Europameisterschaft

Baltenrepublik mit Außenseiterchance in der EM-Qualifikation

In der europäischen Basketballszene hat sich Litauen einen Namen gemacht, im Fußball steht dies noch aus. Angesichts der Auslosung in der EM-Qualifikation - nur Deutschland scheint zu stark, die Schotten schwächeln und die Faröer Inseln sowie Island sind schlagbar - könnten die Litauer die Gunst der Stunde nutzen, und als Gruppenzweiter über die Relegation die Endrunde erreichen.

Erfolge nur in der Region
Bei der WM-Quali 2002 belegten die Balten den letzten Platz in ihrer Gruppe (hinter Italien, Rumänien, Georgien und Ungarn). Zwei Punkte erspielte sich das Team gegen Italien (0:0) und in Ungarn (1:1). Die Torbilanz von 3:20 verdeutlicht, dass Litauen bislang noch weit davon entfernt war, zur europäischen Mittelklasse gerechnet werden zu können. Der aktuelle FIFA-Weltranglistenplatz 98 untermauert dies eindeutig. Erfolgserlebnisse konnte Litauens Nationalelf eher im regionalen Bereich feiern. Nach der Lösung von der Sowjetunion (1990) belebten die baltischen Staaten (Litauen, Lettland und Estland) den bereits in den 20er- und 30er-Jahren ausgespielten Baltik-Cup neu. Hier erwiesen sich die Litauer mit sechs Siegen seit 1992 als erfolgreichste Balten-Nation.

Ivan der Schreckliche
Ein Kicker Litauens hinterließ indes auch in der Bundesliga bleibende Eindrücke: Valdas Ivanauskas. Zwischen 1993 und 1997 spielte „Ivan der Schreckliche“ 91 Mal für den HSV und erzielte dabei 13 Treffer. Der impulsive Stürmer musste mehr als einmal von seinen Mitspielern am „Explodieren“ gehindert werden, drei Platzverweise kassierte er dennoch. Ein im Anschluss an seine HSV-Zeit schon fast perfekter Wechsel zum VfL Wolfsburg scheiterte daran, dass seiner Gemahlin die VW-Stadt zu provinzionell erschien. Später, nach einem Intermezzo beim SV Salzburg, hatte im Hause Ivanauskas offensichtlich ein Umdenkprozess stattgefunden: Wilhelmshaven und Cloppenburg, die folgenden und letzten Spielerstationen des Stürmers, können beim besten Willen nicht als Metropolen bezeichnet werden. Im Frühjahr 2002 erwarb Ivanauskas in Köln die Trainer-A-Lizenz und strebt derzeit ein Engagement beim litauischen Verband als Nationaltrainer an.
Überwiegend Legionäre
Das aktuelle Team, betreut von Benjaminas Zelkevicius, setzt sich zum größten Teil aus Legionären zusammen. Torhüter Gintaras Stauce (Fostiras Athen) ist hierzulande noch von seiner Tätigkeit für den MSV Duisburg (46 Spiele zwischen 1997-2000) her bekannt. Der einzige derzeit in Deutschland unter Vertrag stehende Nationalspieler Litauens ist Linksfuß Igoris Morinas (Mainz 05), von Hannover 96 gekommen. Zuletzt wurde der Stürmer in Litauens Mittelfeld aufgestellt. Als gefährlichster Angreifer der Nordosteuropäer gilt der beim FC Porto unter Vertrag stehende Edgaras Jankauskas. In der letzten Saison spielte der 26-Jährige noch für Benfica und erzielte in nur zwölf Einsätzen acht Treffer. Als weitere Stützen des Teams sind noch Abwehrrecke Aurelius Skarbalius (Bröndby Kopenhagen) und Spielmacher Raimondas Zutautas (Maccabi Haifa) zu nennen.

Alte Bekannte in der EM-Qualifikation
Ein Länderspielvergleich Litauens mit einer DFB-Auswahl steht noch aus. Zwei andere Gruppengegner hingegen kreuzten bereits in der Qualifikation zur EM 2000 den Weg der Baltenrepublik: Schottland und die Faröer Inseln. In den Heimspielen erreichte Litauen seinerzeit gegen beide jeweils ein 0:0-Unentschieden. Bei den Faröern glückte ein 1:0-Auswärtserfolg während das Gastspiel in Schottland mit 0:3 verloren ging. In der Sechsergruppe belegte Litauen am Ende den vorletzten Platz - war damit logischerweise nicht für die EM qualifiziert. Diesmal gilt es, sich in einer Fünfergruppe durchzusetzen. Der Erste ist qualifiziert, der Zweite kommt in die Relegation. Dem Papier nach sind die beiden ersten Plätze an Deutschland und Schottland vergeben. Litauen, Island und die Faröer gelten als Außenseiter.

Für den Gruppensieg kommen die Balten nicht in Frage, eine bessere Platzierung als bei der letzten EM-Quali ist jedoch durchaus vorstellbar, vielleicht sogar das Erreichen der Relegation. Ob sich die Legionäre den Erfolgsfall EM-Teilnahme in Litas (Litauische Währung) oder lieber mit den in ihren Arbeitgeberländern üblichen Währungen auszahlen lassen, dürfte indes noch nicht verhandelt worden sein, könnte jedoch auf die Tagesordnung kommen.

André Schulin