Bundesliga

Hinten ohne Halt

Dortmunds Hinrunde war eine einzige Wundertüte. Vom letzten Platz der Tabelle schoss der BVB plötzlich in den Himmel, um im gleichen Tempo direkt wieder abzustürzen und schließlich im Niemandsland zu überwintern. Rauschende Feste wechselten mit teils seelenlosen Fehlauftritten, was erneut die Frage nach der richtigen Personalpolitik aufwarf. Ein Konzept für die Zukunft ist bislang nicht zu erkennen.

Seine Rolle als Feuerwehrmann hatte Thomas Doll überdauert und für die neue Saison sogar relativ prominent einkaufen dürfen. Der Pole Blaszczykowski und auch Fernando Klimowicz waren nicht gerade billig, der beidfüßige Petric sogar verhältnismäßig teuer. Addiert um die namhaften Federico, Robert Kovac sowie Rückkehrer Buckley schien der BVB nichts dem Zufall zu überlassen und peilte unverhohlen und auch bester Hoffnung den Europapokal an. Schlimmer aber konnte die Saison kaum beginnen, als sie es tatsächlich tat. Gleich beide altehrwürdigen Revierderbys, das kleine gegen Aufsteiger Duisburg (1:3) und auch das große bei Schalke 04 (1:4), glitten den Schwarz-Gelben aus der Hand und führten sie bis an die letzte Stelle der Liga. Nicht nur ein gewisser Harmoniemangel im Team war bis hierhin augenfällig, sondern vor allem die zu leicht überrumpelbare Abwehr. Robert Kovac (33) genoss zwar einen nicht weniger guten Ruf als Vorgänger Christoph Metzelder, doch sah er neben dem 35-jährigen Wörns noch um einiges älter aus als er ohnehin schon war. Dortmunds Seniorenabwehr wurde gehänselt und zusätzliche Verunsicherung dadurch frei. Nachdem Ebi Smolarek nach einem verlockenden Angebot schnell verkauft wurde und Alex Frei die komplette Hinrunde ausfiel, blieb indes auch der Angriff eine dauerhafte Baustelle.

Keineswegs überraschte der BVB nur negativ. Aus den Ruinen des Fehlstarts raffte sich die Mannschaft wieder auf und drehte plötzlich alles zum Guten. Nachdem nacheinander Cottbus (3:0), Rostock (1:0) und sensationell deutlich auch Werder Bremen (3:0) aus den Angeln gehoben wurden, war Dortmund plötzlich Vierter und reiste zum „Verfolgerduell“ nach Berlin. Als dieses enge Spiel aber verloren ging (2:3), zeigten sich das brüchige Selbstvertrauen und auch die eher lose Moral im Team, das sich von Dolls Ex-Klub Hamburger SV zu Hause demontieren ließ (0:3) und gleich auch noch in Karlsruhe verlor (1:3). Konstant an der Dortmunder Hinserie blieb einzig die Unberechenbarkeit. Zu gern hätte man diese Mannschaft hochgelobt, die erst Bayern München wie in alten Tagen an die Wand spielte, dann den Deutschen Meister auf eigenem Platz bezwang und schließlich mit riesigen Kanonen auf Bielefelder Spatzen feuerte (6:1). Kollektiv versagen aber konnte die Borussia auch. Nach einem 0:2 in Nürnberg musste der sanftmütige Doll sich selbst sagen hören, der Gegner habe „uns vorgemacht, was Willen und Einsatz bedeutet.“ Und gerade als das Team dann therapiert schien und die Weichen für die Rückrunde gestellt, kam es noch im letzten Spiel zum offiziellen Tiefpunkt, einer ehrlosen 0:4-Klatsche beim VfL Wolfsburg. So endete Dortmunds Hinrunde als Fragezeichen. Wenn es Glanzmomente gab, dann in der Offensive, wo sich besonders Mladen Petric als Verstärkung entpuppte. Florian Kringe reifte im Mittelfeld zum Führungsspieler. Die Abwehr hingegen, inklusive der Torhüterposition, blieb bis auf Dedé nur ein einziger Flickenteppich. Hier für Ruhe und Sicherheit zu sorgen, bleibt Thomas Dolls dringlichste Aufgabe, denn fast alle Spiele, die der BVB verlor, verlor er relativ hoch: Noch mehr Gegentore kassierte nur Arminia Bielefeld.
Maik Großmann