Bundesliga

Kurzzeitige Dominanz

In der vergangenen Saison hatte Bayern Münchens Manager Uli Hoeneß angekündigt, der nationalen Konkurrenz künftig so weit enteilen zu wollen, dass man nur noch mit dem Fernglas zu erkennen sei. Die ersten Spiele erweckten den Eindruck, als könnte die Mannschaft das großspurige Ziel tatsächlich realisieren. Mit Tempofußball der ersten Klasse versetzte der Rekordmeister die Zuschauer in Verzückung. Doch dann begann das bayerische Traumschloss zu bröckeln. Dies ist der erste Teil einer Bundesligahalbzeitbilanz, die wir in unregelmäßigen Abständen bis zum Rückrundenbeginn fortsetzen werden.

Eine erstaunliche Entwicklung, schließlich hatte man den Münchnern aufgrund der vielen Zu- und Abgänge eine schwierige, von Eingewöhnungsproblemen begleitete Anfangsphase prognostiziert. Nötig geworden war die Umstrukturierung des Kaders, weil am Ende der zurückliegenden Spielzeit lediglich ein enttäuschender vierter Platz herausgesprungen und weit und breit keine Spielkultur zu erkennen war. Die Ver-einsbosse plünderten daraufhin ihre Bankreserven und begaben sich auf eine in Deutschland nie dagewesene Einkaufstour für rund 70 Millionen Euro. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen: Mit Franck Ribery, Luca Toni und Miroslav Klose zogen Hoeneß und Co. dicke Fische an Land, die angeblich auch bei der absoluten Elite des europäischen Fußballs auf der Liste standen. Hinzu kamen Marcell Jansen, Ha-mit Altintop, José Sosa, Jan Schlaudraff und Zé Roberto, der bereits von 2002 bis 2006 bei den Bayern unter Vertrag gestanden hatte. Auf den richtigen Kurs sollte die Truppe mit Ottmar Hitzfeld ein weiterer Rückkehrer bringen. Und zunächst funktio-nierte das Zusammenspiel zwischen dem General, der den Trainerposten schon während der letzten Saison von Felix Magath übernommen hatte, und seinen Schützlingen glänzend. Zumindest ließen darauf die Ergebnisse schließen: Acht der ersten zehn Begegnungen beendete der Rekordmeister – bei Punkteteilungen in Hamburg und gegen Schalke – als Sieger und erzielte in diesem Zeitraum 27 Treffer. Einen erheblichen Anteil an dieser beeindruckenden Ausbeute hatte das neue Sturmduo Toni und Klose, das die gegnerischen Abwehrreihen nach Belieben in ihre Einzelteile zerpflückte und es in der Hinrunde zusammen auf 18 Treffer brachte. Für die Inszenierung der kopfballstarken Angreifer sowie die überraschenden Momente im Spiel der Bayern sorgte zumeist Franck Ribery. Mit seinen unwiderstehlichen Tempoläufen und technischen Fähigkeiten avancierte der französische Nationalspieler in der Anfangsphase der Saison zur neuen Attraktion der Liga. Der teilweise völlig überzogene Ribery-Hype schraubte sich allerdings schnell auf ein gesundes Maß zurück, denn der 24-Jährige baute ab – und mit ihm die gesamte Mannschaft.

Nach einem torlosen Unentschieden am elften Spieltag in Dortmund trennten sich die Münchner vor heimischer Kulisse mit dem gleichen Ergebnis von der Frankfurter Eintracht. Es folgte ein 2:2 gegen die Bolton Wanderers im UEFA-Cup, das Karl-Heinz Rummenigge zu einer harschen öffentlichen Kritik an Ottmar Hitzfeld und dessen seit Jahr und Tag praktiziertem Rotationsprinzip veranlasste. Hätte sich die Mannschaft in dieser Phase der Saison in einer besseren Verfassung präsentiert, wäre die Reaktion des Vorstandsvorsitzenden auf das vermeidbare Remis sicher anders ausgefal-len. Doch auch Rummenigge war nicht entgangen, dass der spielerische Glanz der ersten Partien inzwischen längst verflogen und die nötige Einstellung bei seinen teuren Angestellten nicht mehr vorhanden war. Der Höhepunkt des Abwärtstrends war in der 13. Runde zu beobachten, als sich der FCB dem VfB Stuttgart mit 1:3 geschlagen geben musste. Bei der anschließenden Jahreshauptversammlung sorgte Uli Hoeneß dann mit einem verbalen Angriff auf einige Fans, die die maue Stimmung in der Allianz Arena angeprangert hatten, dafür, dass sich zu den sportlichen Prob-lemen weitere Irritationen außerhalb des Spielfeldes gesellten. Unverständlich war dabei nicht die Sichtweise des Managers, sondern die Art und Weise seines Auftritts („Was glaubt ihr eigentlich, wer ihr seid, dass ihr uns kritisiert, weil wir dieses Stadion hingestellt haben“). Als es an der Säbener Straße endlich wieder einigermaßen ruhig war, wozu dreifache Punktgewinne gegen Wolfsburg und Bielefeld beigetragen hatten, verfrachtete Oliver Kahn in seiner letzten Saison den Rekordpokalsieger wieder in die negativen Schlagzeilen. Nach einem 0:0 gegen den Abstiegskandidaten aus Duisburg erschien ein Interview, in dem sich der Schlussmann abfällig über seine neuen Kollegen Ribery und Toni äußerte („Bayern ist nicht Marseille oder Florenz, sondern wie Milan, Real, Barca, ManU“). Hitzfeld strich Kahn, der zu allem Überfluss auch noch einen Großteil der Weihnachtsfeier geschwänzt hatte, aus dem Kader für die letzte Partie gegen Berlin, die die insgesamt vierte Nullnummer der Bajuwaren in der Hinserie hervorbrachte. Trotz aller Schwierigkeiten beendeten die Münchner den ersten Teil der Spielzeit schließlich als Herbstmeister, führen mit fünf Siegen, drei Unentschieden und einer Niederlage die Auswärtstabelle an und verfügen über die mit Abstand beste Verteidigung (acht Gegentore). Außerdem zogen sie – wenn auch nicht so souverän wie erwartet – in die Zwischenrunde des UEFA-Cups und ins Achtelfinale des DFB-Pokals ein. In beiden Wettbewerben warten mit dem Regionalligaklub Wuppertaler SV Borussia und dem schottischen Vertreter FC Aberdeen lösbare Aufgaben. Wollen die Münchner ihren Traum vom Triplegewinn verwirklichen, müssen sie in der Rückrunde allerdings zur Glanzform vom Saisonbeginn zurückfinden. Behilflich wird dabei das brasilianische Abwehrtalent Breno sein, das Mitte Dezember für kolportierte 12,3 Millionen Euro vom FC Sao Paulo verpflichtet wurde. Valérien Ismaël dagegen verließ den Klub in Richtung Hannover. Es deutet einiges darauf hin, dass auch Ottmar Hitzfeld nach den anhaltenden Querelen um seine Person der bayerischen Landeshauptstadt am Ende der Spielzeit den Rücken kehren wird. Bis dahin soll seine üppige Titelsammlung aber in jedem Fall erweitert werden.
Christian Brackhagen