In der Vergangenheit hat Hannover 96 oft genug aus der zweiten Reihe zugeschaut, was Sache im deutschen Spitzenfußball ist. Seit 2002 sind die Roten wieder Stammbesetzung in der höchsten Spielklasse. Mit den unteren Tabellenregionen haben die Niedersachsen nichts am Hut; die Frage ist, was nach oben geht.
Nahe dem Optimum
Nach wechselhaftem Saisonauftakt fanden die 96er ihren Rhythmus und hängten sich dank zuletzt fünf Spielen ohne Niederlage (drei Siege, zwei Remis) direkt an die internationalen Startplätze ran. Seit drei Spieltagen bekleiden die Roten den sechsten Rang. Chefcoach Dieter Hecking sieht nicht mehr allzu viel Steigerungspotenzial in den Leistungen von Spielern und Mannschaft, warnt deshalb vor überhöhten Erwartungen: „Alleine die jetzige Situation zu konservieren, wird schwer genug“, mahnt er. Die Elf habe nahe am Optimum agiert. Für die Heimbilanz kann das jedoch nicht gelten; Hannover hat 11 seiner 18 Zähler auswärts erwirtschaftet. „Es gibt ein Heimspiel zu gewinnen“, ruft Hecking deshalb als Parole gegen Borussia Dortmund aus. In der Bundesligahistorie haben die Niedersachsen allerdings eine negative Heimbilanz gegen die Schwarz-Gelben (5 Siege, 7 Niederlagen, 4 Unentschieden), in der letzten Saison wurde jedoch ein 4:2-Sieg gefeiert. Weitere Besonderheiten dieses Treffens: In allen 32 bisherigen Ligavergleichen der beiden Traditionsklubs kam noch nie eine Nullnummer zustande und Hannovers allererste Bundesligapartie bestritten die Roten bei der Borussia - ein 2:0-Erfolg im August 1964. Mit dem von Hecking angesprochenen „Konservieren“ von Leistungen hatten die Fußballer aus der niedersächsischen Landeshauptstadt schon in der Vergangenheit ihre Probleme.
Deutscher Meister neben den Weltmeistern
Als die deutsche Nationalelf im Jahr 1954 die Fußball-Welt aus den Angeln hob, kam die beste Mannschaft des Landes nicht aus Kaiserslautern, Hamburg oder Köln - den Vereinen, die den Großteil des Weltmeisterkaders ausmachten: Hannover 96 hatte zum zweiten Mal, nach 1938, die deutsche Meisterschaft gewonnen und im Endspiel um den Titel den turmhohen Favoriten 1. FC Kaiserslautern mit 5:1 in die Knie gezwungen. Der Erfolg kam offenbar so unverhofft daher, dass Bundestrainer Sepp Herberger gar nicht auf den Gedanken verfiel, seine rund um einen Kern von fünf Lauterer Spielern formierten elf Freunde um einen Spielkameraden aus Hannover zu bereichern. In der Tat konnten die 96er das hohe Niveau nicht halten, verpassten in der Folgesaison als Fünfter der Oberliga Nord deutlich die Endrundenqualifikation zur deutschen Meisterschaft und tauchten wieder ins Mittelmaß ab.
Kein Hurra-Fußball möglich
Die Entwicklung der 96er unter Dieter Hecking trug dazu bei, eine Stabilisierung der Roten im einstelligen Tabellenbereich zu manifestieren. Für den nächsten Schritt, den nachhaltigen Angriff auf die Uefa-Cup-Ränge, müssten die Niedersachsen aber über sich hinauswachsen. Die Mischung aus abgezockten Routiniers wie z. B. Cherundolo, Lala, Tarnat und Fahrenhorst, den in DFB-Auswahl-Bereich rangierenden Enke und Hanke sowie aufstrebenden Newcomern (Huszti, Rosenthal) stimmt, doch ein Teil des Kaders hinkt seiner Bestform hinterher. Davon ist speziell die Offensive betroffen, in der die Stürmer Hashemian, Stajner und Lauth - bei unterschiedlichen Einsätzen - zusammen erst einen Saisontreffer verbuchten. Auch der Niederländer Arnold Bruggink, dessen Dynamik in der vergangenen Saison für zahlreiche Highlights sorgte, hat noch Reserven. Thomas Brdaric, der als zweiter Angreifer neben Mike Hanke den Nachweis steter Torgefährlichkeit erbrachte, steht nach seiner Knieoperation noch nicht zur Verfügung. Sollte Balitsch passen müssen (Magen-Darm-Infektion) fiele gegen den BVB ein weiterer Akteur aus, der durch gefährliche Vorstöße eine gegnerische Abwehr unter Druck setzen kann. Kein Wunder dass Hecking unter diesen Vorzeichen einer offensiveren Spielweise seiner Elf eine Absage erteilt.
André Schulin
Das Spiel war ausgeglichen - auf beiden Seiten.
— Rainer Adrion