"Der Boss", Helmut Rahn, einer der wenigen in der ersten Saison noch Aktiven aus der 54er Weltmeisterelf, wurde auffällig: Als erster Bundesligaspieler flog er vorzeitig vom Platz. Kaiserslautern beeindruckte mit seiner Leuchtkraft und Saarbrückens Präsident suchte nach Argumenten, den Klassenerhalt doch noch zu bewerkstelligen.
Die Mitte der Liga
Ohne signifikante Abstiegssorgen, aber auch ohne gerechtfertigte Ambitionen auf vordere Platzierungen, tummelten sich 1860 München, der 1. FC Nürnberg, Werder Bremen, Eintracht Braunschweig und der 1. FC Kaiserslautern über die gesamte Saison gesehen im gesicherten Mittelfeld. Altmeister Nürnberg bewegte wenig in der Liga, zeichnete aber für die erste Trainerentlassung (Jenö Csaknady löste im November 1963 Herbert Widmeyer ab) verantwortlich. Kaiserslautern hielt sich trotz zweier deftiger Klatschen (3:7 in Hamburg und 3:9 in Dortmund) solide im Mittelmaß, überstrahlte jedoch in anderer Hinsicht die gesamte Konkurrenz: Mit einer 900 Lux starken Flutlichtanlage beglückt, hatte das Pfälzer Publikum europaweit die mit Abstand beste Sicht bei den abends angesetzten Spielen. Selbst Real Madrids 480 Lux-Anlage verblasste dagegen, von den 60 Lux, die die Beleuchtung im Kölner Müngersdorfer Stadion zur trüben Funzel degradierten, ganz zu schweigen. Die UEFA empfahl damals für Spielstätten mit über 20.000 Besuchern Lichtmasten mit zwischen 100 und 200 Lux Leuchtkraft. Unerwartet stark, ohne Niederlage in den ersten acht Spielen, war Eintracht Braunschweig das Abenteuer Bundesliga angegangen. Langwierige Verletzungen der Stürmer Klaus Gerwien und Hans-Georg Dulz schwächten die Niedersachsen entscheidend. Die Sechziger, ebenso launisch und unbeständig in ihren Leistungen wie die Bremer, entwickelten ein Faible für Jubiläumstore: Der 200. (Brunnenmeier), 300. (Kraus) und 500. (Kohlars) Bundesligatreffer ging auf das Konto der Löwen.
Gegen den Abstieg
Der 1. FC Saarbrücken stand vom ersten Spieltag an mit dem Rücken zur Wand und konnte sich nur einmal eines Nichtabstiegsplatzes (am vierten Spieltag; Platz 14) erfreuen. Danach stürzten die Saarländer ans Tabellenende und verließen es nicht mehr. Dabei hatte der FCS spielerisch durchaus einiges zu bieten; doch meistens währte die Herrlichkeit nur eine Halbzeit lang. Zum Rückrundenstart verblüfften die Saarbrücker mit dem 3:1-Auswärtssieg beim 1. FC Köln - der einzigen Kölner Heimniederlage. "Man dürfte im ersten Jahr bei soviel Neuland, das wir allesamt vorfanden, einfach keine Mannschaft absteigen lassen", startete der FCS-Vorsitzende Eugen Keller Ende März 1964 einen netten Versuch, den Abstieg noch abzuwenden - stieß damit jedoch beim DFB auf keine Gegenliebe. Der zweite Absteiger, Preußen Münster, startete zunächst gut. Was bei einer Arbeitsmoral, wie sie Stürmer Karl-Heinz Kiß offenbarte, auch nicht verwunderte. Kiß ließ sein Auto stehen, übergab Trainer Richard Schneider die Schlüssel und schwor so lange nur Rad zu fahren, bis er mit seiner Form zufrieden sei. Wahrscheinlich bekam der Stürmer die Schlüssel zu früh zurück, denn nach dem zwölften Spieltag traf er nicht mehr. Im Januar 1964 hatten die Preußen dann einen Schock zu verdauen, als ihr Stürmer Walter Bensmann beim Spiel in Braunschweig nach einem Zusammenprall auf dem hart gefrorenen Boden aufschlug und einen Schädelbasisbruch erlitt. Nicht zuletzt dieser Vorfall führte zu Überlegungen über eine Ausweitung der Winterpause wegen der Unbespielbarkeit der Plätze. Mit gerade einmal einem Punkt mehr auf dem Konto als Münster vermieden der Karlsruher SC und Hertha BSC den Abstieg. Erst am vorletzten Spieltag, als Münsters Niederlage in Bremen das Aus für die Preußen markierte, endete für beide Klubs der Ritt auf des Messers Schneide. Der fortwährende Kampf um den Klassenerhalt zerrte an den Nerven, wie der Platzverweis von Hertha-Verteidiger Otto Rehhagel während des Gastspiels in Gelsenkirchen belegt: "Ich habe Matischak nur mit der Hand weggeschoben", beteuerte das "Kind der Bundesliga" unter Tränen unmittelbar nach dem Foul. Rehhagel war allerdings nicht der erste Bundesligaakteur, der des Feldes verwiesen wurde. Das war dem “Boss”, Helmut Rahn (Meidericher SV), am vierten Spieltag vorbehalten.
Gelungener Start
Die erste Saison, die in Deutschland endlich alle Stars zwischen Nordseeküste und Alpenrand in einer Liga vereinte, bestätigte die positiven Erwartungen, die Sepp Herberger einst in ein solches Konstrukt setzte. Die Bundesliga bot den noch aktiven Weltmeistern Helmut Rahn, Max Morlock, Hans Schäfer und Heinz Kwiatkowski noch einmal eine große Bühne, förderte aber vor allem aufstrebende Talente, wie Wolfgang Overath, Wolfgang Weber, Werner Krämer, Stan Libuda oder Willi Schulz. 297 Spieler wurden eingesetzt, von denen nur 25 in jedem Spiel mitwirkten. Der 1. FC Köln, die einzige Mannschaft mit mindestens einem Tor pro Spiel, kam mit dem geringsten Personal (15 Spieler) zum Titelerfolg.
André Schulin
Bundesliga Chronik
Was nützt ein Geigenspieler in einem Blasorchester? Der Zarate trifft deswegen nicht den richtigen Ton.
— Werner Hansch über den launischen Argentinier Sergio Zarate, 1. FC Nürnberg.