Die beste Mannschaft des Turniers, das spanische Team von Luis Aragonés, gewann verdient die Europameisterschaft 2008. Nach starkem Beginn hatte die deutsche Elf große Probleme im Spielaufbau, während die Iberer im richtigen Moment durch Torres zuschlugen. Die überzeugende Technik, das schnellere Umdenken und letztlich auch die Cleverness der jungen Spanier waren am Ende ausschlaggebend.
Nach einer kurzen, comichaften Abschlussfeier, in der symbolisch die Dramaturgie der EM 2008 als naiv-lockeres Ballonspektakel plus Poprockband aufgefrischt wurde, ging es in das, mit Spannung erwartete, größte Fußballhighlight seit der WM 2006. Es ging zudem um einen für viele Fußballkenner gern goutierten Leckerbissen der Kick-Systeme: Hier die Spanier als technisch perfekte Kurzpassakrobaten – dort das deutsche Team, das über den Willen zur konzentrierten Leistung, den unbändigen Kampf, aber auch über die taktische Disziplin und die punktgenauen fussballerischen Überraschungsstiche den Erfolg verwirklichen wollte.
Den ersten Stich setzte Klose bereits nach vier Minuten an, ihm entsprang der Ball jedoch im 16er. Auch Lahm und Ballack folgten mit zwei Linksaußen-Aktionen, doch ihre Flanken scheiterten (5., 7.). Den ersten Torschuss gab dann Hitzlsperger ab (9.), wurde aber nur ein Roller. Metzelders Fast-Eigentor nach Xavi-Hereingabe und 15 Spielminuten – Lehmann reagierte glänzend – läutete erste spanische Gegenwehr ein. Mehr Ballbesitz aber hatten überraschend die Deutschen nach dieser ersten Viertelstunde. Auch ein Torres-Kopfball nach einer weiteren Xavi-Flanke per Freistoß blieb harmlos (21.). Sein zweiter Versuch ging dagegen bereits an den Pfosten (23.) und unterstrich das Aufkommen der Iberer. Ballacks starke Abnahme auf der Gegenseite blockte dann Ramos mit dem Körper ab (26.) sowie Podolskis Zögern im Folgeangriff brachten die Deutschen wieder auf den Plan. Mit einem Flachschuss von Fabregas meldeten sich die Spanier zurück (31.), doch Lehmann begrub die Kugel unter sich. Zu dieser Zeit fabrizierten die Deutschen bereits zu viele Fehlpässe und die Strafe folgte nach einem Xavi-Pass in die Schnittstelle der deutschen Abwehr. Torres nutzte den Abstimmungsfehler zwischen Lahm und Lehmann, spitzelte den Ball zum 1:0 ins Tor (33.). Ballack schied kurz danach einige Minuten mit einer Platzwunde aus, doch die DFB-Elf drückte auch zu zehnt auf den Ausgleich, blieb aber im Abschluss durchweg zu ungenau. Die Spanier bevorzugten derweil den Rückwärtsgang, tauchten nur noch einmal in Person Iniestas im gegnerischen Strafraum auf, doch Mertesacker blockte ab (45.). Nur die ersten zehn Minuten hatten die Deutschen dominiert, dann hatten sich immer mehr Fehler eingeschlichen. Spanien gehörte die Mitte des ersten Durchgangs, war erfolgreicher und führte vor dem Seitenwechsel verdient.
Lahm musste nach einer Fleischwunde in der Kabine bleiben. Für ihn kam Jansen in die Partie. Zunächst bewegte sich das Spiel nur zwischen den Strafräumen. Fouls und Fehlpässe zerrissen den Spielfluss. Spanien abwartend – Deutschland ohne Ideen. Xavi schoss zuerst in Richtung Tor, doch Lehmann war dran (54.). Nach der Ecke zischte Silvas Schuss am Tor vorbei. Eine Doublette des Torres-Lehmann Duells folgte, doch diesmal war der deutsche Keeper Sieger (56.). Löw brachte kurz darauf Kuranyi für Hitzlsperger, um vorne neue Akzente zu setzen (58.). Als Ballacks Schuss ans Außennetz ging (60.) schienen die Deutschen neu aufzubrechen. Sogleich stieg der Druck der Löw-Elf. Doch speziell Schweinsteiger fehlte in letzter Konsequenz, auch bei Freistößen, mehrmals das nötige Timing. Ein Ramos-Kopfball und ein Iniesta-Schuss machten Spanien neuen Mut (68.). Das Match blieb intensiv, mit leichten Vorteilen für das Aragonés-Team, bei dem die Kombinationen wesentlich runder liefen. Mit Gomez und Guiza kamen inzwischen zwei neue Stürmer für die Schlussminuten. In der 81. Minute grätschte Senna knapp am 2:0 vorbei – die Vorentscheidung wurde somit ausgelassen. Deutschland verlor weiter viele Bälle in der Vorwärtsbewegung, oder stand letztlich im Abseits. Die Schlussminuten blieben zerfasert, weil die Deutschen keine verwertbaren Angriffszüge zustande brachten. Auch in den Zweikämpfen trat das Löw-Team ungeschickt auf. Die letzten Minuten zerronnen somit ohne weitere Ereignisse und nach einer schwachen 2. Halbzeit, besonders von Seiten der Deutschen, stand mit Spanien der verdiente Europameister fest. Spielführer Ballack und Bundestrainer Löw erkannten die höhere fussballerische Qualität der Spanier nach der Partei ohne Abstriche an.
Ulrich Merk
Noch gar nicht, dazu bin ich zu sehr Realist!
— Stefan Kuntz, Nationaltrainer der Türkei, vor dem WM-Playoff-Halbfinale gegen Portugal und Cristiano Ronaldo, zur Frage, wie oft er schon an die WM gedacht habe...