Der erste Sieg gegen Brasilien nach 18 Jahren wurde auch deshalb freudig begrüsst, weil ihm spielerischer Glanz anhaftete. Joachim Löws Arbeit mit einer jungen, angriffsorientierten Mannschaft wurde verdientermaßen belohnt.
Diskussionen um die terminliche Ansetzung dieses Freundschaftstreffs nahmen großen Raum im Vorfeld ein. Die Problematik von unterschiedlichem Vereins- und Nationalmannschafts-Interesse dürfte auch nach dem Schlusspfiff noch erhalten geblieben sein, doch geredet wurde hauptsächlich - und zu Recht - über die fußballerische Leistung der Auswahl Joachim Löws. Rekordweltmeister Brasilien zählte seit jeher zu den wenigen Teams, gegen die Deutschland nicht als Favorit ins Spiel geht. Daher konnten die Eindrücke der ersten 45 Minuten bereits positiv aufgenommen werden, die zwar ohne Treffer blieben, jedoch eine DFB-Auswahl aufzeigten, die den Kontrahenten ganz gut im Griff hatte. Löws bayernlastige Startformation (sieben Akteure) gefiel in der ungewohnten 4-1-4-1-Taktik besonders in den Disziplinen Spielaufbau und Ballverteilung, wodurch man sich die Dominanz auf dem Platz sicherte. Defizite offenbarte man in der Chancenerarbeitung: Zu selten ging es steil in die Spitze. Götzes Chance aus der 6. Minute, als er sich mit brasilianischer Ballfertigkeit Freiraum verschaffte und Cesar prüfte, blieb eine Ausnahme. Die im Umbruch befindliche Gästeelf hatte zunächst Probleme ins Spiel zu finden, stabilisierte sich dann in der Abwehr und konnte sich mit einigen Kontervorstößen Respekt verschaffen.
Patos Schuss in Richtung rechtem oberen Winkel kurz nach Wiederbeginn fehlte nicht viel (47.) und bildete den Auftakt eines Zwischenspurts der Brasilianer. Eine knappe Viertelstunde lang schien das Spiel auf der Kippe, da brachte ein schnelles Direktspiel - Klose und Götze halblinks als Vorbereiter - die Brasilianer in Bedrängnis. Lucio kontaktierte den in den Strafraum gespurteten Kroos und verursachte den Elfer, den Schweinsteiger souverän zur 1:0-Führung ins Netz brachte (61.). Noch zwingender agierte die DFB-Elf in der 67. Minute und hebelte die Gäste vollkommen aus. Am Abschluss der Kombination stand ein scharfer Steilpass von Kroos auf Götze in den Sechzehner. Der Youngster umkurvte noch Schlussmann Cesar und traf aus spitzem Winkel. Dank einer vertretbaren Elfmeterentscheidung für Brasilien, Lahm hatte Alves im Sechzehner attackiert, schafften die Südamerikaner den Anschluss (71., Robinho). Dass sich das Bangen um den Erfolg in Grenzen hielt, war der weiterhin offensivfreudigen Einstellung der Deutschen geschuldet, sowie speziell dem energischen Einsatz Schweinsteigers aus der 80. Minute. Der Münchner erkämpfte sich im brasilianischen Sechzehner das Leder und passte auf den agilen Schürrle, gegen dessen harten und platzierten Abschluss kein Kraut gewachsen war (80.). Somit hatte man vorgebaut und konnte Brasiliens zweiten Treffer (Neymar in der Nachspielzeit) gelassen wegstecken.
André Schulin
Manchmal denke ich, dieser Beruf frisst mich auf.
— ,,Wild Winnie" Schäfer, Trainer des KSC, während der UEFA-Cup-Saison 1993/94.