Bundesliga

Schwarze Männer - schwarze Schafe?

Seit jeher riskieren es die Schiedsrichter, zu Sündenböcken für Spieler, Trainer und Zuschauer zu werden, wenn die Männer in Schwarz in kniffligen Situationen so genannte „Tatsachenentscheidungen“ treffen müssen. Nicht immer liegen die Schiris richtig, mit ihren in Sekundenbruchteilen zu fällenden Entscheidungen, oft genug werden sie aber auch zu unrecht gescholten. Das Ausmaß an Kritik und Anfeindungen gegenüber den Unparteiischen ob ihrer Leistungen im ersten Halbjahr dieser Saison erreichte einen neuen Höchststand.

Erwartete Kartenflut
„Es wird vermehrt Rote Karten und Elfmeter geben“, sagte Volker Roth, Vorsitzender des DFB-Schiedsrichter-Ausschusses, schon vor der Saison. Grund dieser Annahme: Ein besonderes Augenmerk sollte seitens der Unparteiischen der so genannten Rudelbildung, Schwalben und Trikotzerren zuteil werden und konsequent geahndet werden. Roth sollte recht behalten. Schon am ersten Spieltag verteilten die Schiris jeweils einmal Rot und Gelb-Rot, sowie 38 Gelbe Karten. Was Roth nicht nicht vorhersehen konnte, war, dass seine Mitstreiter verstärkt auch mit den Trainern aneinander geraten würden.

Mangelndes Fingerspitzengefühl?
Angekündigt hatte sich eine Verhärtung dieses Verhältnisses allerdings schon beim DFB-Pokalfinale im Mai, als die Übungsleiter der Schalker (Huub Stevens) und Leverkusener (Klaus Toppmöller) den Abpfiff im Olympiastadion von der Haupttribüne aus miterlebten. Beiden Trainern wurde vom Schiedsrichtergespann um Dr. Wack wegen unsportlichen Verhaltens der Platzverweis erteilt. „Du Blinder“ soll Toppmöller den Referee betitelt haben, was der Bayer-Coach bestritt. Huub Stevens wurde „präventiv“ wegen „mehrfachen unsportlichen Reklamierens“ in die Zuschauerreihen verbannt, was seinen Manager Rudi Assauer erboste, der „mehr Fingerspitzengefühl“ von den Schiedsrichtern einforderte.
Wiederholungstäter
Über Definition und Auslegung dieses Fingerspitzengefühls war man sich in der aktuellen Spielzeit dann überhaupt nicht mehr einig. Spieler wie Trainer haderten munter weiter über Entscheidungen der „Men in Black“ und diese spielten ob der verbalen Attacken entschlossen ihre (roten) Trumpfkarten aus. Wieder erwischte es Huub Stevens. Beim Gastspiel der Berliner im Bayernspiel schickte Schiedsrichter Jürgen Jansen den mittlerweile bei Hertha unter Vertrag stehenden Holländer wegen „grob sportwidrigem Verhalten“ auf die Tribüne. Stevens bekam über den Platzverweis hinaus noch ein Bank-Verbot für die Partie Herthas gegen Wolfsburg sowie eine Geldstrafe in Höhe von 7.500 Euro aufgedrückt. Mit einer auf 10.000 Euro Bußgeld bezifferten Summe wurde Dortmunds Matthias Sammer (wie Stevens mit Erfahrung im Tribünen-Exil) belegt. Beim Spiel des BVB in Nürnberg mit dem WM-Schiri Dr. Markus Merk führte Sammer einen Dialog mit dem Referee, den dieser nicht wünschte. „Soviel Arroganz ist mir noch nie begegnet“, erklärte der BVB-Übungsleiter danach, akzeptierte die Strafe jedoch widerspruchslos. Auch Cottbus-Trainer Eduard Geyer und Werders Thomas Schaaf mussten ihre Bank-Positionen in dieser Saison schon mit einem Tribünenplatz tauschen.

Verbales Nachtreten
Die Dispute der Unparteiischen mit Spielern waren nicht minder zahlreich. Mario Basler (Kaiserslautern, über Schiri Uwe Kemmling: „Der müsste heute richtig auf die Fresse kriegen“), Jens Lehmann (Dortmund, über Michael Weiner: „Meiner Meinung nach ist das einer der blindesten Schiedsrichter, die ich jemals hatte“) und Sergej Barbarez (Hamburg, gönnte dem Schiedsrichter-Gespann um Dr. Helmut Fleischer nach seinem Platzverweis noch einige unsportliche Worte) wurden für ihr verbales Nachtreten zur Kasse gebeten und stehen hier nur stellvertretend für eine gewachsene Kakophonie zwischen den Balltretern und den Spielleitern. „Wir haben heute gegen 17 Mann gespielt, gegen 14 ,Löwen‘ und drei Gelbe. Wie ein Schiedsrichter so einseitig in ein Spiel eingreifen kann, das ist Wahnsinn“, klagte mit Dieter Hoeneß, nach Herthas Spiel gegen Schalke, auch ein Vertreter aus dem Management-Bereich lautstark über Schiedsrichter-Fehlleistungen.

Der vierte Mann
Allen war klar - so konnte es nicht weitergehen. Am 20. November setzten sich daher Vertreter der Bundesliga-Schiedsrichter, Trainer und Liga-Manager zusammen um zu klären, wie die angespannte Situation zu entschärfen wäre. Aktive Fußballer einzuladen, wie die Spielergewerkschaft VdV (Vereinigung der Vertragsfußballspieler) zurecht monierte, wurde versäumt. Man setzte im wesentlichen darauf, dass die Einführung des vierten Schiedsrichters - an der Seitenlinie, zunächst nur für die Rückserie und die erste Liga - eine Entlastung des Schiris auf dem Platz bringen soll. Zu Videobeweisen (die strittige Entscheidungen klären helfen können), Torkameras oder dem Gedanken, ausländische Referees in der Bundesliga pfeifen zu lassen (gelten als weniger kleinlich), konnte man sich nicht durchringen. So wird sich denn auch vermutlich nicht viel ändern. Der Tatsachenentscheid (ohne Videobeweis) bleibt, und der vierte Mann an der Seitenlinie wird von den Trainern vorab argwöhnisch als ihr persönlicher Aufpasser betrachtet. Ob das geeignete Maßnahmen sind, die Unparteiischen aus den Schlagzeilen zu nehmen, muss sich erst noch zeigen.

André Schulin