„Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen“, beantwortete Bundestrainer Jürgen Klinsmann vor dem Italien-Spiel die Frage, ob der WM-Kader schon feststünde. Nach dem Spiel war diese Aussage ein Stück wahrscheinlicher geworden: Vier Gegentreffer rückten mal wieder die Abwehr in das Zentrum der Kritik, wenngleich die Defizite mitnichten nur den Defensivkräften anzukreiden waren. Dennoch könnte sich im Bundesligaendspurt noch ein größerer Anwärterkreis aus der verteidigenden Gilde profilieren.
Viele Bewerber um einen Platz in der Mitte
Für Christian Wörns ist das Thema nach seinem Verbalclinch mit Klinsmann wohl durch, da dürfte selbst sein guter Notendurchschnitt (3,2*) nichts mehr nützen. Durch ist auch Per Mertesacker, allerdings im positiven Sinn. Der Niedersachse (Note 3,4), der als einziger Spieler alle 14 Länderspiele des Jahres 2005 mitmachte, kam nach seiner Sprunggelenk-Verletzung zwar noch nicht wieder voll auf Touren, ist aber in der Innenverteidigung gesetzt. Wie unantastbar die Position von Chelsea-Spieler Robert Huth ist hängt auch davon ab, wie stark seine Konkurrenten aus der Bundesliga auftreten. Christoph Metzelder (4,0) hat bei Dortmund Markus Brzenska (3,6) vor der Nase, muss erst mal um seine Einsätze in der Bundesliga kämpfen. Sein Vertrauensvorsprung ist allerdings zu beachten. Arne Friedrich (3,8), alternativ auch als Rechtsaußen in der Viererabwehrkette einzusetzen, konnte sich Herthas Krise ebenso wenig entziehen wie sich Kölns Youngster Lukas Sinkiewicz (4,2) den Schwächen des 1. FC. Beide haben noch Luft nach oben, Friedrich gute Aussichten auf das WM-Ticket. Überraschend warf Jens Nowotny den Hut in den Ring: „Es ist mein Ziel, dabei zu sein“, verkündete der 32-Jährige. Nach seiner schier endlosen Verletzungsarie (drei Kreuzbandrisse) bestritt er vier Spiele für Leverkusen, mit guten Benotungen. Ob er es jedoch noch einmal in die DFB-Auswahl schafft ist fraglich. Das spräche gegen den von Klinsmann und Löw propagierten „Eingeleiteten Generationswechsel.“ Eher kämen schon Frank Fahrenhorst (3,5), der sich in Bremen zunehmend mausert und Manuel Friedrich (3,5) in Frage. Gegen den Mainzer spricht allerdings, dass er keine Erfahrung auf internationalem Parkett vorweisen kann.
Nur Lahm gesetzt
Auf den Außenbahnen der Abwehrkette, die nach des Bundestrainers Vorstellungen mit auch offensivstarken Akteuren besetzt sein soll, gibt es bis auf Philipp Lahm (3,4) keinen Fixpunkt. Alternativ zum Bayernspieler kämpfen auf links mit dem Gladbacher Marcel Jansen (3,6) und dem Bremer Christian Schulz (3,7) zwei weitere Bewerber um diese Position. Ein klarer Favorit für die rechte Außenbahn zeichnet sich noch nicht ab, jedoch dürften Patrick Owomoyela (3,6) und Arne Friedrich - am Wochenende im Bundesligavergleich Werder gegen Hertha zu sehen - die besten Chancen besitzen. Andreas Hinkel (4,0) stagnierte in der „Trapattoni“-Ära des VfB, kam in der Nationalelf zuletzt nur noch zu Kurzeinsätzen und sollte noch eine Schippe draufpacken.
WM kommt zu früh
Mit guten bis teilweise sehr guten Abwehr-Vorstellungen machten in dieser Saison der Bielefelder Heiko Westermann (3,4), der Lauterer Fabian Schönheim (3,4) und auch Herthas Malik Fathi (3,7) auf sich aufmerksam. Ihre Chance auf die WM-Teilnahme ist allerdings verschwindend gering, denn, Benotung hin oder her - so kurzfristig noch völlig neue Akteure in die Nationalelf einzubauen, dürfte selbst dem Erneuerer Jürgen Klinsmann zu riskant sein. Perspektiven für die Post-WM-Zeit haben die drei allemal.
André Schulin
* Alle Benotungen Copyright fussballdaten.de (Stand 24. Spieltag 2006)
Ungarisches Gulasch.
— Alfred Pfaff auf die Frage des DFB-Kochs am Tag nach der 3:8-Niederlage gegen Ungarn bei der WM 1954, was er kochen solle