5 Dinge über Schalke

von Günther Jakobsen10:22 Uhr | 17.07.2008

Manchmal muss man mit Scheinen wedeln, um Großes zu erreichen. Die Schalker Shopping-Tour hat ein niederländisches Dreigestirn in die Bundesliga gespült. Ob es nach Jahrzehnten endlich wieder den Meistertitel bringt?

1. DER FREUNDLICHE HERR RUTTEN

Fred Rutten ist ein freundlicher Mensch. Bei seiner ersten Pressekonferenz ließ er einige nette Worte über sein neues sportliches Heim fallen. »Der FC Schalke, mit seinen tollen Fans, ist in den Niederlanden hoch angesehen. Ich freue mich hier zu arbeiten«, schwadronierte der Mann mit dem grauen Haupthaar bei seiner Vorstellung. So weit, so gut. Danke für die Blumen, wird sich das königsblaue Volk gedacht haben und wissen wollen, was sonst noch in ihm steckt, in Fredericus Jacobus Rutten. Er ist ein harter Hund, ein Disziplinfanatiker, auf keinen Fall ein netter Herr Slomka. Das zumindest war nach der Verpflichtung des Niederländers in den Zeitungen zu lesen. In Fanforen texteten die Kiebitze die neuesten Beobachtungen. Er hat Asamoah während des Trainings die Hände aus der Tasche gezogen, um ein Zeichen zu setzen, war zu lesen. Seht her, ich bin jetzt der Chef, alles hört auf mein Kommando, könnte der tiefere Sinn dieser an für sich eher kindischen Aktion gewesen sein.

Sein Ruf und seine Herkunft erinnern an Huub Stevens, den niederländischen Trainer, der mit den »Knappen« 1997 in Mailand den UEFA-Pokal gewinnen konnte. Vielleicht dachten Manager Andreas Müller und Präsident Josef Schnusenberg an Stevens, als sie sich für Rutten entschieden. Denn genau wie Stevens eilt ihm der Ruf eines akribischen Arbeitstiers voraus. Arbeitstage von morgens bis tief in die Nacht sind keine Seltenheit, eher Normalität. Mit seiner vorbildlichen Arbeitseinstellung kann er nicht nur zum Vorturner, sondern auch zum Vorbild für seine Spieler werden. Und wenn er, wie in den Niederlanden, den Pokal gewinnt und zum Trainer des Jahres gewählt wird, werden sie auf Schalke möglicherweise fast zufrieden sein mit ihm.

2. MASSE MEETS KLASSE

In schöner Regelmäßigkeit hört man aus Bremen, Stuttgart oder eben Schalke, man sei noch nicht so weit wie die Bayern. Die hätten, vor allem in der Breite, einen viel besser besetzten Kader, daher könnten sie auch Verletzte oder gesperrte Spieler jederzeit adäquat ersetzen. Eine schöne und nicht ganz abseitige Entschuldigung, wenn es mit Meisterschaft und/oder Pokal mal wieder nicht so richtig klappen wollte. Beim Drittplatzierten des Vorjahres hat die Chefetage mit Sieben-Meilen-Stiefeln einen verschärften Anlauf genommen, um den Abstand auf den Branchenprimus aus dem Süden der Republik zu verkürzen. Aus dem Stammpersonal der letzten Saison hat nicht ein Spieler den Verein verlassen, und mit Orlando Engelaar und Jefferson Farfan konnten zwei hochkarätige Verstärkungen hinzugewonnen werden.

Aber warum sollte es im Fußball anders zugehen als im wahren Leben. Sobald ein Problem gelöst ist, wartet schon das Nächste. Im Schalker Kader herrscht inzwischen ein echtes Überangebot an qualifiziertem Personal. »Ich will mit jedem Spieler arbeiten, der da ist. Lieber haben wir einen zu viel als einen zu wenig«. Trainer Rutten ist bemüht, die Diskussion um das Massen-Überangebot an Klasse, in der Öffentlichkeit gar nicht erst aufkommen zu lassen. Intern wird es wohl die größte Herausforderung für den Niederländer werden. Nach derzeitigem Stand werden siebzehn Spieler um die Plätze im Mittelfeld und Angriff konkurrieren. Was bei den Bayern längst ein gewohntes Bild ist, kann auch in Schalke schnell zur Realität werden – Spieler, die vermutlich bei siebzehn der achtzehn Erstligisten gesetzt wären, sitzen plötzlich auf der Bank. Rotation statt fester Formation wäre die Lösung, Unzufriedenheit wäre aber gerade dann bei den bisher gesetzten Spielern vorprogrammiert.

Insbesondere Fabian Ernst und der kurzfristig aus dem EM-Kader ausgebootete Jermaine Jones werden sich, nach den Leistungen der letzten Saison, nicht zu Unrecht fragen, warum mit dem niederländischen Nationalspieler Engelaar unbedingt ein weiterer defensiver Mittelfeldspieler verpflichtet werden musste. Auch Manager Müller war auf der Mitgliederversammlung gezwungen, sich zu rechtfertigen. Die beiden hätten ihre Sache doch bestens gemacht, wurde ihm vorgehalten, was Müller zu der überraschenden Aussage verleitete: »Das ist Ihre Meinung. Wir haben eine andere«. Dass Müller so kontrovers antwortete, hat vermutlich einen sehr banalen Grund, ist Engelaar doch der Wunschtransfer des neuen Trainers. Und den muss der Manager eben rechtfertigen.

