Bundesliga

5 Dinge über Wolfsburg

Im Vorjahr dominierte Felix Magath die Schlagzeilen alleine. Nun rücken auch die kostspieligen Transfers in den Mittelpunkt. Zwei Weltmeister hat Wolfsburg verpflichtet. Führen sie den Verein ganz nach oben?

1. UNTER WÖLFEN

Es könnte alles so schön sein beim VfL Wolfsburg – wären da nicht Wolfsburg und die Wolfsburger, die der Trinität Magath den Spaß an der Arbeit verleiden. Die beste Platzierung der Vereinsgeschichte in der Vorsaison mit Platz 5, der die Qualifikation für den Uefa-Cup bedeutet. Nun neun Vorbereitungsspiele mit sieben Siegen, einem Unentschieden, haufenweise Toren und nur einer Niederlage. Dazu für Bundesligaverhältnisse geradezu atemberaubende Neuverpflichtungen – es könnte alles so schön sein.
Ist es aber nicht. Die einzige Testspielniederlage setzte es ausgerechnet im Finale des weltbekannten Obi-Cups gegen Young Boys Bern, womit Wolfsburg weiter titellos bleibt. Felix Magath ist das zur Zeit vielleicht sogar ganz recht, hat er doch inzwischen herausgefunden, dass man im Umfeld des Vereins noch gar nicht bereit ist für große Erfolge.

In einem Interview mit der Welt hat der Manager-Geschäftsführer-Trainer zum Rundumschlag ausgeholt und sich darüber echauffiert, dass der Verein zu wenig Unterstützung erfahre. Alle bekamen ihr Fett weg: Die Polizei, die die Amateure aus Sicherheitsgründen ins Stadion scheuchte und so die Verwandlung des heiligen Rasens in einen Acker förderte, die Stadt, die nur Sportplätze für Jugendmannschaften baut, aber keine Infrastruktur für die Profis schaffen will (und nebenbei bemerkt auch immer noch keinen Balkon für Meisterfeiern am Rathaus angebracht hat, auch wenn Magath dies unbegreiflicherweise unerwähnt ließ) und schließlich die Wolfsburger selbst, die nicht begreifen wollen, dass Wolfsburg künftig für Spitzenfußball stehen soll und nicht nur für VW und jede Masseneuphorie vermissen lassen.
Den neuen Dauerkartenrekord von immerhin 14000 schon jetzt verkauften Tickets, den sie in Wolfsburg bislang eigentlich recht ansehnlich fanden, konnte er so auch nicht würdigen. Mindestens 22000 müssten es angesichts der Erfolge sein, knurrte die Dreifaltigkeit, um sich kurz darauf selbst zu revidieren: Blödsinn, das Stadion gehöre eigentlich jetzt schon für die komplette Saison ausverkauft.

Außerhalb Wolfsburgs hatte man einen Moment lang das Gefühl, dass Magath vorübergehend vergessen habe, wo er sich gerade befindet: bei jenem Verein nämlich, der bislang noch so ziemlich jedes Unbeliebtheitsranking gewonnen hat und der im Jahre 1997 Valdas Ivanauskas deswegen nicht verpflichten konnte, weil dessen Frau die Fußgängerzone zu hässlich fand. In jener Stadt, die vor gerade einmal 70 Jahren unter dem Namen »Stadt des KdF-Wagens bei Fallersleben« gegründet wurde. Und erst seit 1948 Wolfsburg heißt.

Die meisten Fußballfans, die nicht gerade aus der Autostadt kommen, konnten sich jedenfalls ein Grinsen kaum verkneifen und stimmten Magaths Ausführungen eifrig nickend zu, unter diesen Voraussetzungen könne er seiner Familie, die noch immer in München lebt, einen Umzug nach Niedersachsen kaum zumuten.

