Carlos Dunga steht als brasilianischer Nationaltrainer oft in der Kritik. Nicht wegen der Resultate, sondern weil er einen ergebnisorientierten Fußball spielen lässt.
Ronaldinho zaubert im Trikot der Selecao - allerdings nur in einem Werbespot des Ausrüsters. Nationaltrainer Carlos Dunga berücksichtigte den Weltfußballer der Jahre 2004 und 2005 genauso wenig wie Adriano, Alexandre Pato und den ehemaligen Bremer Diego. Dabei hatte es der Weltmeister-Kapitän von 1994 zunächst mit Robinho, Kaka und Ronaldinho im Mittelfeld probiert, aber die drei harmonierten nicht miteinander. Nachdem der Profi vom AC Mailand einem defensiv stärkeren Akteur weichen musste, standen den Brasilianern mehr Räume für ihre gefürchteten Konterangriffe zur Verfügung. Trotzdem forderten viele in der Heimat, darunter die Fußball-Legende Pele, die Rückkehr Ronaldinhos und die Nominierung des 18-jährigen Talents Neymar. Deswegen wollte Dunga von Anfang März bis zur Bekanntgabe des WM-Kaders keine Interviews mehr geben.
Der Trainer setzt auf ein starkes Kollektiv. Er hat nicht unbedingt die 23 besten Spieler Brasiliens nominiert, aber das bestmögliche Team zusammengestellt, dem trotz einer enttäuschenden Saison auch die beiden Wolfsburger Grafite und Josue als einzige Bundesliga-Legionäre angehören. Bezeichnenderweise sind der kämpferisch starke Kapitän Lucio und der allürenfreie Kaka noch die größten Stars. Lucio ähnelt dem aktiven Fußballer Dunga und tritt mit dem Selbstvertrauen eines Champions-League-Siegers bei der WM an. Der verletzungsanfällige Kaka hat dagegen ein schwieriges erstes Jahr bei Real Madrid hinter sich, ist dennoch beim fünfmaligen Weltmeister als Regisseur nicht zu ersetzen.
Dunga nahm Abschied vom Jogo bonito, dem schönen Spiel. Der 54-fache Bundesligaprofi für den VfB Stuttgart, dessen Assistent der ehemalige Leverkusener und Münchner Jorginho ist, lässt aus einer kompakten Verteidigung heraus agieren und Konterangriffe fahren. Acht Spieler sind überwiegend mit defensiven Aufgaben betraut, dafür haben die drei Offensivkräfte Kaka, Robinho und Luis Fabiano viele Freiheiten.
Klar, dass sich Coach Dunga mit dieser Spielweise nicht viele Freunde am Zuckerhut gemacht hat. Bereits während der Qualifikation gab es Pfiffe, als die Selecao nach der 0:2-Niederlage gegen Paraguay die Heimspiele gegen Argentinien, Bolivien und Kolumbien (jeweils 0:0) ebenfalls nicht gewinnen konnte. Danach siegte sie allerdings fünfmal, trennte sich zweimal remis und verlor lediglich mit einer B-Elf in Bolivien (1:2). Der Rekordweltmeister wurde in der Südamerika-Gruppe Erster und gewann zudem 2009 den Confederations Cup. Auch 1994 und 2002 wurden die Südamerikaner ohne Schönspielerei Weltmeister. Bisher holte jedoch noch nie ein amtierender ConfedCup-Sieger anschließend den WM-Titel.
Carlos Dunga wäre der erste Trainer, dem dies gelingen würde, und nach Mario Zagallo und Franz Beckenbauer der dritte, der als Spieler und Coach Weltmeister werden konnte. Seine Auswahl wird wohl wieder einmal weit kommen. Ihre Vorrundengruppe G ist zwar die schwerste, aber Portugal, die Elfenbeinküste (nach der Verletzung Drogbas) und Nordkorea scheinen derzeit nicht in der Lage zu sein, den Gruppensieg der Fußballer vom Zuckerhut zu gefährden. Diese haben seit 1970 nur ein WM-Vorrundenspiel verloren: 1998 gegen Norwegen (1:2).
Mögliche Aufstellung: Julio Cesar - Maicon, Lucio, Juan, Michel Bastos - Elano, Gilberto Silva, Felipe Melo - Kaka - Robinho - Luis Fabiano
Senthuran Sivanada
Heute gieße ich mir einen hinter die Lampe.
— BVB-Manager Michael Meier nach der Titelverteidigung 1996