Europameisterschaft

Die Gruppe des Titelverteidigers

Vier Satelliten kreisen um ein Zentralgestirn - hinter dem amtierenden Europameister Frankreich streiten Zypern, Malta, Slowenien und Israel um Platz zwei in der EM-Qualifikationsgruppe 1. Die jeweiligen Zweiten der zehn Gruppen dürfen noch auf die Relegation hoffen. In fünf Paarungen (Hin- und Rückspiel) wird entschieden, wer neben den Gruppensiegern und Gastgeber Portugal das Teilnehmerfeld der EM komplettiert.

Frankreich: WM-Tief überwunden
Bei der WM 2002 in Japan/Südkorea markierte das Ausscheiden des hohen Favoriten und Titelverteidigers Frankreich (blieb ohne Torerfolg, nur ein Punkt beim 0:0 gegen Uruguay) in der ersten Runde die größten Sensation des Turniers. Nationaltrainer Roger Lemerre musste daraufhin seinen Hut nehmen und wurde durch Jacques Santini ersetzt. Das Fehlen des angeschlagenen Superstars Zinedine Zidane (spielte lediglich gegen Dänemark) konnten die Franzosen trotz eines immer noch imponierenden Staraufgebots in allen Mannschaftsteilen nicht kompensieren und schieden sang- und klanglos aus. Diese Schmach scheint überwunden. In der Qualifikation zur EM 2004 gaben sich die Franzosen in den ersten drei Partien keine Blöße, gewannen jeweils sicher. Bei allen Spielen steuerte Sylvain Wiltord (Arsenal) jeweils einen Treffer zum Erfolg bei. Gemeinsam mit Zinedine Zidane (Real Madrid), Fabien Barthez (Manchester United) und Thierry Henry (Arsenal) zählt Wiltord zu den Hauptstützen der Equipe Tricolor.

Zypern: Nationalelfdebüt mit 35 Jahren
Die „Insel, wo die Götter Urlaub machen“ wurde mittlerweile auch als begehrter Arbeitsplatz von ehemaligen deutschen Bundesligaprofis entdeckt. Rainer Rauffmann (früher Frankfurt und Bielefeld), Stefan Brasas (früher Werder Bremen), Holger Greilich (früher 1860 München) und Marco Haber (zuletzt bei Hansa Rostock) stehen beim zypriotischen Spitzenklub Omonia Nikosia unter Vertrag und peilen die Champions-League-Teilnahme an. Rauffmann spielt sogar um die EM-Teilnahme mit - als Topstürmer Zyperns. Im Herbst 2002 erhielt der 35-Jährige die zypriotische Staatsbürgerschaft und erzielte im EM-Qualifikationsspiel auf Malta (2:1-Sieg für Zypern) den ersten Treffer für die neue Wahlheimat. Trainer Moca Vukotic setzt neben Rauffmann auf die talentierten Stürmer Michalis Konstantinou (Panathinaikos Athen) und Yiannakis Okkas (PAOK Saloniki). Okkas erzielte in der EM-Qualifikation den Siegtreffer gegen Malta wie auch bei der 1:2-Niederlage gegen Frankreich das Tor für die Zyprioten. Zu den Leistungsträgern des Mittelmeer-Inselstaates ist des weiteren der ebenfalls bei PAOK Saloniki unter Vertrag stehende Mittelfeldspieler Yiotis Engomitis zu rechnen.
Slowenien: Prasnikar zum dritten Mal
Aufgrund der Weltranglistenposition (Rang 36, Stand Januar 2003) muss Slowenien als aussichtsreichster Kandidat auf Platz zwei hinter Frankreich gesehen werden. Ähnlich wie der Europameister versagte Slowenien bei der WM in Asien und musste sieglos nach der ersten Runde die Heimreise antreten. Ein handfester Streit zwischen dem Star des Teams, Zlatko Zahovic (Benfica Lissabon), und dem damaligen Nationaltrainer Srecko Katanec warf die Mannschaft aus dem Gleichgewicht. Zahovic ist immer noch im Team, der Mann auf der Kommandobrücke ist jedoch ein anderer: Bojan Prasnikar. Der Job ist für den ehemaligen Profi (Olimpija Ljubljana) nichts Neues. Bereits zum dritten Mal betreut Prasnikar die slowenische Nationalelf. Er war es auch, der als erster die Mannschaft nach der Unabhängigkeit (1991) aufbaute. Die meisten slowenischen Nationalspieler verdienen ihr Geld in ausländischen Ligen. Aktuelle Nationalspieler bei deutschen Klubs sind Aleksander Knavs (Kaiserslautern) und Spasoje Bulajic (Mainz 05). Die Slowenen rehabilitierten sich nach der WM durch einen 1:0-Auswärtssieg gegen Italien. Auch der Start in die EM-Qualifikation verlief verheißungsvoll mit einem überzeugenden 3:0 über Malta. In Paris kamen dann die Prasnikar-Schützlinge allerdings mit 0:5 gegen Frankreich böse unter die Räder.

