Europameisterschaft

Nur noch ein Scheinriese?

In Gruppe A brachte der zweite Spieltag schon eine Entscheidung: Russland verpasste durch seine zweite Niederlage definitiv das Viertelfinale. Griechenland behauptete sensationell seinen Spitzenplatz. Wider Erwarten verpasste es in Gruppe B Frankreich, sich gegen Kroatien vorzeitig für die Runde der letzten Acht zu qualifizieren.

2. Spieltag, Gruppe B: Nur noch ein Scheinriese?
Frankreich gibt Rätsel auf. Beim zweiten EM-Auftritt kam der Titelverteidiger gegen Kroatien nur zu einem 2:2-Unentschieden, und strapazierte erneut sein Glück. Was über die gesamte erste Halbzeit wie eine Pflichtübung auf dem Weg ins Viertelfinale anmutete, wurde nach dem Wiederanpfiff nachhaltig erschüttert. Kroatien legte seine Zurückhaltung ab, deckte nicht vermutete Abwehrschwächen der Franzosen auf, erzwang zwei Treffer und brachte sich letztendlich selbst um einen möglichen Sieg. Der agile Dado Prso avancierte zum besten Stürmer auf dem Platz - und das angesichts einer Konkurrenz namens Thierry Henry und David Trezeguet. Doch die Topstürmer blieben, wie schon im ersten Spiel, weit unter ihren Möglichkeiten. Wie die gesamte Equipe Tricolore noch beweisen muss, dass sie aus dem Spiel heraus - ohne glückliche Last-Minute-Fügungen - eine Entscheidung zu ihren Gunsten erzwingen kann. Ein Stück Lack vom Nimbus der Unschlagbarkeit ist schon abgebröckelt.

Im anderen Spiel der Gruppe B setzte sich England, dem Ergebnis nach deutlich, gegen die Schweiz durch. Verblüffender Weise gelang den Briten dies ohne ihr typisches Powerplay - was möglicherweise den hohen Temperaturen geschuldet war. Doch „Wonderkid“ Wayne Rooney schlüpfte in die Rolle des jungen Himmelsstürmers, die vor ihm Michael Owen (blieb ohne Wirkung) inne hatte und brachte England auf die Siegerstraße. Den anfangs dominierenden Eidgenossen machte ihre Abschlussschwäche einen Strich durch die Rechnung. Auch in späteren Spielphasen spielten die Schweizer gefällig, selbst in Unterzahl, bis in die gegnerische Hälfte hinein, verpatzten dann aber den letzten Pass. Die 0:3-Niederlage warf die Schweiz auf den letzten Platz zurück, doch noch ist das Viertelfinale erreichbar. Ein Sieg über Frankreich wäre da allerdings Voraussetzung.
2. Spieltag, Gruppe A: Gastgeber unter Druck
Das Otto-Prinzip der mannschaftlichen Geschlossenheit funktioniert auch in Griechenland, und selbst bei der EM. Gewiss etwas glücklich, aber dank aufopferungswilligem Einsatz keineswegs unverdient, trotzte Griechenland den technisch und an Torchancen überlegenen Spaniern ein 1:1-Remis ab. Fünf Gelbe Karten belegen den kompromisslosen Einsatz der Hellenen, der zu einem unerwarteten Zwischenstand führte: Griechenland würde im letzten Spiel gegen Russland schon ein Remis fürs Viertelfinale reichen. Ein Unentschieden würde auch den Spaniern genügen, doch die müssen gegen Portugal antreten.

Dem EM-Gastgeber steckte nach der Auftaktniederlage gegen Griechenland die Angst vor dem frühzeitigen Scheitern in den Knochen, wie auch Russland erschreckend mutlos in das zweite Turnierspiel einstieg. Der frühe Führungstreffer Portugals löste die Handbremsen der Iberer nicht, provozierte jedoch auch keine Trotzreaktion der Russen, deren Keeper kurz vor der Pause vom Platz gestellt wurde (Handspiel außerhalb des Sechzehners). So strebte das Spiel, selten von unterhaltsamen Einlagen unterbrochen, dem Schlusspfiff entgegen. Der Treffer zum 2:0-Endstand aus der 89. Minute deutete wenigstens an, zu was die Portugiesen fähig sind. Gegen Spanien werden sie das öfter zeigen müssen als gegen Russland, denn nur ein Sieg führt in die nächste Runde.

André Schulin