Bundesliga-Chronik

Saison 1967/68: Nürnbergs neunte Meisterschaft (Teil III)

Nürberg wurde einigermaßen überraschend Meister; Dortmund landete - obwohl Trainer Murach offen vom Titelerfolg sprach - nur auf dem 14. Rang, was die mit Abstand schlechteste Bundesliga-Platzierung der Schwarz-Gelben bedeutete. Das grün-weiße Aufbäumen der Bremer kam zu spät, um zum zweiten Mal den Titel an die Weser zu holen.

Oben
Nürnbergs Start war meisterlich und der Schlüssel zum Erfolg. Erst am 13. Spieltag musste sich der Club erstmals geschlagen geben (0:2 in Duisburg); setzte aber anschließend seine gute Serie bis zur Winterpause unbeeindruckt fort. Als nach schwächerer Rückrunde der Meistercoup in Gefahr geriet, machten die Merkel-Schützlinge im energischen Endspurt alles klar und wandelten sich vom Abstiegskandidaten des Vorjahres zum Champion. Vier Aktive waren in allen Meisterschaftsspielen dabei: Wabra, Leupold, Wenauer und Brungs. August Starek war der Spieler, auf den die neue Auswechselmöglichkeit am häufigsten (13 Ein- bzw. Auswechselungen) angewandt wurde. Die Bremer kamen schwer in die Saison. Ihr fulminanter Endspurt (ungeschlagen in den letzten 14 Spielen) trieb den Clubberern Schweißperlen auf die Stirn, endete jedoch nur mit der Vizemeisterschaft. "Eisenfuß" Horst-Dieter Höttges lieferte sich ein Elfmeter-Fernduell mit Gladbachs Günter Netzer, das unentschieden ausging. Beide traten neun Mal an und versenkten jeweils acht Bälle. Netzer & Co. hatten rechnerisch am letzten Spieltag, einen Zähler hinter Werder liegend, noch die Chance auf die Vizemeisterschaft. Das Gastspiel der Fohlen bei den Münchener Löwen geriet vor 7.000 Besuchern jedoch zur lauen Sommergaudi (0:0). "Lasst Milde walten", bat MG-Coach Hennes Weisweiler um Nachsicht in der Spielbewertung. Für die gute Stimmung war Sechzigs Keeper Radi zuständig, der den letzten Spieltag noch einmal ausgiebig nutzte, seine Dribbelkünste - natürlich auch in der gegnerischen Hälfte - vorzuführen. Vier Zähler hinter den Gladbachern fand sich der 1. FC Köln in der Endabrechnung auf Rang vier wieder. Zu mehr hatte es nicht gereicht, obwohl mit Hennes Löhr (27 Treffer) der beste BL-Torjäger im Dress der Geißböcke zu finden war. Der Meister von 1963/64 durfte sich aber immerhin als bester Klub der Liga seit ihrem Bestehen feiern lassen. 200 Punkte hatten die Kölner gesammelt, davon war der aktuelle Titelträger Nürnberg noch ein Stückchen entfernt (179). Der FC Bayern spielte lange Zeit ganz oben mit (elf Spieltage auf Rang zwei), die Dreifachbelastung durch Liga, DFB-Pokal und Europacup forderte jedoch ihren Tribut. Das jüngste Team der Klasse wurde schließlich fünfter. Gerd Müller, Torschützenkönig (gemeinsam mit Emmerich) aus dem Vorjahr, fand seinen Torinstinkt erst ab dem achten Spieltag wieder und schloss mit 19 Saisontreffern ab. Im Oktober `67 durfte er sich über die Auszeichnung zum "Fußballer des Jahres", mit großem Vorsprung vor Vereinskamerad Franz Beckenbauer und dem Hamburger "World-Cup-Willi" Schulz, freuen.

