Die Dynamik des Franz Roth bracht ihm den Spitznamen "Bulle" ein. Der offensive Mittelfeldspieler zählte zu den Cracks, mit denen der FC Bayern in den 60er und 70er-Jahren seinen Aufstieg zur nationalen Topelf bewerkstelligte und den internationalen Ruf des Vereins begründete. Maik Grossmann sprach mit Franz Roth über jene glorreiche Zeit.
Hallo Herr Roth. Sepp Maier hat mal gesagt, wenn Sie zum Schusstraining angetreten sind, dann mussten die Nachbarn am Stadion die Fenster vergittern. Wie hat er das gemeint?
Damit muss er wohl meinen harten Schuss gemeint haben. Der Sepp hat natürlich gern übertrieben, aber in diesem Fall war er immer ganz froh, wenn ich vorbeigezielt habe. Vor der Einheit haben wir oft gern noch eine Stunde Schusstraining gemacht und da hat er immer gesagt „Bulle, 20 Meter ist okay - aber näher nicht!“
Als Sie Mitte der 60er eingestiegen sind, war der Erfolg beim FC Bayern noch nicht selbstverständlich. Ganz im Gegenteil: Nummer Eins in der Stadt waren eigentlich die Löwen. Wie ist dieser Machtwechsel dann von vonstatten gegangen?
Wir sind einfach kontinuierlich besser geworden, haben sehr gut gewirtschaftet und vor allem, hatten wir damals schon die richtigen Leute auf den richtigen Positionen. Robert Schwan als Manager und dazu Präsident Neudecker, das war schon ein super Team. Später kamen dann Scherer und Hoffmann und danach schon Uli und Franz, also Leute, die das alles noch als Spieler erlebt und dann entsprechend in den Vorstandsetagen umgesetzt haben. 1860 hatte dagegen immer Präsidenten, die mit Fußball überhaupt nichts zu tun hatten. Vielleicht muss das auch gar nicht sein. Aber dann brauchst du wenigstens als Manager einen starken Mann, der alle Fäden in der Hand hat. Und das waren bei uns eben Robert Schwan und dann gleich Uli Hoeneß.
Gleich zu Anfang der 70er kam es zu einem plötzlichen Trainerwechsel. Wie haben Sie den Übergang von Branko Zebec zu Udo Lattek erlebt?
Das war natürlich schon eine große Überraschung. Erstens deshalb, weil wir mit Branko Zebec das Double geholt hatten und auch sonst im Grunde gut dastanden. Zweitens war Udo Lattek damals kaum bekannt. Ich bin aber sicher, dass da Franz, Sepp und Gerd ihre Finger mit im Spiel hatten, denn die hatten Lattek ja alle schon als Co-Trainer unter Helmut Schön erlebt. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Drei sich dann für ihn stark gemacht und sich mit Neudecker und Schwan entsprechend abgesprochen haben. Wir anderen hatten da gar nichts zu sagen.
Schon 1971 hätten Sie eigentlich Meister werden müssen. Den Matchball am letzten Spieltag haben Sie allerdings vergeben, und zwar mit der fast üblichen Niederlage in Duisburg. Was hatte es damals auf sich mit diesem „Meiderich-Syndrom“?
Gute Frage, wenn ich das nur wüsste. Grundsätzlich will man als Bayern-Spieler natürlich überall gewinnen, egal wo man einläuft, vor allem wenn man die Möglichkeit hat, Deutscher Meister zu werden. Aber es gab eben drei Mannschaften, denen wir die Punkte gleich mit der Post schicken konnten. Das waren Bremen, Kaiserslautern und eben Duisburg. Wo andere nichts wurden, in Gladbach und Köln zum Beispiel, haben wir komischerweise dafür immer gewonnen. Aber das mit der Meisterschaft war natürlich sehr bitter.
Was haben Sie denn vom großen Skandal mitbekommen, der nach der Saison enthüllt wurde?
Davon haben wir eigentlich sehr wenig mitbekommen, für uns kam ja so was auch niemals in Frage. Nun hatten wir das Glück, dass wir sowieso ganz weit oben standen. Aber auch sonst kann ich mir nicht vorstellen, dass in unserer Mannschaft irgendwelche Gelder aufgeteilt worden oder dass irgendjemand dafür überhaupt empfänglich gewesen wäre. Bevor das an die Öffentlichkeit kam, hätten wir das deshalb auch niemals für möglich gehalten.
