Länderspiele

Bosnien-Herzegowina - das schwierige Miteinander

„Elf Freunde sollt ihr sein“ - diese These gilt, wenn sie überhaupt jemals verbindlich war, im Profi-Fußball längst nicht mehr. Geradezu utopisch mutet jener fromme Wunsch aber in Bosnien-Herzegowina an, wo sich Muslime, Kroaten und Serben immer noch misstrauisch beäugen. Schon die Austragung gemeinsamer Ligaspiele bedurfte einer Intervention von Außerhalb.

Politischer Ballast
Die Nationalelf Bosnien-Herzegowinas ist noch auf der Suche nach seiner Identität. Mit dem Zusammenbruch des alten Jugoslawiens und der Staatsgründung Bosniens war das Problem der unterschiedlichen ethnischen Volksgruppen, Muslime, Kroaten und Serben, nicht gelöst. Die Volksgruppen trugen zunächst ihre separaten Meisterschaften aus und da die Muslime - die mit etwa 44 % den größten Bevölkerungsteil ausmachen - in der Anfangszeit auch die Nationaltrainer stellten, spielten erst einmal nur muslimische Aktive im Team. Dies hat sich mittlerweile geändert. Es gibt, auf Druck der UEFA, ein gemeinschaftliches Ligasystem und die Nationalmannschaft setzt sich aus Spielern aller drei großen Volksgruppen zusammen. Von einer Normalisierung ist man jedoch noch ein Stück weit entfernt. Ein weiterer Riss geht durch die Mannschaft, da die im Ausland tätigen „Legionäre“ in Bosnien-Herzegowina nicht die ungeteilte Unterstützung der Fans genießen.

Noch keine Teilnahme an hochwertigem Turnier
Das erste offizielle A-Länderspiel absolvierten die Balkan-Kicker im November 1995 und unterlagen beim Nachbarn Albanien mit 0:2. Den ersten Sieg konnte man ein Jahr später feiern, als bei einem Freundschaftsspiel in Sarajewo immerhin Italien mit 2:1 bezwungen wurde. Zählbare Erfolge in internationalen Wettbewerben können die Bosnier bislang noch nicht vorweisen - die Qualifikationen für Europa- beziehungsweise Weltmeisterschaften wurden deutlich verpasst.
Trainer fordert Einsatzwillen
Dies zu ändern ist seit Januar 2002 Blaz Sliskovic als neuer Nationaltrainer angetreten. Der ehemalige Stürmer (u.a. bei Hajduk Split und Olympique Marseille) bestritt selbst 26 Einsätze in der jugoslawischen Auswahl zwischen 1978 und 1986. Kritiker behaupten, Sliskovic habe zu wenig aus seinem Talent als Spieler gemacht und eine größere Karriere verschenkt. Wie dem auch sei - von seinen jetzigen Schützlingen erwartet Sliskovic vor allem eines: größtmöglichen Einsatz. „Alle müssen kämpfen und rennen, denn das ist es, was uns im europäischen Vergleich fehlt. Lässt es die Mannschaft daran mangeln, werde ich elf 17-Jährige aufstellen, die das tun“, tat er bei seinem Amtsantritt kund. Die markigen Worte zogen kein positives Resultat nach sich. Das Auftaktspiel in der Qualifikation zur EM 2004 gegen Rumänien ging mit 0:3 verloren. Die weiteren Gegner Bosniens in der Quali (Gruppe 2) sind Norwegen, Luxemburg und Dänemark.

Salihamidzic einziger aufgebotener Bundesliga-Bosnier
Für das Testspiel gegen Deutschland wird nach der Niederlage gegen Rumänien trotz Sliskovics Drohung das Team nicht in eine Jugendmannschaft umgewandelt. Eine Änderung im Tor sei, so der der Coach, jedoch „sehr wahrscheinlich“: Tomislav Piplica (Energie Cottbus) wird Almir Tolja (Bregenz) weichen. Ob dieser Wechsel von Dauer, oder nur kurzfristig auf Piplicas derzeit durchwachsene Leistung bezogen ist, wird die Zukunft zeigen. Bruno Akrapovic (Energie Cottbus) wurde ebenfalls nicht berücksichtigt. Hamburgs Sergej Barbarez musste aufgrund einer Fußprellung absagen und so wird Hasan Salihamidzic (Bayern München) als einziger Bundesligaspieler im bosnischen Trikot auflaufen. Daneben kommt als Deutschland-Legionär noch Zlatan Bajramovic von Zweitligist SC Freiburg in der Abwehr zum Einsatz.

Ouvertüre für die EM-Qualifikation
Die Länderspielpremiere zwischen Deutschland und Bosnien-Herzegowina in Sarajewo ist für beide lediglich ein Test für das wichtigere, jeweilig zweite Spiel in der EM-Qualifikation. Hierbei werden Rudi Völlers Akteure wegen den Färöern keine schlaflose Nacht verbringen - für die Schützlinge von Blaz Sliskovic sieht die Sache anders aus. Sie treffen auf Norwegen und stehen aufgrund der Heimpleite gegen Rumänien gehörig unter Druck. Sollten sie wenigstens dann nicht rennen und kämpfen ... ihr Trainer könnte sich an seine Worte vom Januar erinnern.

André Schulin