Weltmeisterschaft

Japan: Objektiv wenig Chancen Richtung Endrunde

Zwar tönt Trainer Okada, dass sich sein Team bis ins Halbfinale vorarbeiten könnte, doch diese Meinung hat er aktuell exklusiv. Zu harmlos ist der japanische Angriff und die internationale Erfahrung seiner Crew ist überaus übersichtlich.

Die Japaner qualifizierten sich als erste Nation neben dem gesetzten Veranstalter Südafrika für die WM 2010. In der 3. Runde-Gruppe 2 setzte sich der Gastgeber von 2002 (neben Südkorea) gegen Bahrain, Oman und Thailand knapp durch, da Bahrain daheim gegen Oman zwei wichtige Punkte liegen ließ. In der 4. Runde-Gruppe A wurde Japan erst im letzten Spiel noch von Rang 1, nach einer 1:2-Niederlage, von Australien im Spitzenspiel verdrängt. Zu diesem Zeitpunkt konnte das Team jedoch nicht mehr von Bahrain überholt werden. In acht Partien dieser Spielrunde erzielten die Japaner allerdings gerade einmal elf Treffer, was auf die Schwäche im Angriff hinweist.

Dort steht mit Shinji Okazaki eigentlich nur ein international bewährter Goalgetter zur Verfügung, der seine Gefährlichkeit mit 15 Toren im letzten Spieljahr für die Nationalelf zu belegen wusste. Die restlichen nominellen Stürmer des Kaders sind bestenfalls zweit- oder drittklassig. Allerdings agiert im vorderen Mittelfeld mit Keisuke Honda ein Offensiv-Allrounder, der seine Klasse in den letzten Jahren in Venlo (Holland) und zuletzt bei ZSKA Moskau recht eindrucksvoll bestätigte. Unterstützt wird Honda hinter der einzigen Spitze Okazaki von Daisuke Matsui (Grenoble), der beim französischen Erstligaabsteiger in 29 Partien gerade einmal vier Treffer unterbrachte. Nebenmann Shunsuke Nakamura, der bereits in Italien, Schottland und Spanien sein Sushi verdiente, ist der eigentliche Kopf im japanischen Mittelfeld und Kapitän der Truppe. Allerdings scheint der mittlerweile 31-Jährige seine beste Zeit hinter sich zu haben. Wolfsburgs Makoto Hasebe und Yasuhito Endo erfüllen die Arbeit vor der Viererkette, wobei Hasebe, die wichtige Stammkraft, krankheitsbedingt kurz vor der WM pausieren muss und eventuell zum WM-Start ausfällt. Bewährt hat sich auch die Innenverteidigung mit dem erfahrenen Yuji Nakazawa, der auf über 100 Länderspiele zurückblicken kann, und Marcus Tulio, die auch körperlich aus dem traditionell kleingewachsenen Spielerkader herausragen. Auf den Außenverteidigerposten haben sich Atsuto Uchina (rechts) und der offensiver ausgerichtete Yuto Nagatomo etabliert. Verlässlicher Stammtorwart ist Seigo Narazaki, der den ebenfalls sehr erfahrenen Yoshikatsu Kawaguchi verdrängt hat. Unter Trainer Takeshi Okada, der allen Ernstes das Halbfinale anpeilt, hat das lauf- und kampfstarke Team kaum sichtbare Fortschritte erzielt. Immer noch lebt das japanische Spiel von der Ballkontrolle und dem Querpass, um dem Gegner immer wieder den Spielrhythmus zu nehmen. So kommen die Japaner nur über viele Stationen zu gelegentlichen Angriffsaktionen, was der eigenen Torquote nur wenig Auftrieb verleiht. Ob mit dieser Taktik die Gruppengegner Niederlande, Dänemark und Kamerun geknackt werden können, sei zumindest in Frage gestellt.
Zumindest bei der WM im eigenen Lande 2002 reichte es für den Einzug ins Achtelfinale, wo man als Gruppensieger gegen Belgien (2:2), Russland (1:0) und Tunesien (2:0) mehr als nur respektabel abschnitt. Gegen die Türken (0:1) war allerdings das Ende der Fahnenstange erreicht. Bei den beiden anderen WM-Runden 1998 und 2006 konnte Japan indes keinen Erfolg einfahren. Das beste Resultat gelang noch in Deutschland gegen die Kroaten (0:0), die restlichen fünf Vorrundenpartien gingen verloren. Deshalb sind die Erwartungen der japanischen Fans vor dieser WM auch nicht sonderlich optimistisch. Objektiv gesehen sind die Asiaten in der Gruppe E als Außenseiter einzustufen, doch sollte der Start gegen Kamerun gelingen, müssten sich die Niederlande und Dänemark auf einen zumindest unbequemen, quirligen Gegenpart einstellen.

Voraussichtliche Aufstellung: Narazaki – Uchida, Nakazawa, Tulio, Nagatomo – Hasebe, Endo – Nakamura, Matsui, Honda - Okazaki

Ulrich Merk