Mitte
Die Frankfurter Eintracht konnte erst in der Rückrunde daran erinnern, dass sie im Vorjahr noch eine überragende Rolle in der Meisterschaft gespielt hatte. Als Ausdruck der Verunsicherung kann die Statistik zu Hilfe gezogen werden, nach der die Hessen bis zum 15. Spieltag schon 22 Spieler eingesetzt hatten. Hinter den wankelmütigen Frankfurtern pendelte sich der MSV Duisburg auf dem siebten Rang ein. Das Saison-Highlight der Zebras, neben dem 7:0-Kantersieg gegen Kaiserslautern, war der 2:0-Sieg gegen den Club. MSV-Keeper Manfred "Cassius" Manglitz hatte, in seiner bescheidenen Art, Nürnbergs erste Saisonniederlage bei den Zebras angekündigt. Mit 139 Einsätzen avancierte er am zwölften Spieltag zum Bundesliga-Rekordspieler. Der VfB Stuttgart hatte seine Mannschaft nicht mit namhaften Neuzugängen verstärkt, obwohl die Schwaben mehr Einnahmen aus den ersten vier Bundesligajahren einfuhren als die Konkurrenz: 8,5 Millionen Mark. Der HSV (7,9) sowie Köln und 1860 München (jeweils 7,7) kamen dem VfB noch am nächsten. Die finanzielle Zurückhaltung des VfB wirkte sich allerdings nicht negativ aus. Die Schwaben gerieten nie in Abstiegsnöte und schnitten als Achter vier Ränge besser ab als im Vorjahr. In Stuttgart wurde der erste Spielabbruch der Bundesliga registriert: Dichter Nebel zwang Schiedsrichter Hilke in der 54. Minute der Partie gegen Neunkirchen (16. Spieltag) beim Stand von 0:0 dazu, den Blindflug abzubrechen. Die Neuansetzung ging mit 2:1 an die Schwaben. Titelverteidiger Braunschweig litt stark unter dem Fehlen von Torjäger Lothar Ulsaß (Knie-Operation), der erst ab dem achten Spieltag wieder mitmischte. Trotz gewohnt guter Abwehrleistungen, wobei Joachim Bäse Bestnoten erhielt, platzierten sich die Niedersachsen nur auf dem enttäuschenden neunten Rang. Der andere niedersächsische Vertreter, Hannover 96, kam wie in der vorigen Saison auf ein ausgeglichenes 34:34-Punktekonto. Das neu eingeführte Prämiensystem, das stark an die Zuschauerzahl gebunden war (die Heimprämie galt dann auch für das jeweilig folgende Auswärtsspiel), trug also keine zählbaren Früchte. Am Aachener Tivoli machte man nicht viel Gedöns um die Prämien: 400 Mark pro Punkt - und gut war’s. Die Alemannia kam im Aufstiegsjahr ebenfalls auf 34:34 Punkte, was zum respektablen 11. Rang reichte. Kein Verein nutzte die Auswechselmöglichkeiten häufiger als Aachen (in 31 Spielen). Eine herbe Enttäuschung war der zwölfte Rang der Münchener Löwen, die das Motto "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" bestens repräsentierten. Die guten Zeiten, eine Serie von zehn Spielen ohne Niederlage, die zur Saisonhälfte den zweiten Platz brachte, wurden von den schlechten, die sich in sechs Heimpleiten niederschlugen, wettgemacht. Auch der Hamburger SV (Platz 13) tunnelte seinen eigenen Anhang mit kärglicher Fußballkunst. Der erste Bundesligasieg beim hanseatischen Erzrivalen Bremen am ersten Spieltag (4:1) war schon die Spitzenleistung der Saison. Borussia Dortmund wahrte bis zur Saison 1967/68 eine merkwürdige Tradition: Alle BL-Auftaktspiele gingen verloren, egal ob auswärts oder daheim. Am Saisonende hatten sich die Schwarz-Gelben dann aber regelmäßig in die Spitzenränge eingereiht (nie schlechter als Platz vier). Nicht zuletzt deshalb war der BVB vor dem Startschuss als meistgenannter Titelfavorit ins Rennen gegangen, was auch dem eigenen Selbstverständnis entsprach: "Man halte mich ruhig für unbescheiden: Mein Tip heißt Dortmund", verkündete Trainer Heinz Murach im Brustton der Überzeugung. Der ungewohnt positive Einstand, ein 2:2-Remis beim MSV, schien Großes anzukündigen. Doch nach der Heimniederlage gegen Braunschweig am 11. Spieltag stürzte das Team in der Tabelle ab, bekleidete schließlich einen enttäuschenden 14. Rang. Murach war mittlerweile durch Oswald Pfau ersetzt worden. In der gesamten Saison brachte der BVB keinen einzigen Auswärtssieg zustande.
Unten
Von Spannung im Abstiegskampf konnte keine Rede sein. Schon früh waren Aufsteiger Neunkirchen und der Karlsruher SC, die ab dem 15. Spieltag gemeinsam auf den beiden Schleudersitzen bis zum Abschuss festsaßen, abgeschmiert. Schalke (Rang 15) schleppte während der Hinrunde elf Spieltage lang die Rote Laterne mit sich herum, bekam aber noch rechtzeitig die Kurve, um den Klassenerhalt zu sichern. Ähnliches galt für Kaiserslautern (16.). Mit dem Beinbruch Otto Rehhagels am neunten Spieltag begann der Absturz der bis dahin gut platzierten Pfälzer. Lautern-Coach Otto Knefler jammerte, dass er nun keinen Spieler mehr hätte, der die "Schmutzarbeit" machen könne. Allzu viel räumten die Lauterer tatsächlich nicht mehr ab, aber immerhin genug, um bereits am 30. Spieltag aller Abstiegssorgen ledig zu sein. Neunkirchen (Rang 17) war mit 90 Gegentreffern die erklärte Schießbude der Liga. Trainer Zeljko Cajkovskis ständiges Wechseln zwischen den Torleuten Kirsch und Ertz half nicht aus der Misere. Neunkirchen musste zum zweiten Mal zurück in die Zweitklassigkeit. Karlsruhe beklagte seinen ersten Abstieg. Die Hoffnungen, mit den Neuzugängen Günther Herrmann und dem französischen Auswahlspieler Gerard Hausser den in den Vorjahren schon mit Abstiegskämpfen konfrontierten Kader konkurrenzfähig aufgepeppt zu haben, zerplatzten.

André Schulin

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