Stuttgarter Jugendstil
von Günther Jakobsen
Kombinationssicheres, attraktives Offensivspiel, Erfolge in Bundesliga und UEFA-Cup sowie neue, hoffungsvolle Kandidaten für Rudi Völlers DFB-Auswahl - der VFB Stuttgart präsentiert sich in der Saison 2002/03 als Team mit Perspektive. „Schuld daran“ sind zu einem Großteil die Youngster im Team, die als Motor des überraschenden Höhenfluges für Furore sorgen.
Zum Glück gezwungen
Der beim VfB ausgebrochene Jugendstil zieht sich quer durch alle Mannschaftsteile: Timo Hildebrand (23) im Tor, Andreas Hinkel (20) in der Abwehr, Aliaksandr Hleb (20) und Michael Mutzel (23) im Mittelfeld, Kevin Kuranyi (20) sowie Ioannis Amanatidis (21) und Christian Tiffert (20) im Angriff sorgen seit Saisonbeginn für attraktiven und zuletzt auch sehr erfolgreichen Offensiv-Fußball. So ganz gewollt war dieser Umbruch beim VfB nicht. Vielmehr trieben finanzielle Zwänge die hoch verschuldeten Schwaben in den Jugendwahn. Der aus der Ära Meyer-Vorfelder hinterlassene Schuldenberg (aktuell 16,6 Millionen Euro) verhinderte die Verpflichtung teurer, gestandener Profis. Zwangsläufig rückte der talentierte Nachwuchs in die vorderen Reihen - und bewährte sich viel schneller und besser als erwartet. Selbst Coach Felix Magath (Nach dem 3:0-Erfolg über Hannover: „Diesmal habe nicht mal ich etwas zu meckern“) wurde vom Tempo dieser positiven Entwicklung überrascht und baute schützend schon einmal vor: „Ewig werden wir nicht auf diesem konstant hohen Niveau spielen können“. Die bis jetzt 30 absolvierten Pflichtspiele fordern gerade bei den jungen Spielern ihren Tribut.
International treffsicher
Im UEFA-Cup, für den sich der VfB über den Umweg UI-Cup qualifizierte, erreichten die Stuttgarter nicht zuletzt aufgrund der Leistungen ihrer Youngster die dritte Runde. Von den hier bislang erzielten 12 Treffern gingen neun auf das Konto der Jungen: Kuranyi (3), Amanatidis (3), Tiffert (2) und Hleb (1). Gerade im Toreschießen - zählte bei den Schwaben im letzten Jahr zu den unterentwickelten Disziplinen - haben die „jungen Wilden“ dazugelernt.
Shooting-Star Kuranyi
Eine Verletzung des gerade wieder im Aufwind befindlichen Sean Dundee verhalf dem Senkrechtstarter unter deutschen Stürmern, Kevin Kuranyi, zur Nominierung in die Startelf - diese Chance nutzte der Mann mit den drei Staatsangehörigkeiten eindrucksvoll. Nach 15 Bundesligaspieltagen zählt Kuranyi mit neun Treffern zu den Top-Goalgettern. Mit einem Dreierpack gegen Bielefeld sorgte er für den ersten Stuttgarter Sieg dieser Spielzeit. Seitdem startete der VfB in der Liga durch und schloss zu den Spitzenklubs auf. Die Treffsicherheit des Multi-Kulti-Mannes (aufgrund kontinental übergreifender Familienverhältnisse mit Pässen für Deutschland, Panama und Brasilien ausgestattet) hat Kuranyi bereits für andere Bundesligisten interessant gemacht. Aber der U-21-Nationalspieler versicherte erst kürzlich: „Ich sehe in Stuttgart sehr gute Perspektiven“ und denkt darüber nach, seinen bis 2004 datierten Vertrag vorzeitig zu verlängern. Sehr gute Perspektiven werden ihm auch für eine Karriere in der Nationalelf eingeräumt, in der Kuranyi laut Rudi Völler 2003 debütieren könnte. Gemeinsam mit seinem Teamkollegen Andreas Hinkel wurde der Stuttgarter Torjäger jedenfalls von Uli Stieleke für das Testspiel gegen Schottland am 17. Dezember nominiert - in der „Team 2006“-Auswahl des DFB, die im Hinblick auf die WM im eigenen Land installiert wurde. Ein Angebot des ungarischen Verbandes (ein ungarischer Großvater zählt auch zu Kuranyis bemerkenswert vielfältigem, multikulturellen Familienumfang) sofort in dessen A-Elf integriert zu werden, lehnte Stuttgarts Shooting-Star ab, da er sich für eine Karriere im DFB-Trikot entschieden hatte.
