewesen als das Ende der Meister-Serie des FC Bayern.

Denn: Dortmund kann jedes Jahr Meister werden, aber für Hertha war es eine historische Chance, die vermutlich nie wieder kommt.

  • Hertha BSC lag am 24. Spieltag der Saison 2008/2009 vier Punkte vor den Bayern an der Tabellenspitze, ganz Berlin träumte von der Schale.

Der Kollege Henning Feindt von SPORT BILD ließ sich schon mit der Meisterschale vor dem Brandenburger Tor fotografieren.

Vermutlich wären am 24. Mai 2009 bei einer zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlichen Meisterfeier noch 999.999 Menschen mehr auf der Fan-Meile am Brandenburger Tor.

Doch dazu kam es nicht.

  • Drei Niederlagen in Folge kippten Hertha ab dem 25. Spieltag – 0:2 in Stuttgart, 1:3 gegen den BVB und seinen neuen Trainer Jürgen Klopp und 0:2 in Hannover – von Platz eins.
  • Zwar gewannen die Berliner danach vier von fünf Spielen, doch ein 0:0 gegen Schalke 04 riss Hertha am 33. Spieltag aus allen Meisterträumen und nach einem blamablen 0:4 beim bereits als Absteiger feststehenden Karlsruher SC verpasste man gar die Champions League.
  • Die Folge: Am 28. September 2009 trennte sich Hertha BSC vom „Nearly Man“ Favre, der die letzten drei Spiele in der Trainerverantwortung mit 4:15 Toren allesamt verloren hatte und auf einer Pressekonferenz in die Offensive ging.
  • Hertha stieg am Saisonende 2009/2010 aus der Bundesliga ab.
  • Favre holte als Hertha-Coach im Schnitt 1,48 Punkte – so viele wie der Niederländer Huub Stevens, der nur 2002/2003 im Amt war und der in Berlin nicht glücklich wurde.

Fünf Spiele, fünf Pleiten

Borussia Mönchengladbach war ab 2011 die zweite Bundesliga-Station des Taktik-Tüftlers. Favre rettete die „Fohlen“ aus fast aussichtsloser Lage im Abstiegskampf über die Relegation und führte die rheinische Borussia 2015 erstmals in die Champions League.

Fünf Bundesliga-Niederlagen vom Saisonstart 2015/2016 weg führten in Mönchengladbach zu seiner Entlassung.

Bei Borussia Dortmund heuerte der Schweizer Favre 2018 an.

  • Aus 110 Pflichtspielen holte er 68 Siege, aber eben nicht die Meisterschale, die bis zum 0:5 bei Verfolger Bayern München und Trainer Niko Kovac (54 / jetzt BVB) am 28. Spieltag drin war, die danach aber auch nicht mehr verdient gewesen wäre.
  • Seit dem Abschied des letzten BVB-Meistertrainers Jürgen Klopp 2015 holte nur dessen Nachfolger Thomas Tuchel (2,09 Punkte pro Spiel) im Schnitt mehr Zähler als Favre (2,01).

Aber: Tuchel gewann einen Titel – DFB-Pokalsieger 2017 – und Favre blieb beim BVB, ebenso wie auf seiner nächsten Station OGC Nizza, nur der „Nearly Man“.

  • In der französischen Ligue 1 stand Favre mit Nizza bis zum 20. Spieltag auf Rang eins, an der Cote d‘ Azur wurde vom ersten Meistertitel seit 1959 gesprochen.
  • Am Ende wurde es Platz drei.