Mit einem ungemein spannenden Finish verabschiedete sich die Bundesliga in die Sommerpause. Für alle Fans, denen die Zeit ohne Erstligaspektakel bis zum Wiederanpfiff am 7. August 2009 zu lang wird, bietet fussballdaten.de in den nächsten Wochen ein Alternativprogramm an: In Auszügen aus der "Bundesliga-Chronik"-Buchreihe (Agon Verlag) wird erzählt wie alles begann: Von der Entstehungsgeschichte der Bundesliga, bis zu den Verläufen der ersten Saisons, mit allen ihren Helden, Pechvögeln und bemerkenswerten Anekdoten.
Triumphzug der Geißböcke
Vor der Realisierung der Bundesliga stand ein Jahrzehnte langer, mühsamer Kampf gegen unterschiedliche Verbandsinteressen und politische Widerstände, eine Landes umspannende Profifußball-Liga zu schaffen. In den 30er Jahren hatten die von den Nationaltrainern Otto Nerz und später Sepp Herberger unterstützten Gedanken zur Gründung einer Reichsliga bereits konkrete Konturen angenommen - der Kriegsausbruch verhinderte jedoch die Umsetzung. Später waren Franz Kremer, der Präsident des 1. FC Köln, und Hermann Neuberger, Vorsitzender des Saarländischen Fußballverbandes, die treibenden Kräfte, die den DFB-Beschluss vom Juli 1962 zur Einführung der Bundesliga zur Saison 1963/64 entscheidend auf den Weg brachten.
Die Entstehung
Verständlicherweise verursachte die Filterung der Gründungsmitglieder einige Reibereien - schließlich bewarben sich 46 Kandidaten um die zu vergebenden 16 Plätze. Der DFB-Bundestagsbeschluss sah vor, dass fünf Teams aus den Regionalverbänden West und Süd, drei aus dem Norden, zwei aus dem Südwesten und ein Berliner Vertreter die neue Eliteliga bilden sollten. Unterschiedliche Kriterien wurden der Qualifikation zugrunde gelegt, wie das sportliche Abschneiden in den letzten zehn Jahren, die Wirtschaftskraft des jeweiligen Vereins und die technische Ausstattung (Stadion). Als die Entscheidung verkündet wurde, protestierten etliche Vereine vehement gegen ihre Nichtberücksichtigung. Alemannia Aachen und Kickers Offenbach versuchten gar per Gerichtsurteil ihre Teilnahme einzuklagen - vergebens. Sie sollten erst Jahre später per sportlicher Qualifikation in die Erstklassigkeit vorstoßen.
Traumberuf mit Limit
Mit der Honorierung der Elitekicker tat man sich schwer; schließlich war den Vertragsverhandlungen zwischen Spielern und Vereinen der DFB als Souverän vorgeschaltet, der die Rahmenbedingungen festlegte. Das Lizenzspielerstatut sah vor, dass den Spielern, inklusive Sonderprämien, nicht mehr als ein monatlicher Maximalverdienst von 1.200 Mark gezahlt werden sollte. "Besonders qualifizierte Spieler" durften mehr verdienen - davor standen allerdings erst ein Gutachten des Bundesligaausschusses, wer denn und in welchem Grade als hoch qualifiziert galt, sowie die Genehmigung des Finanzamtes. Auch hier waren Streitfälle vorprogrammiert. So wusste das "Sport-Magazin" in seiner ersten Bundesliga-Ausgabe von "sauren" Löwen-Fans zu berichten, die sich darüber aufregten, dass ihrem Nationalstürmer Engelbert Kraus der Sonderstatus - verbunden mit einem Monatseinkommen von 2.000 Mark - verwehrt wurde, während HSV-Star Uwe Seeler angeblich 2.500 Mark zugebilligt worden waren. Limitiert waren zudem die Geldflüsse bei Vereinswechseln: Als maximale Ablösesumme standen 50.000 Mark und ein Höchstbetrag von 10.000 Mark Handgeld für den Spieler in der Geschäftsordnung. Eine weitere signifikante Einschränkung des Handlungsspielraumes der Vereine stellte die Begrenzung der Neuverpflichtungen pro Verein und Saison auf maximal drei Lizenzspieler dar.
