Europameister Griechenland hat einiges gut zu machen. Von der einstigen Euphorie des Triumphs beflügelt, stolperten die Nationalhelden zunächst über Albanien, bevor sie gänzlich in den Abgrund stürzten und WM in Deutschland verpassten. Um den Titel erfolgreich zu verteidigen – so der Plan von Trainer Otto Rehhagel – müssen die Alten wieder spielen. Das scheint jedoch immer mehr eine exklusive Meinung zu sein. Es regt sich nämlich Widerstand.
Lissabon an einem Tag im Juli. Das Finale der Europameisterschaft 2004 zwischen Gastgeber Portugal und Griechenland befindet sich in der 57. Spielminute. Basinas zwirbelt den Ball in den Strafraum, Angelos Charisteas schraubt sich in gewohnt athletischer Manier in die Luft und köpft den Ball zum Einsnull – es sollte der einzige Treffer bleiben. Der Favorit war geschlagen und die Sensation perfekt: Griechenland holte den Titel und stellte die gesamte Fußballwelt auf den Kopf. Für den Torschützen Charisteas war es wahrscheinlich der größte Augenblick seiner Karriere. Und für die Griechen, die sich anschließend noch tagelang in den Armen lagen und ihre neuen Helden feierten, der Anlass, einen spontanen Nationalfeiertag auszurufen – im Zentrum des Freudentaumels stand indes ein Deutscher: Otto Rehhagel.
Zwei Jahre sind seit diesem denkwürdigen Tag vergangen. Dazwischen liegen eine verpatzte WM-Qualifikation und jüngst: die herbe 0:4-Klatsche gegen England. Die Griechen zurück im Alltag. Die einstigen Sieger sind in Ungnade gefallen, selbst der große Heilsbringer Rehhagel steht nun öffentlich in der Kritik. Statt wieder nur die alten Haudegen zu berufen, so der Vorwurf, solle der Trainer doch lieber auf die Jugend setzten. Stichwort Blutauffrischung. Wie eine Majestätsbeleidigung kommt der Vorschlag daher, der nicht einfach so unkommentiert stehen bleiben kann. „Ich ganz allein und niemand sonst ist für die Entscheidungen verantwortlich. Ich mache es so, wie ich es für richtig halte. Ich habe Spieler berufen, die das Nationalteam wie ihre Westentasche kennen“, sagte Rehhagel den Kritikern ins Gesicht, die sich tatsächlich erlaubt hatten, an seiner Kompetenz zu zweifeln.
Ein Sieg für die Psyche
Klare Sache: Rehhagel wird keinen Millimeter von seiner bewährten Philosophie abrücken und nominierte zum Auftakt der EM-Qualifikation gegen Moldawien (Samstag/20.15 Uhr) vornehmlich Routiniers, deren Kräfte er ein letztes Mal zu mobilisieren sucht. „Um es bis zur Endrunde zu schaffen, brauchen wir großen Ehrgeiz und viel Leidenschaft“, sagte Rehhagel sich an das Gesetz der Floskel haltend. Dass die anstehende EM-Qualifikation freilich kein Selbstläufer ist, das wissen die Griechen nur zu gut. Gerade weil Moldawien nicht zu den Größen Europas zählt, geht die Angst um, erneut mit einer Blamage ins Rennen zu gehen. Erinnert sei an das ersten Qualifikationsspiel für die WM 2006, als Griechenland an den eigenen Ansprüchen, vor allem aber an Albanien scheiterte. „Wir wollen auf keinen Fall noch einmal das Szenario erleben. Wir müssen mit einem Erfolg starten. Das wäre wichtig für unsere Psyche und unsere Fans, die wir nach den Enttäuschungen zuletzt wieder hinter uns bringen müssen“, appellierte Mittelfeldspieler Stelios Giannakopoulos an seine Kollegen.
Ebenfalls zum Kader gehört ein alter Bekannter, um den es nach dem EM-Finale etwas ruhiger geworden ist. Im Dezember 2004 als Star aus Bremen verabschiedet, fand sich Angelos Charisteas bei seinem neuen Arbeitgeber Ajax Amsterdam in einer nur wenig ruhmreichen Reservistenrolle wieder, von der er sich aber am gestrigen Donnerstag endlich loseisen konnte. Diesmal war sein Wechsel keine Schlagzeile wert. Deshalb für alle, die es nicht vernommen haben: Feyenoord Rotterdam verpflichtet Charisteas für drei Jahre. Es ist an der Zeit, Spielpraxis zu sammeln, um das griechische Unternehmen Titelverteidigung auf den Weg zu bringen. Denn ohne die Kopfballtore von Charisteas ist der ehrgeizige Plan ein eher aussichtsloses Unterfangen. Aber das dachten die meisten auch damals – an einem historischen Tag im Juli.
Paul Linke/11Freunde-Redaktion
Es war optimal. Der Matthias von hinten und der Jürgen Klinsmann von vorne... also, ich mein jetzt... auf dem Platz!
— Stefan Kuntz