Demonstration hoher Fußballkunst

von Günther Jakobsen23:07 Uhr | 26.06.2008

Im Aufeinandertreffen zweier vermeintlich spielstarker Mannschaften zeigten einzig die Spanier Kombinationssicherheit und Offensivlust, und zogen dementsprechend verdient ins EM-Finale gegen Deutschland ein. Russland stand sich mit dem viel zu großen Respekt vor dem Gegner selber im Weg.

Die Qualifikation für das EM-Halbfinale war für beide Nationen der größte Erfolg seit längerem. Deswegen nahm einzig Russlands Nationaltrainer Hiddink eine Veränderung an der Startformation vor und das auch nur notgedrungen: Berezutskiy ersetzte den gelbgesperrten Kolodin. Vom Anpfiff weg gaben die Iberer den Ton an. Dem schnellen, aber manchmal zu überhasteten Spielaufbau der Spanier setzten die Russen eine überraschend defensive Ausrichtung entgegen. Viel zu selten ließen die Osteuropäer dagegen ihr mitreißendes Offensivspiel von den vorangegangenen EM-Partien aufblitzen. Auch in der Abwehr gab es trotz der erheblichen Steigerung gegenüber der Vorrundenklatsche (1:4) einige vielversprechende Lücken für den Gegner: Ramos verpasste eine Xavi-Hereingabe knapp (5.) und Akinfeev parierte Torres’ Schuss aus wenigen Metern (6.), genauso wie Villas Versuch von der Strafraumgrenze (11.). In der 34. Minute ereilte Spaniens Finalträumen jedoch ein herber Dämpfer. Ausgerechnet der bisherige Topscorer Villa musste verletzt gegen Fabregas ausgetauscht werden. Zudem trauten sich die Russen in den Schlussminuten der ersten Spielhälfte des Öfteren nach vorne und hatten durch Pavlyuchenko zwei hochkarätige Torchancen. Russlands Alleinunterhalter im Sturm, weil der hochgelobte Sturmpartner Arshavin weitgehend aus dem Spiel genommen wurde, fuhr erst Capdevilla in die Parade (35.) und dann flog sein Kopfball am rechten Pfosten vorbei (36.).

Die aufsteigende Tendenz der „Sbornaja“ war schon fünf Minuten nach Wiederbeginn wieder verpufft. Denn im Anschluss an einer schönen Kombination vollstreckte Xavi eine Iniesta-Hereingabe zur Führung. Der erwartete Sturmlauf der Russen blieb anschließend aus, stattdessen kam die kombinationsfreudige „Seleccion“ gegen einen sich aufgebenden Gegner verstärkt zum Abschluss. Nachdem alleine Fernando Torres dreimal (51., 61., 62.) und Fabregas zweimal (61., 70.) die Vorentscheidung verpassten, blieb es dem eingewechselten Guiza vorbehalten, der Hiddink-Elf endgültig den Garaus zu machen. Der Neu-Istanbuler lupfte den Ball über Russlands Schlussmann Akinfeev hinweg ins Tor (73.). Die spanische Angriffswelle dauerte trotzdem weiter an und fand in dem abschließenden Treffer zum 3:0 durch Silva seinen Höhepunkt. Fabregas spielte den Valencia-Profi frei und der musste die Kugel nur noch über die Linie drücken (82.). Die angriffslustigen Iberer hatten sich mit dieser Vorstellung die Favoritenrolle für das EM-Endspiel erworben, aber die deutsche Auswahl zeigte schon im Duell mit den favorisierten Portugiesen, dass ihnen die Außenseiter-Rolle eher liegt.

Senthuran Sivananda



Oliver Bierhoff kommt aus der Vermarktungsecke. Ich kann nicht nur meine Seele verkaufen und denken, dass ich damit die Leute gewinne.

— Ewald Lienen