Frauen-Fußball

Geballte Frauenpower

Es sollte das Jahr des Frauenfußballs werden in Deutschland. Keine größeren Ereignisse auf Seiten der Herren störten die Damen-WM und so brach das internationale Kräftemessen gleich mehrere Rekorde, sowohl im Gastgeberland als auch auf globaler Ebene. Der Ligaalltag dagegen profitierte nur wenig vom WM-Boom, auch wenn man innerhalb der höchsten deutschen Spielklasse leistungstechnisch enger zusammenrückte.

Um sich ausreichend auf die in Deutschland stattfindende Weltmeisterschaft vorbereiten zu können, ließ der DFB die Bundesligasaison bereits im März zum Ende kommen. Mit einem glatten 3:0 über die SG Essen-Schönebeck verteidigte der FFC Turbine Potsdam seinen knappen Vorsprung von nur einem Zähler gegenüber dem 1. FFC Frankfurt. Dem Rekordmeister reichte ein 8:2-Kantersieg über Bayern München nicht, um den Spitzenreiter noch vom Thron zu stoßen. Mit 19 Siegen aus 22 Spielen und insgesamt 58 Punkte krönte sich Potsdam zum dritten Mal hintereinander zum deutschen Meister. Torschützenkönigin wurde jedoch die Frankfurterin Conny Pohlers, die sich mit 25 Treffern gegen die Konkurrenz durchsetzte. Die oberste deutsche Spielklasse verlassen mussten der 1. FC Saarbrücken und der Herforder SV. Während für den Rest der Liga die Spielzeit so schon früh zu Ende war, hatten Frankfurt und Potsdam noch weitere Chancen auf Titel. Den ersten sicherte sich der 1. FFC als beide Mannschaften im DFB-Pokalfinale aufeinander trafen. Mit 2:1 gewannen die Frankfurterinnen und holten diesen Titel somit zum bereits achten Mal. Nach diesem Rückschlag musste die Turbinen im Finale der Champions League einen weiteren einstecken. In der Neuauflage des Finales 2009 unterlag Potsdam Olympique Lyon mit 0:2.