Zweigleisige Karrieren
In den meisten Fällen übten die Spieler den Fußball als zweiten Beruf aus. "Alle KSC-Spieler sind tagsüber voll beschäftigt. Zu einem scharfen Training um 17.30 Uhr haben sie nicht mehr die nötige Kraft", beklagte der Karlsruher Trainer Kurt Sommerlatt die Doppelbelastung seiner Schützlinge. "Ich rufe schon seit Wochen Arbeitgeber und Gönner des MSV auf, unseren Spielern leichte Beschäftigung zu vermitteln", flehte sein Duisburger Kollege Rudi Gutendorf um schonendem Umgang mit seinen Spielern. Im Falle der Tätigkeit seines Mittelfeldspielers Werner Lotz, der als Former acht Stunden täglich am Hochofen stand, eine nachvollziehbare Forderung. Der Saarbrücker Stürmer Erich Maas quittierte wegen der Nachtarbeit seinen Beruf als Bäcker und nahm eine Halbtagstätigkeit als Lagerarbeiter einer Radiofirma an. Für Halbtagsjobs entschieden sich auch der Hamburger Linksaußen Charly Dörfel (beim Norddeutschen Rundfunk) und Frankfurts Mittelfeldmann Horst Trimhold, der sich nebenbei als Schriftsetzer versuchte. Multitalent Charly Dörfel versuchte, auch in der Showbranche Fuß zu fassen. Da seine Sangeskünste mit den Dribbelfähigkeiten nicht konkurrieren konnte, blieb dieser Karriere eine höhere Weihe versagt. Herthas Spielmacher Helmut Faeder wurde selbst noch vor Heimspielen um fünf Uhr morgens am Fruchthof gesichtet, wo er Obst und Gemüse für seinen Laden abholte. Nürnbergs Spieler spannten ein dichtes Toto-Annahmestellen-Netz über die Frankenmetropole. Max Morlock, Stefan Reisch, Richard Albrecht, Horst Leupold und Ferdinand Wenauer suchten unternehmerischen Erfolg in dieser Branche. Club-Verteidiger Helmut Hilpert erschien da mit seiner Tankstelleneröffnung als echter Exot. Die Schalker Manfred Berz und Klaus Matischak als frühe Al Bundys zu betrachten, wird ihnen sicher nicht gerecht. Allein, ihr gemeinsam betriebener Schuhladen floppte recht schnell - im April 1964 wurde gemeldet, dass der Ausverkauf begann. Unabhängig vom Erfolg der Spieler in ihren "ordentlichen" Berufen wurde alsbald klar, dass parallele, zeitintensive Tätigkeiten die Bundesligaarbeit erschwerten. "Wir üben in zwei Gruppen zeitlich verschieden, haben aber auch die Möglichkeit, mindestens einmal wöchentlich alle Spieler zusammen zu haben. Für Prins, Neumann, Richter, Strich Kiefaber, Bauer, Wrenger, Kostrewa, Pulter ist ein intensives Morgentraining möglich, während Reitgaßl, Meier, Mangold, Schneider, Gawletta, Diehl, Schnarr, Schönborn aus beruflichen Gründen lieber am Nachmittag ihren Trainingsverpflichtungen nachkommen", erklärte FCK-Trainer Günter Brocker in der Winterpause seine Strategie. Bei Eintracht Frankfurt umging Trainer Paul Oßwald die Probleme "Indem wir im allgemeinen erst gegen 18 Uhr mit dem Training beginnen". Zur Dauerlösung taugten beide Modelle nicht, wollte man das sportliche Maximum herauskitzeln.
Fortsetzung folgt
Bundesliga Chronik
Er ist noch kein neuer Pelé. Aber er ist der einzige, der ein neuer Pelé werden kann.
— Argentiniens Nationaltrainer Cesar Luis Menotti 1980 über Diego Armando Maradona