Zwei Vereine betraten erstmals die Bundesligabühne, die in verblüffend kurzer Zeit zu Aushängeschildern des deutschen Fußballs avancierten: Gladbach und der FC Bayern. Sie bereicherten die Liga mit famosen Fußballern und ausdrucksstarken Übungsleitern. Bayern-Coach "Tschik" Cajkovski verkörperte den jovialen Trainertyp, während Hennes Weisweiler seinen Ruf als Taktik-Fuchs begründete. Dem dritten Neuling stand eine fürchterliche Saison bevor: Berlin-Vertreter Tasmania 1900 wurde förmlich aus der Klasse herausgeschossen (108 Gegentreffer).
Aufgrund des Zwangsabstieges von Hertha BSC und den im Anschluss daran entstandenen Reibereien, wer denn nun berechtigt wäre, diese Lücke zu füllen, ging die Bundesliga quasi zwangsvergrößert in ihre dritte Saison. 18 Klubs stritten nun erstmals um Punkte. Neu dabei waren das als Hauptstadt-Vertreter gesetzte Tasmania 1900 Berlin und die als Sieger in zwei parallelen Aufstiegsrunden ermittelten Klubs Borussia Mönchengladbach und Bayern München. Die Mönchengladbacher (8:4 Punkte) hatten sich in Gruppe 1 knapp vor SSV Reutlingen (7:5), Holstein Kiel (6:6) und Wormatia Worms (3:9) durchgesetzt. Klarer war die Angelegenheit in Gruppe 2, wo Bayern München mit 9:6 Punkten und dem glänzenden Torverhältnis von 18:3 dominierte. Ex-Bundesligist 1. FC Saarbrücken (6:6 Punkte), Alemannia Aachen (6:6) und Tennis Borussia Berlin (3:9) mussten sich mit dem Verbleib in ihren jeweiligen Regionalligen abfinden.
Wer wird Meister?
Auf das beliebte Spielchen, den Trainern vor der Saison ihre Meisterschaftsfavoriten zu entlocken, ließen sich nur Nürnbergs Coach Jenö Csaknady ("So ein Tipp ist eine Spielerei. Da ich meinen Beruf als Fußball-Trainer sehr ernst nehme, kann ich hier nicht mitmachen") und VfB-Trainer Rudi Gutendorf ("Meister wird, wer am profihaftesten trainiert und spielt") nicht ein. Ihre 16 Kollegen waren entspannter und verbindlicher. Bei möglichen Mehrfachnennungen kristallisierten sich der 1. FC Köln (15 Stimmen), 1860 München (12) und Werder Bremen (10) als die am heißesten gehandelten Titelanwärter heraus. Die Ausgewählten selbst fühlten sich durchaus richtig eingeordnet. "Diesmal müsste es wieder klappen", machte sich Kölns Trainer Georg Knöpfle Hoffnungen auf den zweiten Coup der Rheinländer. "Unter den ersten zwei", ließ „Löwen-Bändiger“ Max Merkel ebenfalls wenig Spielraum für das von ihm anvisierte Saisonziel, während der Übungsleiter des Titelträgers Werder Bremen, Günter Brocker, ein bescheidenes "Ich hoffe, unter den ersten fünf zu sein" von sich gab.
Die Aufsteiger: Rekorde in positiver wie negativer Hinsicht
In der Vorsaison der WM 1966 in England beäugte man das Bundesligageschehen ganz besonders im Hinblick auf das kommende Großereignis. So wurde die Rückkehr des 39fachen Nationalspielers Horst Szymaniak nach Deutschland allgemein begrüßt, der seine Zelte in Italien (FC Varese) abgebrochen hatte, um mit Neuling Tasmania 1900 Berlin dem Hauptstadtpublikum attraktiven Erstligafußball zu bieten. "Beinahe unglaubhaft: Varese gab sich mit 50.000 Mark Ablöse zufrieden, hofft jedoch auf zwei Privatspiele mit hoher prozentualer Beteiligung", jubilierte das Sport-Magazin ob des gelungenen Coups. "Natürlich wollte Varese mehr Geld haben. Aber wir haben nicht einen Augenblick daran gedacht, auch nur den geringsten Schritt außerhalb des Statuts zu tun", beeilte sich Tasmanias 1. Vorsitzender Harry Michel hinzufügen. Der Grund für Herthas Erstligaausschluss (unerlaubter Geldfluss an Spieler), der Tasmanias Aufstieg erst ermöglichte, haftete noch allgegenwärtig in den Köpfen. Indes, was sich so hoffnungsvoll anließ, fand kein glückliches Ende. "Mir gefällt es in Berlin. Ich habe eine nette Wohnung, ich mag die Atmosphäre hier. Alles in Berlin ist überhaupt zu bejahen. Nur das mit Tasmania deprimiert mich", diktierte der "Schimmi" gerufene Horst Szymaniak den Journalisten nach dem siebten Spieltag in die Notizblocks. Und die Depressionen steigerten sich noch. "Schimmi" spielte eine gute Saison; Tasmanias Kader in seiner Gesamtheit erreichte allerdings keine Bundesligareife. Nach einer qualvollen Saison voller derber Niederlagen verschwand Tasmania von der großen Fußballbühne.
Die beiden anderen Aufsteiger hingegen traten in der Liga auf, als hätten sie nie woanders gespielt. Beeindruckend, wie Mönchengladbach, das mit einem Durchschnittsalter von 23,3 Jahren jüngste Team, sich der Konkurrenz auf Augenhöhe stellte und geradezu sensationell, wie Bayern München - mit einem Schnitt von 23,5 Jahren nur unwesentlich älter - im Titelkampf mitmischte. Diese beiden Neulinge ließen ihre Opponenten sprichwörtlich oft genug "alt aussehen". Zudem drängten aus ihren Reihen Spieler ins Rampenlicht, die für die Nationalelf noch große Bedeutung erlangen sollten. Bayern Münchens Läufer Franz Beckenbauer feierte in dieser Saison seinen großen Durchbruch. Nach der WM kannte jedes Kind, nicht nur in Deutschland, seinen Namen. Nicht zuletzt trugen die Übungsleiter Hennes Weisweiler (Mönchengladbach) und Zlatko "Tschik" Cajkovski (Bayern) qualitativ und unterhaltend zur Bereicherung der Bundesliga bei. "Merkt euch, die beste Kondition hat immer der Ball", warb "Tschik" blumig dafür, den Ball laufen zu lassen, statt unnötig lange mit dem Leder am Fuß zu rennen.
André Schulin
,,Yeboah hat gesagt: Das System ist nicht verstanden worden." - ,,Yeboah hat Schwierigkeiten, sich zu artikulieren."
— Jupp Heynckes, Trainer von Eintracht Frankfurt, bei SAT 1, nach einem 0:3 gegen Bayer Uerdingen.