In den letzten zwei Jahrzehnten stellte der Hamburger Traditionsverein kaum einmal mehr als gutes Bundesligamittelmaß dar. Trainer Kurt Jara und Sportchef Dietmar Beiersdorfer stehen als Hoffnungsträger in der Führungsetage, den Verein wieder in die nationale Spitzengruppe und auf die internationale Bühne zu heben. Nach einem miserablen Start in die aktuelle Spielzeit berappelten sich die Hamburger und schlossen zu den vorderen Rängen auf. Hoffnungen auf ein Happy-Saison-End sind erlaubt.
Angegraute Erfolge
Der letzte Titelerfolg des HSV datiert aus dem Jahr 1983, als das Team von "Grantler" Ernst Happel die Meisterschale zum dritten Mal an die Elbe holte - mit Spielern wie Magath, Kaltz, Stein und Hrubesch. Im gleichen Jahr gewann der HSV auch den Landesmeisterwettbewerb. Seitdem entfernte sich der Hamburger Traditionsverein, als einziger Klub ständiges Bundesligamitglied, langsam aus der nationalen Spitzengruppe. Ein dritter Platz in der Saison 1999/2000 ist als positiver "Ausreißer" in der jüngeren Vergangenheit zu verzeichnen. Ansonsten dümpelte der HSV im Mittelmaß.
Jara mit positiver Entwicklung
Als willkommene Reminiszenz an Erfolgscoach Ernst Happel wurde bei der Verpflichtung von Kurt Jara (Oktober 2001) auf dessen ebenfalls österreichischen Stammbaum verwiesen. Eine kurzfristig signifikante Verbesserung konnte jedoch diese Neuauflage hanseatisch-österreichischer Zusammenarbeit nicht bewirken. Auch Jara setzte die Fehlgriffe in der Personalplanung (Baur, Kitzbichler, Rahn) fort. Und der Argentinier Ledesma, für vier Millionen Euro von River Plate geholt, kam, nach keineswegs überzeugenden Auftritten in der Hinserie, 2003 überhaupt noch nicht zum Einsatz. Dennoch bleibt festzuhalten, dass die Formkurve des HSV in dieser Saison langsam, aber stetig nach oben zeigt - ein Erfolg Jaras, der aus der Auftaktkrise die richtigen Lehren zog und das Team, personell wie taktisch, neu aufstellte.
Fehlschlag mit Albertz
Allen "Das-Team-ist-der-Star"-Parolen zum Trotz - erfolgreiche Mannschaften leben zum wesentlichen Teil von Individualisten und nur mit markanten Spielertypen identifiziert sich die Fangemeinde. Zwingend drängte sich beim HSV in dieser Hinsicht zuletzt niemand auf. Der Versuch, um den einstigen Publikumsliebling Jörg Albertz herum wieder eine erfolgreiche, profilstarke Mannschaft aufzubauen, schlug fehl. "Hammer-Ali", für viel Geld von den Glasgow Rangers zurückgeholt, konnte die Rolle der Integrationsfigur und des zentralen Spielgestalters nicht ausfüllen und wechselte mittlerweile nach China.
Neue Impulse durch Takahara
Durch die Neuverpflichtung des japanischen Nationalstürmers Naohiro Takahara, ist dem HSV ein echter Coup geglückt. Neue Fans aus dem "Land des Lächelns" könnten - sofern Takahara sich sportlich durchsetzt - wirtschaftlichen Nutzen erbringen. Seit Kevin Keegan wurde keinem HSV-Neuling eine vergleichbare Aufmerksamkeit zuteil. Vorsorglich haben die Hanseaten schon eine japanisch-sprachige HSV-Page ins Netz gestellt. Darüber hinaus deutete der Japaner an, eine sportliche Alternative, bzw. Ergänzung, zu Romeo und Barbarez werden zu können.
Beiersdorfer mit Weitblick
Endlich hat auch der HSV entdeckt, dass es durchaus nützlich sein kann, im Umland präsent zu sein. Der neue Sportchef Dietmar Beiersdorfer, federführend bei der Takahara-Verpflichtung, steht auch für ein intensives Bemühen um den Nachwuchs. Kooperationsverträge mit den benachbarten VfL Stade, VfL Pinneberg, TSV Winsen und dem Ratzeburger SV sollen Talenten aus der Region den Zugang zum HSV erleichtern. Damit ein neuer "Uwe Seeler" in Hamburg spielt - was die Fans besonders freuen würde.
André Schulin
Wir schießen so wenig Tore, vielleicht heißen wir deshalb auch die Knappen.
— Manuel Neuer