Winterpause. Das ist die Zeit, in der man im Fernsehen untergewichtigen, kleinen Männern bei dem Versuch zuschaut, von einer viel zu großen Schanze zu hüpfen. In der traditionsreiche Fußballbegriffe wie "Betzenberg", "königsblau" oder "Fohlenelf" ebenso klassischen Wintersportstandard wie "Stehendschießen", "Mausefalle" und "Hach, da hat´s ihm den Innenski verrissen und jetzt verkantet´s und da haut´s ihn in die Kompression ´nei, direkt nach der Traverse, wo er doch schon im oberen Drittel einen Stock und die Brille verloren hat, schade" weichen müssen. Wobei: Auf Schalke hat man Fußball und Wintersport inzwischen erfolgreich fusioniert.
Nicht nur, dass Erfolgsmensch Rudi Assauer es fertig gebracht hat, die früher so angenehm ruhige Zeit "zwischen den Jahren" mit der Einführung der Biathlon World Team Challenge in der heimischen Arena durch vorsilvestriges Geballer komplett ihrer Unschuld zu berauben. Nein, auf Schalke hat man das Prinzip Biathlon auch bei der Trainersuche angewandt. Allerdings hat sich dabei ausnahmsweise nicht Ole Einar Björndalen durch grandiose Ausdauer in der Loipe und ein ruhiges Händchen beim Schuss ausgezeichnet, sondern die Uschi Disl von Gelsenkirchen, Teammanager Andreas Müller. Der nämlich zog seit der Entlassung von Chefschütze Ralf Rangnick Mitte Dezember in aller Ruhe seine Kreise durch die winterliche Trainerlandschaft und nahm ab und zu sein Gewehr in die Hand. Im Gegensatz zum herkömmlichen Biathlon allerdings schießt man bei der Schalker Variante nicht wahllos auf alles, was sich aufreiht, sondern sucht sich seine Ziele selbst. Müller formuliert das etwas umständlich so: "Wir haben mit keinem der Trainer, die uns angeblich abgesagt haben, überhaupt gesprochen. Deshalb konnten sie uns gar nicht absagen", anstatt einfach nüchtern-sportlich festzustellen: "Wo keiner is´, kann ich auch kein´ abknallen."
Man muss sich das so vorstellen: Müller steht mit dem Luftgewehr irgendwo auf dem Unterrang, sein Atem gefriert in der klirrenden Kälte, unter der dicken Wollmütze mit der Veltins-Werbung drauf rinnt ihm der Schweiß auf die Stirn. Da kommt Mirko Slomka in die Arena geskatet, mit der Vehemenz von zehn Jahren Erfahrung als Co-Trainer zieht er stürmisch in Richtung Mittelkreis – und da, ein Schuss hallt durch das Rund, ein blauer Farbklecks auf Slomkas blauer Trainingsjacke, kaum zu erkennen, doch Müller reißt jubelnd die Arme hoch: "Gotcha, gotcha! Mirko Slomka spielte in unseren Gedanken stets eine dominierende Rolle. Daher sind wir bei den ganzen Spekulationen immer ruhig und gelassen geblieben." Und das ist jetzt das Ergebnis. Mirko Slomka wird Schalke nach einigen Langlauf-Trainingseinheiten zum Auftakt mit konsequentem Schusstraining Richtung Champions League bringen. Und irgendwann plädiert Rudi Assauer für die Abschaffung der Winterpause und für die Verpflichtung von Frank Ullrich als Nationalcoach. Der trainiert zwar derzeit noch die Biathlon-Herren, aber wenn der denen das Laufen und Schießen beibringen kann, sollte das bei dem Häufchen Fußballer auch klappen. Früher waren das sehr
ruhige Zeiten in der Winterpause.
Jan-Christoph Poppe
Er spielte ohne Tal und Fehdel.
— Jochen Hageleit