Europameisterschaft

Irland - Konsequent in Doppeldeckung

Dass der Spruch ‚Die Null muss stehen’ nicht von Giovanni Trapattoni stammt kann nur ein Missverständnis sein; oder Huub Stevens kam ihm einfach nur zuvor. Der „Mister“ jedenfalls führte Irlands geschlossene Abwehrgesellschaft dank ausgeprägter Defensivstärke in die Endrunde und gedenkt, dort angekommen, dem international gefeierten Offensivfußball einen Riegel vorzuschieben.

Es ist nicht schwer, Irland als krassen Außenseiter der Gruppe C auszumachen. Neben Spanien, Italien und den spielerisch beachtenswerten Kroaten scheinen die Fußballarbeiter von der grünen Insel von vornherein dazu bestimmt, den Punktelieferant abzugeben. Dass Giovanni Trapattonis Team aber durchaus Stolperstein-Qualität aufbieten kann, dürften die beiden letztgenannten Gruppengegner im Sommer 2011 gelernt haben. Kroatien konnte im August die irische Abwehr in Dublin nicht knacken und reiste mit einem torlosen Remis im Gepäck ab. Italien erging es zwei Monate zuvor noch schlechter. Bei einem Testspiel im belgischen Liege (Stade Maurice Dufrasne) verzweifelte die feldüberlegene Squadra Azzurra nicht nur daran, sich kaum Torchancen erspielt zu haben - Treffer von Andrews (36.) und Cox (90.) bescherten Trapattoni gar den unerwarteten 2:0-Erfolg über seine Landsmänner. „Sie sind gefährlich, ohne viel Ballbesitz zu haben“, charakterisiert Kroatiens Coach Slaven Bilic die irische Auswahl. Jüngste Statistiken belegen seine Aussage: Seit stolzen 14 Spielen ist Irland nunmehr unbesiegt und in elf dieser Partien kassierte man keinen Gegentreffer.

In der EM-Qualifikation kostete die einzige Niederlage in der Gruppe B, ein 2:3 gegen Russland, den Gruppensieg. Als es dann jedoch in den notwendig gewordenen Play-offs gegen Estland darauf ankam Nervenstärke zu zeigen, waren die Iren zur Stelle. Bereits im Hinspiel in Tallinn setzten sie den Gegner schachmatt: Tore von Andrews (13.), Walters (67.) und Keane (71./88., Strafstoß) zum 4:0-Erfolg ebneten den Weg in die EM-Endrunde; das 1:1 im Rückspiel war nicht mehr von Relevanz. Irland ist ein gutes Stück davon entfernt, den europäischen Topteams spielerisch auf Augenhöhe zu begegnen. Aber wie eine Schnappschildkröte zupacken, Wirkung erzielen und sich bei Bedrohung in den Abwehrpanzer zurückziehen - das kann Trapattonis Mannschaft. Und das fürchten ihre Gegner.
Die gelungene EM-Endrundenquali - nach 1988 erst die zweite in der Verbandsgeschichte - hob natürlich die Stimmung in der Mannschaft, bei Erfolgscoach Trapattoni und dem gesamten Umfeld an. Missklänge ertönten erst anlässlich der Last-minute-Ausbootung von Abwehrspieler Kevin Foley (Wolverhampton Wanderers), der eine halbe Stunde vor Benennungsschluss des endgültigen 23er-Kaders gegen Paul McShane (Crystal Palace) ausgetauscht wurde. „Wir brauchen einen weiteren Innenverteidiger“, begründete Trapattoni den zu diesem Zeitpunkt nicht mehr erwarteten Umbau, nachdem alle für diesen Mannschaftsteil ausgewählten Kandidaten - O’ Shea (FC Sunderland), Dunne (Aston Villa), St. Ledger (Leicester City) und O’ Dea (Leeds United) - mehr oder minder schwere Blessuren auswiesen. Foley hätte diese Position nicht einnehmen können, und eine eventuelle Schwäche des zentralen Abwehrschildes will Trapattoni auf keinen Fall riskieren.

Mögliche Aufstellung: Given - O’ Shea, Dunne, St. Ledger, Ward - McGeady, Whelan, Andrews, Duff - Keane, Doyle

André Schulin