Wie nach jedem Bundesliga-Wochenende sprach unser Kollege Benjamin Apitius von der 11Freunde-Online-Redaktion mit dem Urgestein Dieter Schatzschneider und erörterten die brennendsten Fragen: Sah der junge Schatzschneider besser aus als Luca Toni? Was ist in Jens Lehmann gefahren? Und wo bleibt Poldi?
Herr Schatzschneider, muss sich Bayern München bei dieser Konkurrenz eigentlich noch Sorgen um die diesjährige Meisterschaftsfeier machen?
Die Meisterschaft ist entschieden - das habe ich schon vor Wochen gesagt. Wenn die Bayern einen Lauf haben, dann spielen sie einen exzellenten Fußball. Das Wochenende war eigentlich so richtig schön erschreckend - es geht nur noch um Platz zwei bis sieben.
Gibt es eigentlich Vergleichspunkte zwischen Ihnen und Luca Toni?
Um Gottes Willen. Der sieht doch so fantastisch aus - das habe ich ja nie. (lacht laut) Das war immer mein Traum, dass ich mal so gut aussehe wie Luca Toni.
Herr Schatzschneider, wir meinten natürlich fußballerische Vergleichspunkte.
(lacht) Ich war auch ein reiner Strafraumstürmer. Ich denke, die Art, wie er seinen Körper ins Spiel bringt, ist eine Gemeinsamkeit zu mir. Ich habe genauso mit meinem Körper gearbeitet.
Gibt es überhaupt noch etwas, was der Stürmer Luca Toni verbessern könnte?
Den kannst du eh nicht mehr ändern. Er ist sicher nicht der Schnellste, aber für seine Größe hat er eine super Handlungsschnelligkeit im Strafraum. Ähnlich schnell in seinen Aktionen war nur Gerd Müller. Der wusste auch unglaublich schnell, was passiert, und hat sofort gehandelt.
Tonis Sturmpartner Miroslav Klose hat seit geraumer Zeit Ladehemmung. Was läuft da quer?
Es ist eindeutig, dass Klose momentan ein Problem hat. Vielleicht setzt er sich zu sehr unter Druck, vielleicht hat er Muffe vor Podolski - es gibt tausend Gründe, die er haben kann.
Werder Bremen ist auf den fünften Tabellenplatz abgerutscht. Wen sehen Sie im Kampf um die Champions League-Plätze vorne?
Das wird eine heiße Kiste. Ich bin selbst gespannt: Setzten sich die Mannschaften durch, die ein hohes spielerisches Niveau haben - wie Leverkusen oder Stuttgart - oder setzten sich die Mannschaften durch, die ein hohes taktisches Niveau haben - wie der HSV? Meine Mannschaft der Rückrunde ist bisher auf jeden Fall der VfB Stuttgart - die werden noch weiter nach oben kommen.
Ist Eintracht Frankfurt ein Kandidat für den Uefa-Cup?
Nein, nein, nein. Aber ich muss wirklich einmal sagen: Der jetzige Frankfurter Erfolg ist der große Verdienst Friedhelm Funkels - er ist raus aus seiner Schublade, ein exzellenter Trainer geworden. Aber das internationale Geschäft käme für Frankfurt diese Saison noch zu früh.
Borussia Dortmund kann dagegen bereits die Füße hochlegen: Die Saison ist nach dem Einzug ins Pokalfinale gerettet. Wäre das damals eine Stimmung für Sie gewesen?
Nein. Es würde sicherlich keinen Spaß machen, für diese Dortmunder Mannschaft zu spielen. Die haben ja von hinten bis vorne Baustellen auf dem Platz.
Haben Sie denn mit der Mannschaft von Hannover 96 nach der ansprechenden Leistung gegen Stuttgart wieder Ihren Frieden geschlossen?
Ja. Die Mannschaft hat endlich wieder gezeigt, dass sie Fußball spielen kann. Bis zum Sechzehner war alles okay, dann hat jedoch der Stürmer gefehlt, muss man sagen.
Zusammen mit Arminia Bielefeld hält der 1. FC Nürnberg mit sechs Abstiegen aus der 1. Bundesliga den inoffiziellen Rekord. Wird der Club womöglich alleiniger Rekordhalter nach dieser Saison?