2. DAS IMAGEPROBLEM

Vor allem zwei Dinge sind es, die viele Fußballfreunde am VfL Wolfsburg stört. Erstens das Fehlen einer langen und dementsprechend mit Höhen und Tiefen gespickten Vereinshistorie, verbunden mit dem Verdacht, dadurch fehle auch eine gewachsene und treue Anhängerschaft. Und zweitens die Tatsache, dass man beim Werksklub nie aufs Geld achten musste und sich stets der großzügigen Unterstützung des im Ort ansässigen Autokonzerns sicher sein konnte. Viele Spieler kamen und gingen, echte Identifikationsfiguren wie etwa Roy Präger waren die Ausnahme. Lange sah es so aus, als sei der Verein nicht mehr als eine schlecht funktionierende PR-Aktion VWs.

Das hat sich mit mittlerweile ein wenig geändert, denn zumindest läuft das Projekt inzwischen sportlich. Doch Magath will mehr, er will als Trainer Meister werden und als Geschäftsführer ein erfolgreiches Unternehmen etablieren, das ohne Finanzspritzen aus der Autobranche überleben kann, was Anhängern notorisch klammer Vereine wie ein Witz erscheinen muss, wird Wolfsburg mit VW doch nicht nur assoziiert, sondern gleichgesetzt.

Dabei wird man den leisen Verdacht nicht los, dass Magath seine Demission beim FC Bayern doch nicht ganz so gelassen im Tee rührend miterlebt hat, wie es nach außen aussah, und er jetzt auf den Spuren Otto Rehhagels sein Kaiserslautern sucht, um einen letzten unumstößlichen Beweis seiner Fähigkeiten zu erbringen. Und damit diesmal niemand hinterher auf die Idee kommt zu behaupten, so schwer sei es ja nun nicht gewesen (wie bei Bayern der Fall) oder nicht alleine Magaths Verdienst, erledigt er in Wolfsburg alles selber. Der Geschäftsführer Magath stößt inzwischen manchmal an Grenzen.

Trotz des sportlichen Erfolgs in der Rückrunde der vergangenen Saison ist der von ihm offensichtlich erwartete Boom ausgeblieben. Der VfL wurde Dritter der Rückrunden-Tabelle; in der Zuschauertabelle reichte es nur zu Rang 14. Ausverkauft war das Stadion nur gegen Dortmund, Hamburg und Bayern, ansonsten lockte nicht einmal das Niedersachsenduell gegen Hannover noch 30000 Zuschauer an.

Auf der anderen Seite fragt man sich ein wenig, womit Magath eigentlich gerechnet hatte. Die Stadt hat lediglich 120000 Einwohner und ist somit nach Cottbus der kleinste Bundesligastandort. Zudem gibt es mit Hannover und Braunschweig populäre Konkurrenz ganz in der Nähe. In Anbetracht dieser Tatsache spuren die Wolfsburger eigentlich ganz ordentlich.

3. GROßE NUMMERN, HOHE ZAHLEN

Über 25 Millionen Euro hat der Manager Magath vor der kommenden Saison für neue Spieler ausgegeben, den Großteil für die beiden italienischen Weltmeister Cristian Zaccardo und Andrea Barzagli von US Palermo sowie den hochveranlagten Zvjezdan Misimovic von Absteiger Nürnberg. Im Vorjahr waren es sogar beinahe 30 Millionen. Allerdings war es da gelungen, einige Akteure auch gewinnbringend zu verkaufen, was zur Zeit rein gar nicht funktionieren will. Lediglich an Alexander Madlung besteht wirkliches Interesse. So kommt es, dass der Trainer inzwischen über einen Kader von 36 Profis verfügt, von denen er rund ein Drittel nur allzu gerne loswerden würde.

Um seine Spieler optimal vorzubereiten, abzuhärten und dem einen oder anderen vielleicht auch einen freiwilligen Vereinswechsel nahe zu legen, greift Magath, wie immer in der Vorbereitungszeit, zu allen Mitteln – außer zum Laptop, den er für überbewertet halte, wie er nun wissen ließ. Und noch einer bleibt außen vor. »Auf meinem Weg hat Buddha keinen Platz«, diktierte er der Welt, befragt nach den Methoden des Nachnachfolgers Klinsmann beim FC Bayern.

Schon eine der ersten Laufeinheiten führte das Team über einen FKK-Strand, an dem es allerdings keine nahtlos gebräunten Badenixen zu bewundern gab, sondern die unangenehmen Auswirkungen der Schwerkraft auf deutsche Rentner-Ehepaare.

