EURO 2000: »Gehen Sie mal lieber schlafen!«
von Günther Jakobsen
Die EM 2000 wird zu einer gewaltigen Blamage für die deutsche Elf: 0:3 gegen Portugal, das Aus in der Vorrunde. Aber es gibt ja auch Wichtigeres. Selbst für Sportredakteure, meint SZ-Kollege Thomas Becker.
Italien gegen Schweden. Ein fast kitschiger Fußballabend in der Münchner City: laue Sommerluft, kühles Weißbier, eine entspannte Runde im Biergarten am Parkcafe. Die Italiener gewinnen 2:1. Auch gut. Ein Bierchen geht noch. Schön, das. Ein paar Stunden später setzen die Wehen ein.
Dabei war der neue Mensch doch erst frühestens fürs Finale angekündigt, nicht schon mitten in der Vorrunde und schon gar nicht für nachts um halb vier. Aber das Leben hat nun mal seinen eigenen Spielplan. Wieder ein paar Stunden später ist er da, der kleine Wurm. 14.02 zeigt die Uhr im Kreißsaal. Nicht mehr lange hin bis zum Anstoß. Das entscheidende Spiel in Rotterdam. Gegen Portugal. Zuvor nur 1:1 gegen Rumänien und 0:1 gegen die Engländer.
Mit Bierglas vor der Fußball-Glotze
Mann, Ribbeck! So hätte man wohl gedacht, wäre da nicht gerade ein Sohn auf die Welt gekommen. Stattdessen denkt man dann: gar nix. Und das ziemlich lange. Ungefähr so lange, bis sie einen nach Hause schicken. Wenn ein neuer Vater im Krankenhaus das getan hat, was er in dieser Funktion so tun kann - und das ist außer honigkuchig entrückt durch die Gegend schauen nicht allzu viel -, dann wird er von der Hebamme rauskomplimentiert: »Gehen Sie mal lieber schlafen!« Und findet sich plötzlich vor der Tür wieder.
Und jetzt? Was tun? Wohin mit mir? Und was tut Mann, wenn er nicht weiter weiß? Genau: Er geht erst mal ein Bier trinken. Bis zum Chinesischen Turm sind es nur ein paar Schritte. Den ganzen Nachmittag über war schon die Blasmusik der berüchtigten Rentner-Combo herübergeschallt. Jetzt machen sie offenbar Pause. An der Schänke wird klar, warum: Auf einem Mini-Fernseher läuft Fußball.
Männer in weißen und Männer in weinroten Hemden. Ach ja, Europameisterschaft. Da war doch was. Es sind viele Menschen im Biergarten, und trotzdem ist es ziemlich ruhig. Woran das liegt? Eine viel zu komplizierte Frage für einen Neu-Vater. Dem Instinkt gehorchend sitzt er bald mit einem viel zu großen Bierglas vor der Fußball-Glotze. Ein Arbeitskollege mit seinem Sohn ist auch da. Sie haben einen Laptop und eine kleine Kamera dabei, in die der Junior aufgeregt hinein spricht. Für ein aufstrebendes Internet-Format aus dem süddeutschen Raum nehmen sie eine Video-Kolumne auf. Irgendwie putzig.
Wenig Schäden davon getragen
Der Junge redet wie ein Wasserfall, sein Wortschatz ist beachtlich. Sehr oft fällt der Name Conceicao, was selbst nüchtern schwer auszusprechen ist. Er, also der Conceicao, ist an diesem Abend das Verderben der deutschen Elf: Der Portugiese trifft in der 35., 54. und 71. Minute, und als der Schiedsrichter um kurz nach halb elf abpfeift, ist die wohl dickste EM-Blamage eines deutschen Teams perfekt. Nulldrei, raus in der Vorrunde.
Dies ist das erste Fußballspiel im Leben meines Sohnes gewesen, das muss man sich mal vorstellen. Dafür hat er erstaunlich wenig Schäden davongetragen, reagiert weder auf »Ribbeck« noch auf »Conceicao« allergisch, hat immens viel Spaß am Kicken und zu seinem Glück fußballerisch gesehen nicht die Gene des Vaters, sondern eher die von Conceicao.