Es würde mir in der Seele weh tun, wenn eine Mannschaft wie Nürnberg absteigen würde. Die Nürnberger haben doch so viel fußballerisches und so viel kämpferisches Potenzial, dass sie es doch noch schaffen sollten. Ich denke, der Meyer hatte sich wirklich etwas Fantastisches aufgebaut. Und deswegen sind auch die Aussagen vom Thomas von Heesen sehr unglücklich gewesen, das möchte ich einmal feststellen. Wenn ich etwas zu bemängeln habe, tue ich das nicht in der Öffentlichkeit.
Lukas Podolski hatte auch etwas zu bemängeln: Er sitzt zu oft nur auf der Bank. Wo sehen Sie den Nationalstürmer in Zukunft?
Wenn ich Lukas einen Rat geben müsste, dann: »Bleib bitte bei Bayern München und versuche, deinen Vertrag zu erfüllen. Du musst dich da durchsetzen!« Es gibt nichts Höheres als den FC Bayern - alles andere, sage ich einmal pauschal, ist schon ein Rückschritt. Ich stand auch einmal vor einer ähnlichen Entscheidung: Ich hatte einen Drei-Jahres-Vertrag beim Hamburger SV unterschrieben und merkte trotz meiner 15 Tore in der ersten Saison, das passt nicht mehr. Und wenn ich in meiner Bundesliga-Karriere einen Fehler gemacht habe, dann als ich Hamburg fluchtartig verließ.
Nun spielt David Jarolim beim HSV. Am letzten Spieltag griff der Tscheche ziemlich tief.
(lacht) Da sind wir uns beide drüber einig! Haben wir früher auch gemacht, aber alles ohne Kamera.
Wie hätten Sie anstelle von Markus Schuler reagiert?
Ich denke, man reagiert in so einer Szene sehr spontan - da kann man auch mal ausflippen. Der Schuler hat sich sehr mannhaft verhalten. Das sind schon Schmerzen, wenn da der richtige harte Griff kommt.
Nun lebt ein Fußballer auch außerhalb des Platzes sehr gefährlich, wie man an den Beispielen Marcelinho und Lehmann sieht. Gehören solche Provokationen zum Privatleben eines Fußballers einfach dazu?
Bei der Medienpräsenz heutzutage muss man sich einfach im Griff haben. Früher war das genauso, aber im Kleinen. Ich habe in meiner Anfangszeit auch schon mal einen runter gepflückt, der mich beleidigt hat, und dann gab es was zwischen die Ohren. Aber als gestandene Profis wie es Marcelinho oder Jens Lehmann sind, sollte man schon alles erlebt haben. In dem Alter ist das einfach ein Zeichen von Schwäche.
Kommen wir noch einmal auf das Länderspiel von letzter Woche zu sprechen. Gibt es so kurz vor der EM noch irgendetwas auszusetzen?
Für mich ist es immer wieder eine Schande, wenn im Verein und insbesondere in der Nationalmannschaft die Spieler nicht auf ihren angestammten Positionen spielen dürfen. Ich verstehe nicht, warum ein sehr guter Innenverteidiger wie Westermann nun letzte Woche rechter Außen in der Viererkette ist. Für jede Seite hat die Bundesliga doch etwas zu bieten! Wir haben für rechts einen Lell, der sicherlich kommen wird, oder einen Görlitz, der Perspektive hat. Wir brauchen da keinen Friedrich hinstellen oder einen Lahm - die sollen gefälligst da spielen, wo sie am stärksten sind.
Mit welcher deutschen Mannschaft würde Dieter Schatzschneider als Trainer die EM gewinnen?
Gomez, Gomez, Gomez, Gomez, Gomez! (lacht) Nein. Ich würde mit einem Gomez und einem Klose vorne spielen. Bernd Schneider rechts, Schweini links, Frings und Ballack in der Mitte. Hinten links Lahm, rechts Fritz, und in der Mitte Mertesacker und Westermann. Torwart eindeutig Lehmann!
Lehmann? Was spricht gegen Ihren Torwart Robert Enke?
Ne, ne. Lehmann ist schon eine Klasse besser als der Robert Enke. Robert ist ein außergewöhnlicher Torwart, aber dieses »sich mitteilen müssen«, dieses »lautstarke«, was den Lehmann auszeichnet, hat er einfach bisher nicht. Ein guter Torwart stellt sich seine Leute im Strafraum selbst zurecht.
Haben Sie für das Turnier eigentlich einen Geheimfavoriten?
Vielleicht die Spanier - die spielen momentan doch einen geilen Fußball.
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Was nützt ein Geigenspieler in einem Blasorchester? Der Zarate trifft deswegen nicht den richtigen Ton.
— Werner Hansch über den launischen Argentinier Sergio Zarate, 1. FC Nürnberg.