DFB-Team

Danke Klinsi, Mission erfüllt

von Günther Jakobsen15:53 Uhr | 13.07.2006

Nun sind wir sie wieder los. Die Zweijahressternschnuppe Jürgen Klinsmann tauchte wie aus dem Nichts auf, schimmerte erst nur, schien zeitweise wieder aus dem Blickfeld zu entschwinden, um dann ganz hell zu leuchten und nun wieder abzutauchen. Kein Messias für den mühsam zu beleuchtenden Fußball-Alltag, für eine sich weit über die WM hinaus hinziehende Fiesta mit staunender Anhängerschaft, die den Mund über vier Wochen lang bereits nicht mehr zu bekam.

Er stieg zuletzt wieder in sein schwäbisches Raumschiff mit Stern und wird für Kameras und Blitzlichtgewitter nicht mehr zur Verfügung stehen. Auch für eine Homestory dürfte er kaum Gelegenheiten einräumen. Er wird einfach nicht mehr da sein. Vielleicht lässt er sich sogar einen Vollbart wachsen, damit ihn selbst die wenigen Kalifornier, die auch irgendetwas von dieser WM mitbekommen haben könnten, in Ruhe und wieder "normal" werden lassen. Für uns, die wir näher dran waren und diesem Gesicht, das sich so gern grinsend wie auch ernst-verschmitzt zeigt, fast nicht mehr entrinnen konnten, die längst überfällige Erholung.

Jürgen Klinsmann hatte seine Mission auf diese zwei Jahre fixiert. Mehr war nicht geplant, mehr war aber auch nicht möglich. Er zog mit einem Schweif an aufblühenden Mitarbeitern durch ein Spalier von boxenden, beißenden, halt zu allen Widrigkeiten entschlossenen Neidern und Körperschaften, die ihn wie gelähmt und in voller Verzweiflung durchlassen mussten, aber auch nicht wirklich aus seiner absehbaren Laufbahn hinaus gleiten lassen wollten. Denn, obwohl längst ohne ein Zurück getrieben, bestimmte er Tempo, Richtung und Durchsetzungsvermögen. Machtlos mussten die mehr oder weniger begeisterten Randfiguren und Instanzen mitmachen, staunen oder sich bestenfalls eine zeitlang abducken.

Doch nun reicht es auch. Mehr Kraft hatte das Ereignis "Klinsi" nicht zu bieten und das ist gut so. Oder wollen wir ihn noch mal leiden sehen? Wollen wir etwa den Kampf "Boulevard vs. Klinsmann" in Serie gehen lassen? Oder haben wir Lust auf eine Europameisterschaftsqualifikation, in der der harte Fußball-Alltag die Zerstörung einer Leitfigur zelebriert, bis er gar Unwohlsein hervorruft? Klinsmann verabschiedete sich rechtzeitig als Mythos-Verschnitt und tat gut daran, denn das Anhimmeln war bereits im Begriff auszuufern.

Seine zweijährige Spur wird also im Nachspann zum Kult hochstilisiert. Verklärungen dieser Zeit werden nun in Kommentare, zwischen Buchrücken und auf Internetseiten etc. gepresst. Der Klinsmann-Overkill darf also noch eine zeitlang heftig nachschwingen und die geneigten Gemüter bewegen. Recht so. Die Erinnerung an diese sich steigernden Lichtschwall-Epigone verglühte schließlich für viele zu brutal schnell (vergaß aber eine andere Lichtgestalt gleich mitzureißen) und nicht wenige aufgelockerte Deutschlandbeseelte schwelgen nun einmal gern im Gedenken an eine Zeit, die neue Freunde brachte, unser Selbstverständnis bestärkte sowie eine blonde Leitfigur erweckte, aber auch gleich wieder wegnahm. Und nicht vergessen: auch ein bisschen erfrischender Fußball wurde nebenher beschert. Wenn dieser verbliebe, hätte sich das ehrfürchtige Spektakel sogar gelohnt. Oder es wäre entlarvend belegt, dass die wirkliche Schubkraft hinter diesem Klinsi-Phänomen von weniger schillernden Gestalten entscheidend gestaltet und geprägt wurde. Nämlich von Jogi Löw & Co., deren Arbeit nur eine erste Hürde genommen hat.

Ulrich Merk



Ihr seid nie zufrieden! Ihr würdet noch klagen, wenn ich Jesus Christus berufen würde!

— Carlos Dunga, Nationaltrainer von Brasilien, zu Journalisten.