Auch am 20. Juni 2008 werden wir wieder ein Spiel gemeinsam erleben, ein Viertelfinale. Wenn Deutschland die Gruppe B gewinnt und Portugal Zweiter in der Gruppe A wird, wird es eine uns sehr vertraute Partie sein.
Thomas Becker
11freunde-Online
Zu den Daten der EM 2000
Italien gegen Schweden. Ein fast kitschiger Fußballabend in der Münchner City: laue Sommerluft, kühles Weißbier, eine entspannte Runde im Biergarten am Parkcafe. Die Italiener gewinnen 2:1. Auch gut. Ein Bierchen geht noch. Schön, das. Ein paar Stunden später setzen die Wehen ein.
Dabei war der neue Mensch doch erst frühestens fürs Finale angekündigt, nicht schon mitten in der Vorrunde und schon gar nicht für nachts um halb vier. Aber das Leben hat nun mal seinen eigenen Spielplan. Wieder ein paar Stunden später ist er da, der kleine Wurm. 14.02 zeigt die Uhr im Kreißsaal. Nicht mehr lange hin bis zum Anstoß. Das entscheidende Spiel in Rotterdam. Gegen Portugal. Zuvor nur 1:1 gegen Rumänien und 0:1 gegen die Engländer.
Mann, Ribbeck! So hätte man wohl gedacht, wäre da nicht gerade ein Sohn auf die Welt gekommen. Stattdessen denkt man dann: gar nix. Und das ziemlich lange. Ungefähr so lange, bis sie einen nach Hause schicken. Wenn ein neuer Vater im Krankenhaus das getan hat, was er in dieser Funktion so tun kann - und das ist außer honigkuchig entrückt durch die Gegend schauen nicht allzu viel -, dann wird er von der Hebamme rauskomplimentiert: »Gehen Sie mal lieber schlafen!« Und findet sich plötzlich vor der Tür wieder.
Männer in weißen und Männer in weinroten Hemden. Ach ja, Europameisterschaft. Da war doch was. Es sind viele Menschen im Biergarten, und trotzdem ist es ziemlich ruhig. Woran das liegt? Eine viel zu komplizierte Frage für einen Neu-Vater. Dem Instinkt gehorchend sitzt er bald mit einem viel zu großen Bierglas vor der Fußball-Glotze. Ein Arbeitskollege mit seinem Sohn ist auch da. Sie haben einen Laptop und eine kleine Kamera dabei, in die der Junior aufgeregt hinein spricht. Für ein aufstrebendes Internet-Format aus dem süddeutschen Raum nehmen sie eine Video-Kolumne auf. Irgendwie putzig.
Wenig Schäden davon getragen
Der Junge redet wie ein Wasserfall, sein Wortschatz ist beachtlich. Sehr oft fällt der Name Conceicao, was selbst nüchtern schwer auszusprechen ist. Er, also der Conceicao, ist an diesem Abend das Verderben der deutschen Elf: Der Portugiese trifft in der 35., 54. und 71. Minute, und als der Schiedsrichter um kurz nach halb elf abpfeift, ist die wohl dickste EM-Blamage eines deutschen Teams perfekt. Nulldrei, raus in der Vorrunde.
Dies ist das erste Fußballspiel im Leben meines Sohnes gewesen, das muss man sich mal vorstellen. Dafür hat er erstaunlich wenig Schäden davongetragen, reagiert weder auf »Ribbeck« noch auf »Conceicao« allergisch, hat immens viel Spaß am Kicken und zu seinem Glück fußballerisch gesehen nicht die Gene des Vaters, sondern eher die von Conceicao.
Auch am 20. Juni 2008 werden wir wieder ein Spiel gemeinsam erleben, ein Viertelfinale. Wenn Deutschland die Gruppe B gewinnt und Portugal Zweiter in der Gruppe A wird, wird es eine uns sehr vertraute Partie sein.
Thomas Becker
11freunde-Online
Zu den Daten der EM 2000