Bundesliga-Chronik

Saison 1970/71: Punkte für Geld (Teil II)

Der Zweikampf zwischen Gladbachern und Münchener Bayern um den Titel ging in die nächste Runde. Und wieder setzten sich die „Fohlen“ durch. Im Pflichtspiel gegen Bremen schauten Weisweilers Schützlinge allerdings verblüfft aus der Wäsche - ihr vereinseigenes Torgestänge erwies sich als weitaus brüchiger, als der Erfolgswille der Mannschaft.

Morsches Gebälk und ein bayrisches Angebot
Nachdem die Findungsphase der ersten Spieltage abgeschlossen war, rissen Borussia Mönchengladbach und der FC Bayern München den Titelkampf an sich. Ab dem fünften Spieltag überließen sie keinem anderen Klub mehr die Tabellenführung, wenngleich sich in der Hinserie noch die Herthaner, Braunschweiger und Schalker abwechselnd auf Augenhöhe heran schoben. Das erledigte sich im Verlauf der Rückrunde - in einer Neuauflage des letztjährigen Duells griffen im Endspurt lediglich noch Titelverteidiger Gladbach und die Roten aus München nach der Schale. In diesen faszinierenden Zweikampf hinein platzte am 27. Spieltag ein unverhofftes Ereignis. Der SV Werder Bremen war am Bökelberg zu Gast; bis zwei Minuten vor Spielende musste man von einer 1:1-Punkteteilung ausgehen, die bereits nach einer Viertelstunde Spielzeit Bestand hatte. Dann ein letzter Angriff der Borussen: Werder-Keeper Günter Bernard lenkte Günter Netzers Heber über die Latte - die Sache schien bereinigt. Gladbachs mitgelaufener Stürmer Herbert Laumen jedoch, auf eine Flanke lauernd, fiel bei der Aktion ins Bremer Tor. Als er sich an den Maschen des Netzes hochziehen wollte, krachte der linke Torpfosten zusammen. Nach fruchtlosen Bemühungen, den Kasten wieder herzurichten, brach Schiedsrichter Meuser das Spiel schließlich ab. Das DFB-Schiedsgericht zieh die Gastgeber in einer ersten Verhandlung der Fahrlässigkeit und wertete die Partie am Grünen Tisch als 2:0-Sieg für Bremen. Eine Berufungsverhandlung kam zwei Spieltage vor Saisonende zu dem gleichen Entschluss - somit verteidigte die „Fohlenelf“ nur dank eines einen Treffer besseren Torverhältnisses die Spitzenposition vor den Bayern. Es stand Spitz auf Knopf. „Ich möchte nicht, dass die Generation nach mir sagt, die Bayern seien 1971 nur am Grünen Tisch Meister geworden. Deshalb schlage ich Mönchengladbach ein Entscheidungsspiel vor, wenn wir am Ende der Saison nur aufgrund des Punktabzugs Meister sein sollten“, meldete sich Bayern-Präsident Wilhelm Neudecker zu Wort. Der DFB verwarf den Vorschlag umgehend. Neudeckers Vision einer FCB-Meisterschaft bekam indes am vorletzten Spieltag reale Konturen: Beide Konkurrenten gewannen ihre Spiele, doch die Bayern (4:1 gegen Braunschweig) siegten höher und gingen als Tabellenführer in die letzte Runde. Dass die Münchener dann doch nicht zu einem Makel behafteten Titelträger wurden, mussten sie sich in hohem Maße selbst ankreiden. „Dass eine Mannschaft, die den Sieg braucht, auch noch das Tempo drosselt, ist wohl reichlich ungewöhnlich“, wunderte sich MSV-Trainer Rudolf Faßnacht. Seine „Zebras“ jedenfalls legten sich ins Zeug und schlugen die zögerlichen Bayern mit 2:0. Die Gladbacher hatten ihren abschließenden Beitrag zur Titelverteidigung mit einem 4:1-Auswärtssieg in Frankfurt geleistet.

Ordentlich mitgehalten
Eine gute Rolle spielten während der Saison die Berliner Hertha, die ihren dritten Rang aus der vorigen Spielzeit verteidigte, Eintracht Braunschweig (Rang 4), der Hamburger SV (5) und Schalke (6) - wäre nicht Herthanern, Braunschweigern und Schalkern die Beteiligung an verkauften Spielen - egal zu wessen Vorteil - nachgewiesen worden. Makaber mutet es an, dass der Berliner Kapitän Tasso Wild im Oktober 1970 orakelte: “Wie schnell kann eine Fußballkarriere zu Ende gehen”. Er spielte, als verurteilter Skandal-Sünder, nach Abschluss der Saison kein weiteres Bundesligaspiel mehr. Braunschweig konnte eine kleine Kompensierung in Sachen sportlicher Fairness geltend machen: In den gesamten acht Bundesligajahren war kein einziger Eintrachtspieler des Feldes verwiesen worden. Der HSV überwand eine Schwächphase aus der Hinrunde auch durch eine denkwürdige Umstellung: Stürmer “Uns Uwe” Seeler übernahm kurzzeitig die Liberoposition bei den Hanseaten.
André Schulin

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