Empor mit Hansa
von Günther Jakobsen
Als der FC Hansa Rostock im Dezember 1965 gegründet wurde und die Nachfolge des SK Empor Rostock in der DDR-Oberliga antrat, war in Deutschlands Westhälfte gerade Halbzeit in der dritten Fußball-Bundesliga-Saison, und der FC Bayern - Gegner an diesem Wochenende - belegte als Neuling nach 17 Spieltagen Tabellenplatz zwei. Dass diese beiden Teams eines Tages in einer gemeinsamen Liga um Punkte kämpfen würden, war seinerzeit jenseits aller Vorstellungskraft. Aber schon die Installation von Spitzenfußball in Rostock war, vorsichtig ausgedrückt, etwas ungewöhnlich.
Alle mitmachen, wir bauen ein Stadion
Wie überall in Deutschland und Europa setzte das Fußballfieber auch im Raum Mecklenburg-Vorpommern seit Beginn des 20. Jahrhunderts zu seinem unaufhaltsamen Siegeszug als Volkssport an. Bemerkenswerte sportliche Erfolge aus der Region blieben allerdings aus. Dies zu ändern, war man zu Beginn der 50er Jahre in Rostock wild entschlossen. Mit dem Bau eines neuen Stadions sollte der Grundstein gelegt werden. Da die vorhandenen finanziellen Mittel des Staates und der Kommune Rostock für ein solches Projekt nicht ausreichten, wurde ein „Nationales Aufbauwerk“ ausgerufen, das sich neben der staatlichen Finanzierung auf Spenden und freiwilligen Arbeitsdienst aus der Bevölkerung stützte. Am 27. Juni 1954 konnte so das Ostseestadion erstmals in Betrieb genommen werden. Eine Gedenktafel vor dem Stadion weist aus, dass 236.071 freiwillige Arbeitsstunden geleistet wurden - ein enorm Kosten sparender Beitrag.
Team-Transplantation
Nun war zwar eine moderne Sportstätte entstanden, guten Fußball garantierte das allein jedoch nicht. So wurde die Idee geboren, den Erfolg zu importieren. Ein Prinzip, das seit langem in Form von Spielertransfers überall praktiziert wurde und wird. Aber eine komplette Mannschaft von außerhalb einzugemeinden? Die Planwirtschaft der DDR machte es möglich. Am anderen Ende der Republik, im Erzgebirge, hatte sich zwei Jahre zuvor der Provinzklub Empor Lauter als vierter Verein aus der Region in die höchste Klasse (Oberliga) gespielt. Auf dieses Team konzentrierten sich die Begehrlichkeiten der Rostocker Verantwortlichen. Per Anweisung „von Oben“, und gegen das Votum der Lauterer Bevölkerung, wechselten schließlich zwölf Spieler über Nacht vom Erzgebirge an die Ostsee und bildeten den Kern der Fußballsparte des neu gegründeten SK Empor Rostock (später SC Empor Rostock). Drei Tage nach der Vereinsgründung (am 11.11.1954) wurde bereits das erste Pflichtspiel in der Oberliga bestritten, ein 0:0 gegen Chemie Karl-Marx-Stadt.
Erster Oberliga-Titel wurde Ticket zur Bundesliga
Die nächste Zäsur im Rostocker Fußball fand 1965 mit der Ausgliederung der Fußballabteilung vom SK Empor statt, der gleichzeitigen Geburtsstunde des FC Hansa Rostock. Beide Formationen (Empor und Hansa) spielten in der Oberliga zeitweise in der Spitzengruppe mit (vier Vizemeisterschaften), der Titelerfolg gelang jedoch erst in der Saison 1990/91, der letzten überhaupt in der Geschichte der DDR-Oberliga. Diese Meisterschaft hatte Folgen, qualifizierte sie Hansa doch direkt für die Bundesliga. Dass West-Import Uwe Reinders als Trainer diesen Erfolg mitgestaltet hatte, mag Grund dafür sein, dass seither fast ausschließlich Übungsleiter aus dem Westen der Republik in Rostock wirkten (Ausnahme Jürgen Heinsch 1993/94 und später Juri Schlünz als Interimscoach). Zudem gelangte Hansa auf die große internationale Fußballbühne, den Europapokal der Landesmeister (heute Champions League). Der FC Barcelona erwies sich jedoch in der Vorrunde als zu stark.
Neue Visionen?
