Alles Gute, Riegel-Rudi!

von dpa30.08.2006 | 16:03 Uhr

Ob als Talentscout auf Jamaika, als Trainer der Fidschi Inseln, als Entdecker von Anthony Yeboah in Ghana oder als Gründer der Fußball-Nationalmannschaft Botswanas - Rudi Gutendorf hat fast alles gesehen. Der Trainer mit 55 Stationen auf fünf Kontinenten besiegte als Coach Nepals das große Indien, wurde im Iran als Ungläubiger gefeuert und bei Pinochets Putsch in Chile angeschossen. Heute wird Rudi Rastlos 80 Jahre alt, im Ruhestand befindet er sich jedoch noch lange nicht.

„Ich trainiere die Elf von Lotto Rheinland-Pfalz. Mit Overath, Eckel, Hölzenbein und anderen großen Stars habe ich dort in den letzten fünf Jahren über 450.000 Euro für wohltätige Zwecke eingespielt“, berichtet Gutendorf stolz.

Die Karriere des umtriebigen Gutendorf begann in Koblenz, wo er für den TuS entdeckt wurde. Seine aktive Spielzeit dauerte zwar nur zehn Jahre, doch was folgte, ist ein Teil Fußballgeschichte. Über die Schweiz ging es für Gutendorf als Trainer nach Tunesien, von dort zurück in die Bundesliga, wo er mit dem Meidericher SV mittels seiner Erfindung der Riegel-Abwehrtaktik 1964 deutscher Vizemeister wurde. Da „Rudi Riegel“ trotz dieses Erfolgs in der Bundesliga nie richtig Fuß fassen konnte, führte sein Weg über Stationen in den USA und Südamerika durch die halbe Karibik, nach Afrika, Australien und Asien, wo er für sein 50. Engagement, diesmal bei der Olympia-Elf Chinas, vom Guinness-Buch der Rekorde ausgezeichnet wurde.

Training unter Tage

Um Anekdoten ist der Fußball-Lehrer, der seine Lizenz bei Sepp Herberger erwarb, nie verlegen. Noch heute erzählt der Kolumnist einer Koblenzer Lokalzeitung nicht ohne eine gewisse Eitelkeit von seinen Erfahrungen. So ließ er die Mannschaft von Schalke 04 aus Solidarität mit den Kohlekumpels vor den Schächten trainieren, und musste auf Grund seiner Freundschaft zu Ex-Präsident Salvador Allende aus Chile fliehen.

Auch aktuelle Geschehnisse bleiben bei Gutendorf nicht unkommentiert. Im Vorfeld der WM fertigte er die damals schwächelnde Elf von Ex-Bundestrainer Jürgen Klinsmann ab: „Bei dieser Abwehr wird mir kotzübel.“ Auch wenn ihn die Euphorie der deutschen Fans bei der WM stark beeindruckte, gab es auch danach für Gutendorf noch Kritikpunkte: „Klinsmann ist abgehauen. Er hatte wohl Angst vor der EM, und dass sein Glanz dort einen Knacks bekommt.“

Flanke Hutu, Kopfball Tutsi

Gutendorf selbst ging es bei seinen Einsätzen rund um den Globus immer um mehr als die Titeljagd und Aufmerksamkeit. Für seinen Einsatz in 30 Ländern der dritten Welt wurde er im Jahr 1997 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Vor Krisengebieten schreckte Gutendorf nicht zurück, Fußball verstand er immer auch als Kommunikationsmittel. Seinen größten Erfolg feierte Gutendorf nach eigenem Bekunden während seiner Zeit als Trainer des vom Bürgerkrieg und Völkermord zerrissenen Ruanda, das er 2002 während der WM Qualifikation betreute: „Ein Hutu hat geflankt und ein Tutsi den Ball ins Tor geköpft. Der gemeinsame Torjubel danach war der größte Erfolg meiner Karriere.“ Auch wenn es in den letzten Jahren etwas ruhiger um den Weltenbummler geworden ist, hat Gutendorf genug zu tun: „Ich hatte ein Angebot von Samoa, aber ich ziehe es vor, erstmal zu Hause zu bleiben. Mein 16 Jahre alter Sohn ist gerade in der Pubertät und braucht seinen Vater.“

Ebensowenig kann sich Gutendorf ganz vom aktiven Fußball lösen. Mit dem Zweitliga-Aufstieg des TuS Koblenz, bei dem er seit 70 Jahren Mitglied ist, sei für ihn „ein Traum wahrgeworden“ und in seiner Tätigkeit als WM-Botschafter des Landes Rheinland-Pfalz erlebte er die WM hautnah. Seinen 80. Geburtstag wird Gutendorf standesgemäß mit seinem Lotto-Team auf einer großen Party feiern.

Dirk Gieselmann/11Freunde-Redaktion