Die Kirch-Nachrichten überschlagen sich. Täglich wird spekuliert, was die Buchstaben hergeben. Wenige echte Fakten schimmern zwischen den Zeilen hervor, können sich gegen den Wust von unsicheren Statements, exklusiven Geheimplänen und konspirativen Verhandlungen in Eckkneipen aber kaum durchsetzen. War denn keiner auf diesen schon lange erkennbaren, mutmaßlichen Kollaps vorbereitet? Gibt es Alternativen zum Kirch-Geld?
Es begann mit der regelmäßigen Berichterstattung über den Abostand von Premiere (World). Seit ca. zwei bis drei Jahren steht definitiv fest, dass der Pay-TV-Sender sein angekündigtes Planziel von mindestens ca. 3,5 Mio. Abonnenten um eine gute Millionen verfehlen dürfte. Schon vor Jahren wurde hochgerechnet, dass, solange das Ziel nicht erreicht wäre, täglich einige Millionen Mark Miese anfallen würden. Jeder halbwegs der Addition mächtige Geschäftsmann, der sich regelmäßige Zahlungen aus dem Kirch-Topf erhofft, musste bereits nach den letzten verpufften Premiere-Werbekampagnen erkennen: das rechnet sich alles nur noch zeitlich begrenzt, deshalb müssen Alternativen her.
Da die Zahlungen bis heute allerdings regelmäßig in der Bundesliga eintrafen, wurde nicht über die tatsächliche Möglichkeit nachgedacht, diese Quelle könnte einmal weniger ausspucken, geschweige denn versiegen. Zwar präsentierte der „Kicker“ einen sogenannten „Großen Geheimplan“ der Bundesliga, der die Termine neu organisieren und ein aktualisiertes Fernsehkonzept beeinhalten würde, doch schon einen Tag später musste die Liga eingestehen, dass dieser Plan (wenn er denn verwirklicht würde) bestenfalls für die Zeit nach Kirch, also frühestens ab 2004, praktisch umsetzbar wäre.
Seit Wochen, mit steigender Tendenz, läßt sich zudem ein vielstimmiger Chor aus der Bundesliga vernehmen. Schlagwörter wie „Insolvenzgefahr für viele Vereine“, „Gehaltverzicht für Profis“, „Nur keine Aufgeregtheiten“ oder „Sponsorensuche wird immer schwerer“ bestimmen die Diskussion. Drei verschiedene Meinungsgruppen der Profifußballbranche stehen sich mittlerweile gegenüber: 1. Die Deutsche-Fußball-Liga (DFL), 2. Die reichen Vereine, 3. Die restlichen Vereine. Und deren unterschiedlich gelagerte Interessen prallen in den verschiedensten Facetten nahezu täglich aufeinander. Resultat: die Unsicherheit steigt.
In dieser Situation fehlt es jedoch bei den wichtigsten Stimmen der Liga an konkreten Aussagen. Fahrlässiger Dilletantismus überwiegt, denn radikale Einschnitte im Liga-Medien-Sponsoring-System sind nicht in Sicht. Zu lange wurde auf Kirch gesetzt, zu lange dessen Probleme kleingeredet. Dabei wäre die Einleitung einer fachlich fundierten, professionell entwickelten Marketingkonzeption längst fällig. So verstand es die Liga bis heute nicht, gemeinsame Mediadaten für das Sponsoring im Bundesliga-Umfeld zu entwickeln und der Werbewirtschaft gegenüber professionell zu präsentieren. Stattdessen wurden Seiteneinsteiger oder ehemalige Spieler in Marketingpositionen der Vereine gehievt, wo sie durch fehlendes Sachwissen glänzen und gerade einmal dazu fähig sind, Sponsoren einzusammeln, die sowieso schon Fans/Besucher/Mäzene des Fußball-an-sich oder der Vereine sind. Die tatsächliche Medialeistung ihres Bundesligavereins, in marketingrelevanten Zahlen ausgedrückt, ist diesen Akteuren bis heute nicht bekannt.
Doch gerade diese Daten erwarten Großsponsoren bzw. Markenartikler und deren Agenturen, die den Konzernen die Werbemaßnahmen erklären müssen. Die Zeit des einfachen Sponsorengelder-Einsammelns ist längst vorbei. Hinzu kommen die unkontrollierten Verbalkatastrophen vieler Bundesliga-Funktionäre, -Manager, -Trainer und –Spieler, deren PR-Wert gegen Null tendiert, und meist nur der Selbstdarstellung des Einzelnen dient. Die Gräben reißen in diesem Klima täglich weiter auf und versperren Lösungsansätze, zu der die aktuelle Elite der Liga nicht fähig ist, war und sein wird.
Solange die Bundesliga noch einen Wert hat, muss man diesen schnellstmöglich detailliert definieren und verkaufen. Dann braucht man sich auch nicht von einem Anbieter wie Kirch oder seinen etwaigen Nachfolgern so penetrant abhängig machen. Jede Firma, die von einem Zulieferer abhängig ist, wird ein Lied davon singen. Die Pflege und Vermarktung der Ware „Bundesliga-Fußball“ muss endlich professionell angegangen werden und nicht den Animositäten und Ignoranzen fachlich unfähiger Funktionäre geopfert werden. Fast in jedem Verein gibt es bereits zarte Ansätze hierfür, doch die Vorstandsetagen blocken aus den nichtigsten Gründen fortschrittliche Entwicklungen immer wieder ab. Eine unhaltbare Situation, die ein wichtiger Bestandteil des aktuellen Dilemmas der Liga ist.
Franz Heck
Liquidität ist King.
— Werder Bremens Geschäftsführer Klaus Filbry über die finanzielle Situation.