Kandidaten für Völler
Auch Timo Hildebrand und Christian Tiffert (beide U21-Nationalspieler) sind Perspektivspieler für die A-Auswahl. Hildebrand glänzte im DFB-Trikot beim U21-Spiel gegen die Türkei (0:1), als seine Paraden eine höhere Niederlage verhinderten. In der Bundesliga debütierte er im November 1999, seit 2000 ist Hildebrand Stammkeeper bei den Schwaben. Christian Tiffert, der über den Halleschen FC und Tennis Borussia Berlin nach Stuttgart kam, agiert vom offensiven rechten Mittelfeld aus und füttert die VfB-Mittelstürmer mit Flanken - oder strebt selber den Torerfolg an. Ein Innenbandabriss beim Spiel gegen Bremen unterbrach den guten Lauf von Mittelfeldakteur Michael Mutzel (kam von Eintracht Frankfurt), der sich gerade in die Stammelf gespielt hatte und ebenfalls eine aufsteigende Formkurve zeigte.
Dirigent in Lauerstellung
Aliaksandr Hleb wird beim VfB als legitimer Nachfolger des Regisseurs Krassimir Balakov gehandelt. Der Weißrusse besticht durch Dynamik und perfekte Ballbehandlung. „Er spielt zu risikoreich und leistet sich zu viele Ballverluste“, weist Magath noch Vergleiche Hlebs mit Balakov von sich. Aber diese risikofreudige Spielweise belebt die VfB-Offensive ungemein und reißt immer wieder Löcher in die gegnerischen Abwehrreihen.
Der Joker sticht
Ein weiterer Unruheherd auf Seiten des Stuttgarter Angriffs ist Ioannis Amanatidis. Der griechische Stürmer stieß in dieser Saison neu zu den Schwaben (kam von Greuther Fürth) und erwarb sich einen Stammplatz als Joker: Acht Mal wurde Amanatidis eingewechselt (zwei Auswechslungen). Magath scheint den jungen Stürmer behutsam aufbauen zu wollen, die Leistungen des Griechen stimmten jedenfalls. Otto Rehhagel, Trainer der Nationalelf der Hellenen, hat Amanatidis schon eine Berufung angekündigt.
Magath hofft auf schnellen Erfolg
Laut Rolf Rüssmann verfügt der VfB über einen Stamm junger Spieler „…um die uns nun die ganze Liga beneidet“. Er rief deshalb bei der Mitgliederversammlung im Oktober dazu auf, alles dafür zu tun was die Finanzplanung der Stuttgarter zulasse, um diese Spieler zu halten und die Mannschaft weiterzuentwickeln. Auch Trainer Magath sieht sehr viel Potential in seiner Elf. „Ich will Europapokalsieger werden - mit dem VfB“, sagt er und glaubt, dass das Team, bei kontinuierlicher Weiterentwicklung und punktuellen Verstärkungen das Zeug dazu hat, bald um die Meisterschaft mitzuspielen. „Es muss möglichst schnell gehen. Sonst sind die jungen Spieler schwer zu halten“, hofft Magath auf Erfolge in naher Zukunft. Denn ohne seine „jungen Wilden“ könnte der VfB bald wieder recht alt aussehen.
André Schulin
Zum Glück gezwungen
Der beim VfB ausgebrochene Jugendstil zieht sich quer durch alle Mannschaftsteile: Timo Hildebrand (23) im Tor, Andreas Hinkel (20) in der Abwehr, Aliaksandr Hleb (20) und Michael Mutzel (23) im Mittelfeld, Kevin Kuranyi (20) sowie Ioannis Amanatidis (21) und Christian Tiffert (20) im Angriff sorgen seit Saisonbeginn für attraktiven und zuletzt auch sehr erfolgreichen Offensiv-Fußball. So ganz gewollt war dieser Umbruch beim VfB nicht. Vielmehr trieben finanzielle Zwänge die hoch verschuldeten Schwaben in den Jugendwahn. Der aus der Ära Meyer-Vorfelder hinterlassene Schuldenberg (aktuell 16,6 Millionen Euro) verhinderte die Verpflichtung teurer, gestandener Profis. Zwangsläufig rückte der talentierte Nachwuchs in die vorderen Reihen - und bewährte sich viel schneller und besser als erwartet. Selbst Coach Felix Magath (Nach dem 3:0-Erfolg über Hannover: „Diesmal habe nicht mal ich etwas zu meckern“) wurde vom Tempo dieser positiven Entwicklung überrascht und baute schützend schon einmal vor: „Ewig werden wir nicht auf diesem konstant hohen Niveau spielen können“. Die bis jetzt 30 absolvierten Pflichtspiele fordern gerade bei den jungen Spielern ihren Tribut.
International treffsicher
Im UEFA-Cup, für den sich der VfB über den Umweg UI-Cup qualifizierte, erreichten die Stuttgarter nicht zuletzt aufgrund der Leistungen ihrer Youngster die dritte Runde. Von den hier bislang erzielten 12 Treffern gingen neun auf das Konto der Jungen: Kuranyi (3), Amanatidis (3), Tiffert (2) und Hleb (1). Gerade im Toreschießen - zählte bei den Schwaben im letzten Jahr zu den unterentwickelten Disziplinen - haben die „jungen Wilden“ dazugelernt.
