Europameisterschaft

Zur rechten Zeit nahe am Top-Level

Mit seiner bisher besten Turnierleistung erreichte das DFB-Team das Halbfinale. Die spielstarken Portugiesen wurden zumeist schon im Spielaufbau entscheidend gestört, auch wenn das längst nicht über die gesamte Spieldauer möglich war und bis zum Schluss gezittert werden durfte. Das 3:2 war jedoch ein klassisches Beispiel für die Steigerungsfähigkeit von Mannschaften gegenüber den Leistungen in den Vorrundenspielen.

Not macht erfinderisch. Dass der auf die Tribüne verbannte Bundestrainer „Jogi“ Löw von Hansi Flick vertreten wurde, war bekannt. Dass in der Folge von Frings’ Rippenbruch jedoch Rolfes in die Startelf rutschte, kam überraschend. Von Beginn an entwickelte sich ein verteiltes und schnelles Spiel. Dem flüssigen Kombinationsfußball der Portugiesen begegnete die deutsche Mannschaft mit energischen Störaktionen - Gefahr für das eigene Tor wurde somit vermieden. Eine erste gute Möglichkeit Portugals vereitelte Lehmann, als er einen Schuss des rechts durchgebrochenen Simao abwehrte (15.). Bei den deutschen Gegenstößen rückten zu wenige DFB-Akteure mit auf, als dass man eine gute Schussposition erarbeiten konnte. Brenzlig wurde es in der 19. Minute - in höchster Not spitzelte Friedrich das Leder vor dem freistehenden Ronaldo weg. Die Portugiesen bekamen ein klares Übergewicht, da wurden sie kalt erwischt. Ein erstklassiger Spielzug über die linke Seite mündete in eine scharfe und punktgenaue Hereingabe Podolskis, die der mitgelaufene Schweinsteiger zum 1:0 ins Netz setzte (22.). Nur vier Minuten später tobten die deutschen Fans im Stadion: Nach einem Freistoß Schweinsteigers löste sich Klose geschickt und köpfte über Ricardo hinweg zum 2:0 ein. Die Portugiesen indes zeigten überhaupt keine Schockwirkung und griffen druckvoll an, schnürten die DFB-Elf zeitweise rund um deren Sechzehner ein. Nicht unverdient der Anschlusstreffer: Mit einer Blitzreaktion wehrte Lehmann den Schuss Ronaldos aus dem Sechzehner noch ab, der Nachschuss von Nuno Gomes aber überquerte die Linie zum 1:2 der Portugiesen (40.). In der letzten Minute brannte es nochmals in beiden Strafräumen. Ballack dribbelte (!) sich im gegnerischen Sechzehner durch und prüfte Ricardo aus spitzem Winkel, derweil im Gegenzug Ronaldos Flachschuss nur um Zentimeter am langen Pfosten vorbei strich.

Vehement drückten die Portugiesen auf den Ausgleich. Deco verteilte die Bälle klug im Kurzpass-Kombinationsspiel, fand aber aufgrund der aufmerksamen deutschen Deckung selten Gelegenheiten, den „Tödlichen Pass“ zu spielen. Eine ständige Bedrohung ging auch vom häufig vorpreschenden Außenverteidiger Bosingwa aus. Als sich die Lage bedrohlich zuspitzte, verschaffte eine Doublette des 2:0-Treffers den Deutschen Luft. Aus vergleichbarer Situation zirkelte Schweinsteiger das Leder in Portugals Sechzehner und diesmal stellte Ballack seine Kopfballstärke mit dem Tor zum 3:1 unter Beweis (61.). Eingetütet war der Sieg damit aber mitnichten - Scolaris Team drückte unvermindert weiter und verlangte der deutschen Elf eine hoch konzentrierte Leistung ab. Gelegentliche Konter (70., Lahm) boten die Chance, zu erhöhen. Auch Podolskis Gewaltschuss nach einer Ecke, der um Haaresbreite am rechten Pfosten vorbei fleuchte (79.), hätte eine endgültige Entscheidung bringen können. Doch Portugal hielt die Spannung hoch, kam vor allem über seine linke Seite - namentlich durch den eingewechselten Nani - zu Gefahr bringenden Situationen. Das 2:3 (87., Kopfball von Helder Postiga) zeichnete sich bereits vorher ab. Und beschwor eine ungemütliche Schlussphase mit ewig lang erscheinenden vier Minuten Nachspielzeit herauf. Die leidenschaftlich kämpfenden Deutschen überstanden jedoch auch diese Phase, hätten unmittelbar vor dem Abpfiff durch Podolski sogar noch einen weiteren Treffer draufgepackt.
André Schulin