Die heutige Generation kennt sie lediglich als Paar, ihre Namen fallen im gleichen Atemzug und obwohl die Nation in der Frage nach den kompetentesten Fußballexperten zutiefst gespalten ist, gelten die beiden ARD-Männer als kongeniales Team. Die Rede ist natürlich von Günter Netzer und Gerhard Delling, sie sind einfach unzertrennlich, wie Ernie und Bert, wie Stephan und Harry. Gewesen. 10 Jahre lang. Nach der EM 2008 soll definitiv Schluss sein.
Etwas spießig kommen die Herren ja schon daher: maßgeschneiderte Anzüge, Krawatten passen zu Hemden, die Frisur sitzt, gepflegte Konversation und man siezt sich stets höflich. So ist das noch manchmal bei den Öffentlich-Rechtlichen, und das ist auch gut so. Aber irgendetwas stimmt da nicht. Ist das wirklich der Günter Netzer, den man noch von früher kennt? Den Clubbesitzer und Frauenhelden der 70er?
Die Mai-Ausgabe (Nr.54) der 11FREUNDE auf Seite 117: Günter Netzer, der Lebemann, barfuss und privat. Er lümmelt lässig auf dem Boden rum, klemmt sich den Kopfhörer an die Ohren und starrt gedankenverloren in die Luft. Vor ihm erstreckt sich eine ansehnliche Plattensammlung und das halbgefüllte Gläschen steht schon griffbereit. Das ist der wahre Netzer, möchte man sagen. Er hatte schnelle Autos und hippe Klamotten, er war ein vollkommener Selbstdarsteller, der sich perfekt zu vermarkten wusste. Natürlich durfte er sich im Pokalfinale 1973 gegen Köln selbst einwechseln und den Siegtreffer in der Verlängerung erzielen. Legendär.
Irgendwann war es aus mit der Fußballkarriere, Netzer wurde Geschäftsmann und später ein ausgemachter Experte. Auf der Bildfläche erschien er fortan mit Delling und amüsierte die Nation, die beim Anblick des Grottenkicks der DFB-Truppe in der europäischen Peripherie wahrlich nichts zu lachen hatte. Die Mischung stimmte also, ein gutes Format. Man stichelte sich gegenseitig und streute (abgesprochene) Frötzeleien in die Talkrunde. Delling war dabei stets in seinem Element, er arbeitet schließlich dauerhaft beim Fernsehen und nicht nur in der Saison, er ist Profi, abgebrüht und sprachbegabt.
Zwölf mal trat das Gespann während der WM für die ARD auf. Wie immer sehr sachlich und mit dem ureigenen Humor, der Markenzeichen, schon fast Kult geworden ist. Unter netzer-delling.beeplog.de gibt es liebevolle Details für den wahren Fan, und klassische Schenkelklopfer von Netzer: "Ein normaler Trainer hätte das anders gemacht!" Im Internet findet sich übrigens auch die Seite quotenmeter.de, die jedoch den ZDF-WM-Experten und Trainer vom FSV Mainz 05, Jürgen Klopp, zum wahren Sieger der Kommentare kürt und das Duo Netzer/Delling auf die Plätze verweist. Wahrscheinlich zu Recht. Die dynamische und gradlinige Art des Bundesligatrainers ist ohne Frage eine Bereicherung für den Zuschauer. Klopps Art und Weise, Fußball zu erklären, leuchtet einfach ein, seine scheinbar willkürlich verstreuten Kreuze und Striche liefern klare Antworten auf Fragen wie: Warum, zum Teufel, konnte er nur so frei zum Kopfball kommen? Oder: Welcher Vollpinsel hat hier wieder die Abseitsfalle aufgehoben? Es riecht nach Wachablösung.
Es verwundert folglich nicht, dass Netzer/Delling nach der EM 2008 abdanken werden und ihre mehrfach preisgekrönte Zusammenarbeit beenden werden. "Ich brauche mehr Zeit für meine Familie und die körperliche Ertüchtigung", sagte Delling – wer weiß, ob ein zukünftiges Engagement bei den Tagesthemen diesem Profil entsprechen kann. Und Netzer? Was wird aus ihm? Hat er noch die Plattensammlung? Oder verstaubt sie in einer dunklen Ecke seines Kellers? Wir werden uns wohl keine Sorgen machen müssen.
Paul Linke/11Freunde-Redaktion
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— Augsburgs österreichischer Stürmer Michael Gregoritsch.