Auch die Erstklassigkeit in der Bundesliga währte zunächst nur ein Jahr, dann tauchte Hansa für drei Jahre in die zweite Liga ab. Seit dem Wiederaufstieg 1995 gehören die Rostocker allerdings durchgehend wieder dem Oberhaus an und starteten überraschend gut in die neue Saison. Nun steht das Heimspiel gegen den Tabellenführer aus München an. Gegen den deutschen Rekordmeister FC Bayern weisen die Ostseekicker eine durchaus respektable Bilanz vor. Neun Niederlagen stehen immerhin sechs Siege gegenüber, einmal trennte man sich remis. In der aktuellen Situation, wo man von einer Heimschwäche der Hanseaten sprechen muss (ein Sieg, drei Niederlagen), deutet nicht viel auf einen Erfolg gegen das Hitzfeld-Ensemble hin. Aber ungewöhnliche Dinge kommen in Rostock schon vor. Nicht, dass die Bayern-Spieler nächsten Monat im Hansa-Trikot auflaufen. Obwohl sich die Rostocker Verantwortlichen das sicherlich gut vorstellen könnten…
André Schulin
Alle mitmachen, wir bauen ein Stadion
Wie überall in Deutschland und Europa setzte das Fußballfieber auch im Raum Mecklenburg-Vorpommern seit Beginn des 20. Jahrhunderts zu seinem unaufhaltsamen Siegeszug als Volkssport an. Bemerkenswerte sportliche Erfolge aus der Region blieben allerdings aus. Dies zu ändern, war man zu Beginn der 50er Jahre in Rostock wild entschlossen. Mit dem Bau eines neuen Stadions sollte der Grundstein gelegt werden. Da die vorhandenen finanziellen Mittel des Staates und der Kommune Rostock für ein solches Projekt nicht ausreichten, wurde ein „Nationales Aufbauwerk“ ausgerufen, das sich neben der staatlichen Finanzierung auf Spenden und freiwilligen Arbeitsdienst aus der Bevölkerung stützte. Am 27. Juni 1954 konnte so das Ostseestadion erstmals in Betrieb genommen werden. Eine Gedenktafel vor dem Stadion weist aus, dass 236.071 freiwillige Arbeitsstunden geleistet wurden - ein enorm Kosten sparender Beitrag.
Team-Transplantation
Nun war zwar eine moderne Sportstätte entstanden, guten Fußball garantierte das allein jedoch nicht. So wurde die Idee geboren, den Erfolg zu importieren. Ein Prinzip, das seit langem in Form von Spielertransfers überall praktiziert wurde und wird. Aber eine komplette Mannschaft von außerhalb einzugemeinden? Die Planwirtschaft der DDR machte es möglich. Am anderen Ende der Republik, im Erzgebirge, hatte sich zwei Jahre zuvor der Provinzklub Empor Lauter als vierter Verein aus der Region in die höchste Klasse (Oberliga) gespielt. Auf dieses Team konzentrierten sich die Begehrlichkeiten der Rostocker Verantwortlichen. Per Anweisung „von Oben“, und gegen das Votum der Lauterer Bevölkerung, wechselten schließlich zwölf Spieler über Nacht vom Erzgebirge an die Ostsee und bildeten den Kern der Fußballsparte des neu gegründeten SK Empor Rostock (später SC Empor Rostock). Drei Tage nach der Vereinsgründung (am 11.11.1954) wurde bereits das erste Pflichtspiel in der Oberliga bestritten, ein 0:0 gegen Chemie Karl-Marx-Stadt.
Die nächste Zäsur im Rostocker Fußball fand 1965 mit der Ausgliederung der Fußballabteilung vom SK Empor statt, der gleichzeitigen Geburtsstunde des FC Hansa Rostock. Beide Formationen (Empor und Hansa) spielten in der Oberliga zeitweise in der Spitzengruppe mit (vier Vizemeisterschaften), der Titelerfolg gelang jedoch erst in der Saison 1990/91, der letzten überhaupt in der Geschichte der DDR-Oberliga. Diese Meisterschaft hatte Folgen, qualifizierte sie Hansa doch direkt für die Bundesliga. Dass West-Import Uwe Reinders als Trainer diesen Erfolg mitgestaltet hatte, mag Grund dafür sein, dass seither fast ausschließlich Übungsleiter aus dem Westen der Republik in Rostock wirkten (Ausnahme Jürgen Heinsch 1993/94 und später Juri Schlünz als Interimscoach). Zudem gelangte Hansa auf die große internationale Fußballbühne, den Europapokal der Landesmeister (heute Champions League). Der FC Barcelona erwies sich jedoch in der Vorrunde als zu stark.
Neue Visionen?
Auch die Erstklassigkeit in der Bundesliga währte zunächst nur ein Jahr, dann tauchte Hansa für drei Jahre in die zweite Liga ab. Seit dem Wiederaufstieg 1995 gehören die Rostocker allerdings durchgehend wieder dem Oberhaus an und starteten überraschend gut in die neue Saison. Nun steht das Heimspiel gegen den Tabellenführer aus München an. Gegen den deutschen Rekordmeister FC Bayern weisen die Ostseekicker eine durchaus respektable Bilanz vor. Neun Niederlagen stehen immerhin sechs Siege gegenüber, einmal trennte man sich remis. In der aktuellen Situation, wo man von einer Heimschwäche der Hanseaten sprechen muss (ein Sieg, drei Niederlagen), deutet nicht viel auf einen Erfolg gegen das Hitzfeld-Ensemble hin. Aber ungewöhnliche Dinge kommen in Rostock schon vor. Nicht, dass die Bayern-Spieler nächsten Monat im Hansa-Trikot auflaufen. Obwohl sich die Rostocker Verantwortlichen das sicherlich gut vorstellen könnten…
André Schulin