Eine Verletzung des gerade wieder im Aufwind befindlichen Sean Dundee verhalf dem Senkrechtstarter unter deutschen Stürmern, Kevin Kuranyi, zur Nominierung in die Startelf - diese Chance nutzte der Mann mit den drei Staatsangehörigkeiten eindrucksvoll. Nach 15 Bundesligaspieltagen zählt Kuranyi mit neun Treffern zu den Top-Goalgettern. Mit einem Dreierpack gegen Bielefeld sorgte er für den ersten Stuttgarter Sieg dieser Spielzeit. Seitdem startete der VfB in der Liga durch und schloss zu den Spitzenklubs auf. Die Treffsicherheit des Multi-Kulti-Mannes (aufgrund kontinental übergreifender Familienverhältnisse mit Pässen für Deutschland, Panama und Brasilien ausgestattet) hat Kuranyi bereits für andere Bundesligisten interessant gemacht. Aber der U-21-Nationalspieler versicherte erst kürzlich: „Ich sehe in Stuttgart sehr gute Perspektiven“ und denkt darüber nach, seinen bis 2004 datierten Vertrag vorzeitig zu verlängern. Sehr gute Perspektiven werden ihm auch für eine Karriere in der Nationalelf eingeräumt, in der Kuranyi laut Rudi Völler 2003 debütieren könnte. Gemeinsam mit seinem Teamkollegen Andreas Hinkel wurde der Stuttgarter Torjäger jedenfalls von Uli Stieleke für das Testspiel gegen Schottland am 17. Dezember nominiert - in der „Team 2006“-Auswahl des DFB, die im Hinblick auf die WM im eigenen Land installiert wurde. Ein Angebot des ungarischen Verbandes (ein ungarischer Großvater zählt auch zu Kuranyis bemerkenswert vielfältigem, multikulturellen Familienumfang) sofort in dessen A-Elf integriert zu werden, lehnte Stuttgarts Shooting-Star ab, da er sich für eine Karriere im DFB-Trikot entschieden hatte.
Kandidaten für Völler
Auch Timo Hildebrand und Christian Tiffert (beide U21-Nationalspieler) sind Perspektivspieler für die A-Auswahl. Hildebrand glänzte im DFB-Trikot beim U21-Spiel gegen die Türkei (0:1), als seine Paraden eine höhere Niederlage verhinderten. In der Bundesliga debütierte er im November 1999, seit 2000 ist Hildebrand Stammkeeper bei den Schwaben. Christian Tiffert, der über den Halleschen FC und Tennis Borussia Berlin nach Stuttgart kam, agiert vom offensiven rechten Mittelfeld aus und füttert die VfB-Mittelstürmer mit Flanken - oder strebt selber den Torerfolg an. Ein Innenbandabriss beim Spiel gegen Bremen unterbrach den guten Lauf von Mittelfeldakteur Michael Mutzel (kam von Eintracht Frankfurt), der sich gerade in die Stammelf gespielt hatte und ebenfalls eine aufsteigende Formkurve zeigte.
Aliaksandr Hleb wird beim VfB als legitimer Nachfolger des Regisseurs Krassimir Balakov gehandelt. Der Weißrusse besticht durch Dynamik und perfekte Ballbehandlung. „Er spielt zu risikoreich und leistet sich zu viele Ballverluste“, weist Magath noch Vergleiche Hlebs mit Balakov von sich. Aber diese risikofreudige Spielweise belebt die VfB-Offensive ungemein und reißt immer wieder Löcher in die gegnerischen Abwehrreihen.
Der Joker sticht
Ein weiterer Unruheherd auf Seiten des Stuttgarter Angriffs ist Ioannis Amanatidis. Der griechische Stürmer stieß in dieser Saison neu zu den Schwaben (kam von Greuther Fürth) und erwarb sich einen Stammplatz als Joker: Acht Mal wurde Amanatidis eingewechselt (zwei Auswechslungen). Magath scheint den jungen Stürmer behutsam aufbauen zu wollen, die Leistungen des Griechen stimmten jedenfalls. Otto Rehhagel, Trainer der Nationalelf der Hellenen, hat Amanatidis schon eine Berufung angekündigt.
Magath hofft auf schnellen Erfolg
Laut Rolf Rüssmann verfügt der VfB über einen Stamm junger Spieler „…um die uns nun die ganze Liga beneidet“. Er rief deshalb bei der Mitgliederversammlung im Oktober dazu auf, alles dafür zu tun was die Finanzplanung der Stuttgarter zulasse, um diese Spieler zu halten und die Mannschaft weiterzuentwickeln. Auch Trainer Magath sieht sehr viel Potential in seiner Elf. „Ich will Europapokalsieger werden - mit dem VfB“, sagt er und glaubt, dass das Team, bei kontinuierlicher Weiterentwicklung und punktuellen Verstärkungen das Zeug dazu hat, bald um die Meisterschaft mitzuspielen. „Es muss möglichst schnell gehen. Sonst sind die jungen Spieler schwer zu halten“, hofft Magath auf Erfolge in naher Zukunft. Denn ohne seine „jungen Wilden“ könnte der VfB bald wieder recht alt aussehen.
André Schulin