Während die Liga danach am Tropf hing, räumte der FC Bayern die Titel reihenweise ab: 1972 Meister mit 101 Toren, dann die Titelverteidigung per Start-Ziel-Sieg, 1974 schon wieder Deutscher Meister und auch noch Europacupsieger. War das die vielleicht beste deutsche Vereinsmannschaft aller Zeiten?
Damals jedenfalls waren wir mit Sicherheit die stärkste, ich würde sogar sagen in ganz Europa. Real Madrid, Inter Mailand und Benfica Lissabon waren zu der Zeit die großen Klubs, und die haben wir alle noch übertrumpft. Grundsätzlich sind solche Vergleiche natürlich schwierig. Die 54er Weltmeisterelf war zum Beispiel sehr stark, die 90er genauso. Nur waren das natürlich auch andere Generationen. Bezogen auf die 70er haben wir jedenfalls überragt und waren damit in unserer Zeit die beste Mannschaft weit und breit, vielleicht sogar die auf ewig stärkste Bayern-Elf.
Welchen Anteil hatte denn Udo Lattek an dem ganzen Erfolg?
Sicher auch einen großen. Ohne Trainer geht es nicht. Er muss die Spieler bei Laune halten und sie so trainieren, dass sie fit sind. Auch wenn schon gute Spieler da sind, dann müssen zwei Dinge trotzdem immer stimmen: die Vorbereitung und die Harmonie innerhalb der Mannschaft. Und darin war Udo Lattek sehr gut. Er war eher so ein Kumpeltrainer, besonders im Vergleich mit Branko Zebec. Bei dem durfte man ja gar nichts. Wenn du dem gesagt hast, du wärst leicht verletzt, dann hat der das nicht geduldet. Du warst da, um zu trainieren und zu laufen, etwas anderes gab es nicht.
Nicht nur ganz Deutschland schwärmte bald von Bayerns Superelf mit der Jahrhundertachse Maier-Beckenbauer-Müller. Die Stars von damals betonen selbst heute noch, wie wichtig auch Spieler wie Sie für das Teamgefüge waren. Trotzdem: Erzeugt der ewige Rummel um die Kollegen nicht unweigerlich Neid?
Nein, gar nicht. Ich bin grundsätzlich kein Mensch, der anderen etwas neidet und hab das auch damals immer schon sportlich gesehen. Es gibt immer Bessere oder zumindest solche, die in den Medien besser präsentiert werden. Aber das hat mich nie gestört. Ich war immer glücklich beim FC Bayern, hab mich wohl gefühlt und war Teil einer besonderen Mannschaft. Deswegen bin ich auch zwölf Jahre lang geblieben, auch wenn es meistens sehr zähe Verhandlungen waren. Besagten Rummel hab ich ja außerdem selbst erlebt, nämlich nach den Siegen im Europapokal, als plötzlich alles auf mich eingeprasselt ist. Da hab ich dann gemerkt, dass ich das gar nicht unbedingt haben muss.
Auf der Straße kam es in den 70ern zu einem Aufbegehren der Jugend. Inwiefern hat das auch die Mannschaft erfasst?
Na ja, wir hatten damals Paul Breitner und Uli Hoeneß, die den Laden gleich ein bisschen umkrempeln wollten und dabei auf den alten Stamm getroffen sind. Da haben sich die Jungen anfangs ganz schön an uns die Zähne ausgebissen. Nun, wenn man meint, man ist ein ganz Großer, dann muss man sich natürlich auch warm anziehen. Entsprechend hart ging es im Training dann zur Sache, oft sogar härter als im Spiel.
Fortsetzung folgt...
Das Foul von Bellarabi war geisteskrank! Das war vorsätzliche Körperverletzung. Sowas gehört drei Monate gesperrt – und zwar für Dummheit!
— Bayern Münchens Präsident Uli Hoeneß über das grobe Foulspiel von Leverkusens Karim Bellarabi an Rafinha.