Die Verpflichtung von Farfan macht für den Außenstehenden deutlich mehr Sinn, war die mangelnde Durchschlagskraft in vorderster Front neben der mäßigen Attraktivität des Schalker Spiels doch die Daseinsberechtigung für alle hauptberuflichen Kritiker des Gelsenkirchener Profifußballs. Da Kuranyi als kopfballstarker und torgefährlichster Angreifer der vergangenen Spielzeit in der Angriffsmitte gesetzt sein dürfte, wird sich das Gerangel um die freien Plätze auf die Außenbahnen verlagern. Die Lotterie ist eröffnet, nur einer ist nicht mehr im Lostopf. Sören Larsen zieht es sehr wahrscheinlich nach Toulouse, ihm ist das Gedränge in der Kabine und auf dem Platz einfach zu groß geworden.

3. DER 10-MILLIONEN-EURO-MANN

Was bringt dieser Jefferson Farfan, für den sie in Schalke so viel Geld ausgegeben haben? Vom echten Glücksgriff bis zum fiesen Problemfall à la Carlos Alberto in Bremen scheint alles möglich. Für Statistiker und Zahlenfüchse ist die Sache jetzt schon klar: mit ihm wird Schalke den lang ersehnten Titel holen. Farfan ist in den vergangenen sechs Jahren immer Landesmeister geworden. In seiner Heimat Peru holte er mit Alianza Lima zwei nationale Titel, dann wechselte er zum PSV Eindhoven und wurde in den Niederlanden vier Mal Meister – in Serie. Ein Spieler mit eingebauter Meistergarantie, wenn Farfan nicht schon da gewesen wäre, die Schalker hätten ihn sich backen müssen. Zudem ist der Peruaner der dringend benötigte Knipser. In Eindhoven hat er über den Daumen gepeilt in jedem zweiten Spiel ein Tor gemacht. Diese Kontinuität könnte dann besonders wertvoll werden, wenn sich Kuranyi mal wieder eine längere Torabstinenz gönnt.

Leider gibt es auch ein paar negative Randnotizen. So wurde dem Neu-Schalker vorgeworfen, gemeinsam mit Ex-Bayern-Profi Claudio Pizarro sowie zwei weiteren Nationalspielern wenige Tage vor dem wichtigen WM-Qualifikationsspiel in Ecuador (1:5-Niederlage) an einer feucht-fröhlichen Whirlpool-Party im Teamhotel teilgenommen zu haben. Nach einer Sperre durch den Verband sind beide Spieler inzwischen wieder spielberechtigt. Einen faden Beigeschmack hinterlässt auch die Schlägerei bei der Taufe seines jüngsten Sohnes. Seine Bodyguards hatten ein TV-Team von der Anlage geprügelt. Auch wenn die Fernsehleute unerlaubt auftauchten, sind das Schlagzeilen, die kein Manager über seine Spieler lesen möchte.

Doch genug der Nörgelei. Farfan scheint sich in Schalke voll auf Fußball zu konzentrieren. Um nach längerer Spielpause wieder fit zu werden, die Meisterschaft in den Niederlanden war schon Ende April entschieden, hat er Sondereinheiten absolviert. Sein erster Testspielauftritt in Erkenschwick ließ den Kollegen Pander schon mit der Zunge schnalzen. »Ein sehr guter Fußballer«, diktierte der Linksverteidiger in die Notizblöcke der Journalisten. Schalke darf sich freuen, aber sie haben ja auch viel Geld dafür ausgegeben.

4. MUSS MAN NICHT WISSEN

Der FC 08 Homburg, Erstrundengegner des FC Schalke 04 im kommenden DFB-Pokal-Wettbewerb, sorgte in der Saison 1987/88 für einen kleinen, aber feinen Skandal. Der Verein hatte den Kondomhersteller »London« als Trikotsponsor gewonnen, was dem DFB überhaupt nicht schmeckte. Die Homburger mussten tatsächlich mit dem klassischen schwarzen Zensurbalken auf der Brust antreten. Es dauerte nicht lang, bis DFB-Tugendwächter Gerhard Mayer-Vorfelder per Gerichtsbeschluss ausgebremst wurde, und die Homburger die Kondommarke der ganzen Liga präsentieren durften.

5. 11FREUNDE ORAKELT

Wenn Farfan nicht schon nach dem ersten Spieltag mit der Disco-Gang von Kevin, Mladen und Jermaine bei einer feucht-fröhlichen Prosecco-Party in einem Schalker Szeneclub die lokalen Puppen zum Wackeln bringt und von der Vereinsführung für den Rest der Saison aus disziplinarischen Gründen gesperrt werden muss, bestehen beste Aussichten für einen lange währenden Titelkampf. »Lange während« heißt in diesem Fall bis zum 34. Spieltag. Dann kommt ein Dorfklub aus Hoffenheim mit einem rachedurstigen Rangnick nach Schalke und versaut die Meisterparty mit einem Tor in letzter Sekunde. Der Trainer der Gäste dreht nach dem Spiel eine Ehrenrunde. Und Schalke freut sich nach kurzem Weinkrampf über die Qualifikation für das europäische Geschäft.

Gereon Detmer
11freunde-Online



Was ist denn das für eine Scheiße mit dem Abseits? Das müssen wir abschaffen!

— Til Schweiger als Gast im sport1 Doppelpass