Das Glück in der Fremde

Die Grüne Insel mag landschaftlich noch so reizvoll sein, ambitionierte Fußballprofis hält es dort nicht. Wer die Möglichkeit dazu hat, setzt sich in die wesentlich lukrativere englische Premier League oder anderswo ins Ausland ab. Zum EM-Qualifikationsauftakt bietet Irlands Nationaltrainer Steve Staunton folgerichtig nur Legionäre auf.
Zerrissen
In der ehemaligen irischen Provinz Ulster, die heute den Großteil Nordirlands ausmacht, hat sich bereits Mitte des 19. Jahrhunderts (beginnend in den 1860er Jahren) der Fußballvirus breit gemacht und sukzessive vom Rest des Landes Besitz ergriffen. Den Fußballsport landesweit organisatorisch unter einen Hut zu bringen, erwies sich jedoch als schwierig. Die in Belfast (Metropole in Ulster) beheimatete IFA (Irish Football Association) verlor das Vertrauen der außerhalb Ulsters gelegenen Vereine, da sie bevorzugt Spieler aus der eigenen Region in die nationalen Auswahlteams berief und die damalige Irish League fast ausschließlich aus Teams der nördlichen Provinz bestand. Nach der Teilung Irlands 1921 in die Republik Irland (Hauptstadt Dublin) und Nordirland (Belfast) etablierte sich die FAI (Football Association of Ireland) - zunächst als FAIFS (Football Association of the Irish Free State) firmierend - als Fußballdachverband der Republik Irland. Das erste offizielle Länderspiel der FAI-Kicker ging allerdings erst im März 1926 über die die Bühne, eine 0:3-Niederlage gegen Italien in Turin.
Achtungserfolge der Nationalelf
Obwohl sich der Fußball in Irland recht früh zum populären Volkssport entwickelte, blieben die internationalen Erfolge überschaubar - die politische Zerrüttung und die wirtschaftlich motivierte Emigration größeren Ausmaßes trugen ihr Teil dazu bei. Wer ausreichend Talent besaß, versuchte bei einem Klub im benachbarten England unter Vertrag zu kommen. Daran hat sich kaum etwas geändert, auch wenn sich Irland mittlerweile wirtschaftlich unter den wohlhabendsten Staaten Europas einreihte. Der sportliche Aderlass schwächt natürlich die irischen Klubs, die in europäischen Wettbewerben hinterher hinken. Irlands Nationalelf immerhin konnte in jüngerer Vergangenheit mit drei WM-Endrundenteilnahmen aufwarten: 1990 (Viertelfinale), 1994 und 2002 erreichte man jeweils das Achtelfinale. Die EM-Bilanz fällt mit zwei Endrunden-Qualifikationen (1964 und 1988 war jeweils im Viertelfinale Endstation) etwas dünner aus. Für deutsche Mannschaften war die kampfbetonte irische Gangart nie sonderlich bequem, was die Bilanz der direkten Vergleiche (sechs deutsche Siege, fünf Niederlagen und drei Unentschieden) ausdrückt.
Rekordspieler gibt die Richtung vor
Derry City, derzeit Tabellenführer der Premier Division, der FC Shelbourne, Cork City und die Bohemians Dublin waren in den letzten Jahren die bestimmenden Klubs in Irland - einen aktuellen irischen Nationalspieler sucht man in diesen Reihen allerdings vergebens. Nationaltrainer Steve Staunton setzt für das eröffnende EM-Qualifikationsspiel, in Stuttgart gegen die DFB-Elf, ausschließlich auf Profis aus englischen Klubs. Er kann dann wieder auf die Newcastle-Akteure Shay Given (Keeper) und Damien Duff, sowie Hotspurs-Stürmer Robbie Keane zurückgreifen, die bei der ernüchternden 0:4-Testspielpleite im August gegen die Niederlande fehlten. Staunton, Jahrgang 1969, stand während der WM 2002 noch in der Abwehr des irischen Teams, das sich in der Gruppenphase 1:1 unentschieden von der DFB-Auswahl trennte. Die längste Zeit seiner Spielerkarriere verbrachte der irische Rekordnationalspieler (102 Einsätze) in Diensten des FC Liverpool und Aston Villas.
André Schulin