EM-Qualifikation

Die Färöer: 24 Inseln mit zwei Rasenplätzen

Ein wenig erinnern die Färöer Inseln im Konzert der europäischen Fußballkonkurrenz an das gewisse kleine, gallische Dorf, das dem übermächtigen Imperator trotzt. Nach dem spektakulären 1:0-Erfolg über Österreich in der EM-Qualifikation 1990 lehrten die Wikinger-Nachfahren jüngst auch „McBerties“ Bravehearts das Fürchten. Mit viel Mühe konnten die Schotten ein 2:2-Remis erreichen und sich eine noch herbere Demütigung ersparen.

Wo der Eismann zweimal flankt
Das Reservoir aus dem die Färinger ihre Spieler rekrutieren können ist überschaubar. Auf den 24 Inseln (18 bewohnt) des seit 1948 autonomen, aber wirtschaftlich und politisch dennoch stark ans Mutterland Dänemark gebundenen Inselstaates leben etwa 47.000 Menschen. Die Fußballer, die ihre Landesfarben international vertreten, sind größtenteils Halbprofis. Daraufhin spottete die SZ nach dem 2:2 im EM-Qualifikationsspiel, die Schotten seien von einem „Eisverkäufer blamiert“ worden. Damit ist Mittelfeldspieler Jakub Borg (B 36 Torshavn) gemeint, der für die beiden Treffer seines Teamkollegen John Petersen (Grundschullehrer, ebenfalls B 36 Torshavn) auflegte. Das Blatt bemerkt, dass Borg einer „in dortigen Breitengraden kniffligen Profession“ nachgehe. In der Tat. Die durchschnittliche Juni-Temperatur auf den Färöern beträgt 11 Grad Celsius, 280 Regentage sind jährlich zu überstehen.

Naturrasen als Ausnahme
Das feucht-kalte Nordatlantikklima ist ursächlich dafür, dass auf den Färöern lediglich zwei Naturrasenplätze - einer in der Hauptstadt Torshavn (bedeutet: der Hafen Thors, des nordischen Donnergottes), der andere in Toftir - existieren. Ansonsten wird auf Kunstrasen gespielt. Fußball ist Nationalsport der Färinger, obwohl es mit dieser Tradition nicht weit her ist: Erst 1979 wurde der Verband gegründet, 1992 folgte die Aufnahme in die UEFA sowie 1998 der FIFA-Beitritt.
Ahabs Erben
Lange bevor die Färinger sich als Balljäger versuchten, folgten sie einer noch heute ausgeübten Tradition: der Grindwaljagd. Es wird berichtet, dass sobald der Wal-Alarm „Grindabód“ ausgerufen wird, ein Jeder alles stehen und liegen lässt und zu den Booten eilt, um die Wale in die flachen Buchten zu treiben, wo sie von den Männern dann mit langen Messern getötet werden. Die Färinger, ob dieses Brauches von Tierschützern angegriffen, wehren sich gegen Vorwürfe. Erstens seien die Grindwale nicht vom Aussterben bedroht und zweitens werde das Fleisch der Tiere komplett verwertet.

„McBerties“ verpasste Chance
Die Verwertung dieser Information hätte Schottentrainer Berti Vogts vor der 2:2-Blamage im EM-Qualfikationsspiel bewahren können. Ein während des Gastspiels der Schotten arrangierter, aufgeregt geäußerter Zwischenruf „Grindabód“, oder auch „Wal, da bläst er“ - und schon wären alle Färinger, einschließlich der Kicker, statt in den schottischen Strafraum in die nahe liegenden Buchten gestürmt und hätten dort die Messer gewetzt. Und Schottland hätte das Spiel gewonnen. Hier lässt es „McBertie“ noch an internationaler Härte und Cleverness fehlen.

Hinkelstein in der Hauptstadt
Nach dem erfolgreichen Walfang pflegen die Färinger, auch heute noch, einen Reigentanz aufzuführen. Eine weitere Parallele zu den bereits eingangs erwähnten Galliern. Man kombiniere weiter: Die Fußballgroßmächte ersetzen die Römer, die Grindwale die Wildschweine. Piraten machten einen großen Bogen um die Färöer Inseln und - besonders auffällig - in der Hauptstadt Torshavn ragt ein Obelisk (!!!) über dem Stadtzentrum. Beim Teutates, wieviel Beweise braucht es eigentlich noch? Die Färinger sind die nordischen Vettern der unbesiegbaren Gallier - aber halt, einen Unterschied gibt es: Sie haben keinen Zaubertrank. Deshalb können die deutschen Akteure auch nach dem Spiel Rudi Völlix auf den Schild heben. Die Färinger jedenfalls würden sich über diese Geste nicht wundern…

André Schulin