Nach dem Wechsel von der Küste ins Gebirge hetzte Magath seine Mannen in alter Quälix-Tradition einen 2362 Meter hohen Gipfel hinauf. Stürmer Grafite brach 200 Meter vor dem Ziel entkräftet zusammen, die Bild notierte pflichtschuldig seine vermeintlich letzten Worte (»Maschine kaputt«), ehe es mit Hilfe der Betreuer doch noch zum umjubelten Zieleinlauf reichte. Teambuilding der alten Schule.

Nicht mit dabei waren übrigens die italienischen Weltmeister. Während Barzagli noch eine Knieverletzung auskuriert, plagten Zaccardo Schmerzen an der Achillessehne. Meinte zumindest Zaccardo. Magath hingegen glaubte das Problem anders verortet und diffamierte den körperlichen Neuzugang in aller Öffentlichkeit mit den Worten: »Der hat nichts drauf«, um nachzulegen, er kriege das natürlich schon hin, nur werde es wohl ein Weilchen dauern.

Die italienischen Werksarbeiter in Wolfsburg, die mit der Verpflichtung der Landsmänner ins Stadion gelotst werden sollen, werden also noch ein Weilchen auf ihre Idole warten müssen.

Doch auch so steht Magath unter Zugzwang. Mit diesem Personal, das er alleine verpflichtete und für das er scheinbar unbegrenzte Mittel seines VW-Protegés Winterkorn zur Verfügung hatte, muss er damit leben, dass der VfL nun als ernsthafter Anwärter auf die Champions League und sogar den Meistertitel gezählt werden muss.

Taktisch wird das Spiel seiner Mannschaft variabel bleiben. Magath bevorzugt ein 4-4-2 mit Raute, lässt aber mitunter auch ein 4-5-1 bzw. ein variables 4-3-3 spielen. Dass es nun vor allem mit Misimovic, Daniel Adlung von Fürth und dem aus England zurückgeholten Eigengewächs Kevin Wolze in der Offensive viel versprechende Alternativen und Ergänzungen zu Spielmacher Marcelinho gibt, erhöht den taktischen Spielraum zusätzlich. Die Defensive der Wolfsburger muss, spätestens wenn die Italiener fit sind, ohnehin zu den stärksten Abwehrreihen der Liga gezählt werden.

Lediglich im Sturm hängt vieles weiter von Grafites ab, weswegen Magath mit einem weiteren Transfercoup liebäugelt. Im Gespräch waren bereits Antonio di Natale und Javier Saviola. Eine Nummer kleiner geht es zur Zeit anscheinend nicht.

4. MUSS MAN NICHT WISSEN

Wie es sich für einen Verein aus der Autostadt gehört, hat der Mannschaftsbus der Wolfsburger einen eigenen Menüpunkt unter »Profis« auf der VfL-Homepage. Während Infos über den Kader für die kommende Saison wahrscheinlich wegen akut drohender Serverüberlastung noch komplett fehlen, lässt sich das 2003 angeschaffte Gefährt mit technischen Details und allerhand Schnickschnack online bestaunen und wird auch sicherlich nicht weggeschickt. Denn eines hat der Luxusliner dem Verein schon lange voraus – einen Titel. Den zum Bus des Jahres 2003 nämlich.

5. 11 FREUNDE ORAKELT

Geschockt vom Selektionstraining des Chefs (Neuzugänge) oder den Problemzonen deutscher Rentner (altes Personal) dauert es wieder eine Weile, bis sich die Mannschaft findet. Allerdings nicht so lange wie im Vorjahr. Schon nach der Hinrunde steht Wolfsburg auf einem Uefa-Cup-Platz, um danach die Champions League ins Visier zu nehmen. Das gelingt am letzten Spieltag vor fast ausverkauftem Haus gegen Bremen, der Verein erreicht Platz 3. Felix Magath lässt Wolfsburg danach zur Metropole ausbauen und holt seine Familie nach Niedersachsen. Oder er lässt Wolfsburg an den Starnberger See verlegen. Sollte beides misslingen, wird er Nachfolger von Otto Rehhagel in Griechenland.

Fabian Jonas

11Freunde-Online