Malta: Schwere Aufgabe für Siggi Held
Kaum eine europäische Region musste derart viele Fremdherrschaften über sich ergehen lassen wie Malta. Unter anderem residierten auch die Briten auf der Mittelmeerinsel. Sie sorgten dafür, dass Fußball schon früh Verbreitung auf Malta fand. 1900 wurde der nationale Verband gegründet und in der Saison 1909/1910 die erste Meisterschaft ausgespielt. Schnell wurde Fußball Volkssport Nummer eins, doch bedeutende internationale Erfolge konnte das kleine Eiland (knapp 400.000 Einwohner) nicht erringen. Das 0:0 im Februar 1979 (in Gzira) aus der EM-Qualifikation gegen den späteren Europameister Deutschland stellt schon ein Highlight der Malteser-Fußballgeschichte dar.
Derzeit wird die Landesauswahl vom ehemaligen deutschen Nationalspieler Siegfried Held trainiert. Der Fehlstart in die EM-Qualifikation - vier Niederlagen in den ersten vier Partien - reduziert Helds Hoffnungen, Malta erstmals in die Endrunde eines hochklassigen Turniers zu führen, auf ein Minimum. Die Qualität der maltesischen Kicker reichte nie, bei führenden europäischen Klubs unter Vertrag genommen zu werden und sich so an internationalen Maßstäben orientieren zu können. Im aktuellen Kader stehen mit Stürmer Michael Mifsud (Kaiserslautern) und Mittelfeldmann Stefan Giglio (Lokomotive Sofia) nur zwei Legionäre im Aufgebot.

Israel: Guter Start in die Qualifikation
Der israelische Fußball stagnierte den letzten Jahren. Lediglich die führenden Klubs Maccabi Haifa, Maccabi Tel Aviv und Hapoel Tel Aviv sorgten auf internationaler Ebene für gelegentliche Achtungserfolge, weit kamen sie in den Europapokalwettbewerben jedoch nie. Das Nationalteam konnte sich seit der WM-Teilnahme 1970 nicht mehr für ein großes Turnier qualifizieren. Die Qualifikation zur EM 2000 verspielte Israel allerdings erst in der Relegation, als man Dänemark in beiden Partien klar unterlag. Wie auch heute war damals Zypern ein Gruppengegner in der Qualifikation. Das Heimspiel wurde mit 3:0 gewonnen, auf Zypern unterlagen die Israelis mit 2:3.

In die Qualifikation für Portugal 2004 startete das von Avraham Grant trainierte Israel mit einem 2:0-Auswärtssieg auf Malta. Der Treffer zum 2:0-Endstand gelang Mittelfeldregisseur Haim Revivo (Fenerbahce Istanbul), der Ende 2002 vom HSV heiß umworben wurde. Eine Verpflichtung des 30-Jährigen scheiterte jedoch, da man sich finanziell nicht einigen konnte. Ein weiterer Leistungsträger in Israels Auswahlteam ist Avraham Tikva, der als Nummer zehn der Young Boys Bern im offensiven Mittelfeld die Fäden zieht.

Ausblick
Dass Frankreichs direkte EM-Qualifikation in Gefahr gerät, ist nicht zu erwarten. „Les Bleues“ haben den Tiefschlag der WM-Endrunde in Asien verdaut und steuern unbeirrt der Endrunde in Portugal entgegen. Die Konkurrenz in Gruppe 1 ist nicht dazu geeignet, den Europameister in Bedrängnis zu bringen. Beste Aussichten, als Gruppenzweiter die Relegation zu erreichen, haben Slowenien, Israel und - mit Abstrichen - Zypern. Maltas Träume von der Endrundenteilnahme dürften nach den vier Niederlagen im Jahre 2002 bereits beendet sein.

André Schulin