Im Juni startete dann das Großereignis des Frauenfußballs zum ersten Mal in Deutschland. Obwohl durch die später stattfindenden Finalrunden viele Leistungsträger erst später zum Kreis der Nationalmannschaft stießen, gestaltete die deutsche Frauennationalmannschaft sämtliche Vorbereitungsspiele äußerst erfolgreich. Nach Nordkorea (2:0), Italien (5:0) und den Niederlanden (5:0) wurde dann auch Altmeister Norwegen deutlich mit 3:0 geschlagen und sowohl die Nationalmannschaft als auch sämtliche Anhänger freuten sich auf ein Sommermärchen. Eine erste Ernüchterung erreichte sämtliche Beteiligten im ersten Vorrundenspiel gegen Kanada. Deutschland gewann zwar am Ende mit 2:1, doch das Team ließ sämtlichen spielerischen Glanz vermissen. Auch gegen Nigeria reichte es nur zu einem knappen 1:0-Erfolg und erst im letzten Gruppenspiel gegen Frankreich zeigte die Mannschaft, warum sie als großer Titelkandidat gehandelt wurde. Ob es daran lag, dass die Mannschaft mit dem deutlich größeren Publikum, das sie nun in den Stadien unterstützte, nicht zurecht kam oder daran, dass mit Birgit Prinz eine Leistungsträgerin aufs Abstellgleis geriet, sei dahingestellt. Das Team schien gegen Frankreich jedoch akklimatisiert, schlug den Nachbarn mit 4:2 und zog als Gruppensieger ins Viertelfinale ein. Begleitet wurde die Deutschen dabei von Frankreich, das sich Platz zwei sicherte. In Gruppe B setzte sich England mit sieben Punkten durch, gefolgt von Japan, das zwei Siege einfuhr. Wenig überraschend zogen in Gruppe C Schweden und die USA in die nächste Runde ein, komplettiert wurde die KO-Runde von Brasilien und Australien, das Norwegen hinter sich ließ. Im Viertelfinale fand dann ein großes Favoritensterben statt: Zuerst unterlag England Frankreich im Elfmeterschießen (4:5 n.E.) und auch Deutschland musste früh die Segel streichen. Gegen Japan stand es nach regulärer Spielzeit 0:0, in der 107. Minute traf dann Maruyama zum entscheidenden 1:0. Deutschland erreichte also nicht einmal die Runde der letzten Vier, für Bundestrainerin Silvia Neid und ihr Team einer herbe Enttäuschung. Schweden setzte sich wie erwartet gegen Australien durch (3:1) und den Viertelfinalkracher zwischen Brasilien und den USA gewannen die Amerikanerinnen. In einem dramatischen Spiel erzielte Abby Wambach in der letzten Minute der Verlängerung das 2:2, das die USA ins Elfmeterschießen brachte. Dort erwiesen sich die Damen von Pia Sundhage als treffsicherer und gewannen mit 5:4. So spielten die USA im Halbfinale gegen die Französinnen und Japan gegen Schweden. Jeweils mit 3:1 siegten die Nordamerikanerinnen und die Asiatinnen und machte somit das erst zweite WM-Finale ohne europäische Beteiligung perfekt. Schweden sicherte sich dank eines knappen 2:1 über Frankreich Rang drei, bevor Japan und die USA vor knapp 49.000 Zuschauern in Frankfurt aufeinander trafen. Für die deutsche Beteiligung im Finale sorgte Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus, die die Partie leitete. In einem hochklassigen und spannenden Spiel stand es nach regulärer Spielzeit 1:1 und auch in der Verlängerung trafen beide Mannschaften jeweils einmal, sodass auch diese Begegnung per Elfmeterschießen entschieden werden musste. Hierbei vollbrachten die USA das Kunststück, nur einen Treffer zu erzielen, womit sie gegen die etwas zielsichereren Japanerinnen keine Chance hatten. Zum allerersten Mal gewann eine Mannschaft aus Asien die Frauen-Weltmeisterschaft. Für die Japanerinnen umso schöner, da nach der Katastrophe von Fukushima lange Zeit nicht klar war, ob sie überhaupt am Turnier teilnehmen würden. Mit einem Banner bedankten sie sich bei ihren „Freunden in der ganzen Welt“ für die Unterstützung.
Für Deutschland blieb nach der WM die Erkenntnis, dass der Rest der Welt sowohl technisch als auch taktisch aufgeholt hatte. Einer nationalen Trainerdiskussion folgten die Rücktritte der Urgesteine Birgit Prinz, Kerstin Garefrekes und Ariane Hingst, was blieb war die Notwendigkeit eines Neuaufbaus.
Doch trotz des enttäuschenden Auftretens der deutschen Elf purzelten die Rekorde, was das Zuschauerinteresse betraf. Laut FIFA sahen fast 17 Millionen Deutsche das Viertelfinale gegen Japan, ein bis dahin unerreichter Wert für den deutschen Frauenfußball. Ähnlich groß war das Interesse vor allem in den USA und Japan, wo rund 14 Millionen (USA) bzw. 10 Millionen (Japan) das Finale sahen. Auch beim Nachrichtendienst Twitter stellte das Finale einen Rekord auf, bei keinem anderen Ereignis wurden so viele Kurznachrichten verschickt (7.196 pro Sekunde). Die Weltmeisterschaft war also dennoch ein großer Erfolg und kräftige Werbung für den Frauenfußball, vor allem auf internationaler Ebene.
Auch auf die Frauen-Bundesliga hatte die WM eine positive Auswirkung. Der knapp 40%ige, durchschnittliche Zuwachs an Zuschauern in den ersten elf Spielen ist jedoch relativ zu betrachten. Der Sprung von durchschnittlich 833 Zuschauern (Spieljahr 2010/2011) zu 1158 zu Beginn der neuen Saison war doch eher ein Anstieg von wenig auf ein wenig mehr. Vierstellig war die Anzahl der Fans wie erwartet weiterhin bei den Favoriten aus Frankfurt, Duisburg und Potsdam, aber auch der VfL Wolfsburg erfreute sich nun an regem Interesse.
Die neue Saison begann mit personellen Paukenschlägen. Nach dem Ende ihrer Nationalmannschaftskarriere entschied Birgit Prinz auch mit dem Ligafußball aufzuhören, der Frauen-Bundesliga ging also ein großer Name verloren. Ariane Hingst wechselte nach ihrem Nationalmannschaftsrücktritt nach Australien und auch Inka Grings verließ die heimische Liga, sie zog es in die Schweiz. Aber auch innerhalb der Liga gab es einige spektakuläre Wechsel: So zog es die WM-Jungstars Fatmire Bajramaj und Kim Kulig zum 1. FFC Frankfurt; Potsdam verstärkte sich mit Genoveva Anonma, Spielführerin Äquatorial-Guineas, und der VfL Wolfsburg holte mit Conny Pohlers, Lena Goeßling und Josephine Henning gleich drei Nationalspielerinnen.
In sportlicher Hinsicht startete die Saison, wie es zu erwarten war: Die „großen Drei“ Potsdam, Frankfurt und Duisburg hielten sich bis zum sechsten Spieltag alle schadlos und schnell stellte sich die Frage, welcher Favorit sich am Ende durchsetzen würde. Hinter dem Führungstrio starteten Wolfsburg, Essen-Schönebeck und Bayern München durchwachsen, blieben dennoch in Schlagdistanz. Am unteren Ende der Tabelle wurde deutlich, dass Bayer Leverkusen noch nicht mithalten konnte und Bad Neuenahr ohne seine lange Zeit verletzte Nationalspielerin Okoyino da Mbabi nur die Hälfte wert war. Am sechsten Spieltag leistete sich Duisburg mit einem Unentschieden den ersten Patzer, am achten Spieltag folgte eine Niederlage gegen die erstarkten Damen aus Bad Neuenahr. Auch Frankfurt ließ nach einem verlorenen Spiel zu Potsdam abreißen und am neunten Spieltag gewann der Tabellenführer das Spitzenspiel gegen den Rekordmeister aus der Mainstadt und setzte sich endgültig ab. Bad Neuenahr kletterte weiter vor ins Mittelfeld, sodass sich nun Jena, Leipzig, München und der Hamburger SV mit dem Abstieg beschäftigen mussten. Nach wenig überzeugenden, aber erfolgreichen Auftritten in der Champions League schien Frankfurt nun endgültig den Faden verloren zu haben. Am zehnten Spieltag setzte es eine Niederlage gegen den VfL Wolfsburg, der sich nun gefunden hatte und auf Platz drei sprang. Auch die Spitze wurde wieder spannender, da Duisburg im direkten Duell Potsdam schlug. Zum Ende der Halbserie lagen die Turbinen dennoch souverän mit vier Punkten Vorsprung vorn, dahinter folgten Duisburg, Frankfurt (mit einem Spiel mehr auf dem Konto) und Wolfsburg, die sich zur Rückrunde alle Chancen auf einen Platz weit vorne ausrechneten. Im sicheren Mittelfeld positionierten sich zum Jahresende Aufsteiger Freiburg, Essen-Schönebeck und Bad Neuenahr. Für Leverkusen schien der Zug mit nur drei erspielten Punkten bereits abgefahren, München, Jena, Hamburg und Leipzig stritten sich um den Klassenerhalt.

Lisa Ramdor