Außenseitersterben im Viertelfinale

Das Halbfinale steht, die Favoriten haben sich durchgesetzt. Nach den Deutschen wuselten sich zuerst die Brasilianer, dann Argentinien und gestern Nacht die Niederländer durchs Viertelfinale. Alle Favoriten hatten mehr oder weniger große Probleme mit ihren Gegnern und gingen nicht selten heftig angeschlagen in den Endkampf der WM.
Weil sich Superstar Neymar nach einer bösen Attacke des Kolumbianers Zuniga böse am Rücken verletzte und Kapitän Thiago Silva eine absolut unnötige Gelbe Karte einhandelte, wird das DFB-Team im Halbfinale auf einen Gegner treffen, dem zwei überaus wichtige Akteure fehlen werden. Während Silva durch Dante gut ersetzt werden könnte, gibt es im Kader Brasiliens keinen auch nur annähernd kompatiblen Ersatz für Neymar. Obwohl Kolumbien im Viertelfinale bereits mit 0:2 recht aussichtslos zurück lag (7., Thiago Silva per Abstauber; 69. David Luiz mit einem direkt verwandelten Freistoß), wurde es nach dem 1:2 durch das Elfmetertor des bis dato führenden WM-Torjäger James Rodriguez (80.) nochmals eng. Mit einigem Glück, aber auch merkwürdigen Schiedsrichterentscheidungen, gelang es dem Gastgeber, das 2:1 über die Zeit zu retten. Auch mit den beiden gegen Deutschland Fehlenden war der Auftritt der Selecao alles andere als weltmeisterlich. Wenig zwingende Torchancen, viel Gerumpel im Mittelfeld und immer wieder große Lücken in der Deckung bestätigten eher die Kritiker der Scolari-Elf.
Argentinien hatte sich mit dem Geheimtipp Belgien abzuplagen, bot im Viertelfinale auch seine beste Leistung in diesem Turnier, was allerdings vorwiegend an dem offensiv doch recht indisponierten Gegner lag. Die frühe Führung durch Higuain, dessen Volley zwischen den beiden Innenverteidigern van Buyten und Kompany hindurch unhaltbar im linken Toreck landete (8.), schockte die Wilmots-Truppe stärker als erwartet. Allerdings verpasste es die Albiceleste in der Folgezeit, einen Treffer nachzulegen. So wurde es für die Südamerikaner noch ein Zitterspiel bis zum Abpfiff, wobei die Belgier aber nur wenige gute Möglichkeiten zum Ausgleich erspielten und am Ende zurecht das Turnier beenden mussten. Messi & Co. konnten allerdings auch nicht wirklich überzeugen, verloren zudem den starken Angel di Maria bereits nach einer guten halben Stunde durch Verletzung, mit unsicherer Diagnose für die Rest-WM.
Gar bis ins Elfmeterschießen mussten sich die Niederlande in der letzten Viertelfinal-Partie gegen Außenseiter Costa Rica begeben. Hierfür hatte Trainer van Gaal jedoch noch ein Trumpf im Ärmel. Er wechselte kurz vor Ende der Verlängerung Ersatztorwart Krul ein, der als vermeintlicher Elfer-Killer dann auch prompt seinen Job erfüllte, zweimal (gegen Ruiz und Umana) in die richtige Ecke abtauchte und damit sein Team unter die letzten Vier brachte. Nicht nur in den ersten 90 Minuten stand ansonsten Torwart Navas von den Mittelamerikanern im Fokus des Geschehens, rettete mehrfach das 0:0, während seine Mitspieler ihre wenigen kleinen Möglichkeiten zumeist schon vor dem entscheidenden Abschluss aus den Augen verloren. Neben Navas bot vor allem Robben einmal mehr eine starke Partie mit seinen Tempodribblings, wurde allerdings ebenfalls meist erfolgreich im oder vor dem Abschluss abgeblockt. Der Erfolg der Niederländer ging unterm Strich dennoch absolut in Ordnung.
Ulrich Merk