Der unerwartete Tabellenführer

von Günther Jakobsen13:39 Uhr | 05.09.2003

Island, die größte Vulkaninsel der Erde, hat einiges zu bieten: Eine grandiose Landschaft mit Wasserfällen, Gletschern und Geysiren; Reykavik - die nördlichst gelegene Hauptstadt weltweit und mit Vigdís Finnbogadóttir das erste vom Volk demokratisch gewählte, weibliche Staatsoberhaupt (1980-1996). Fehlt eigentlich nur noch die Endrundenteilnahme bei einem großen Fußballturnier.

EM-Teilnahme greifbar nahe
Seit 1947 ist Island FIFA-Mitglied und noch nie standen seither die Chancen günstiger, sich für die Finalrunden der Besten zu qualifizieren, als jetzt. Nach sechs von acht Spielen in der EM-Quali 2004 führen die Nordländer überraschend die Gruppe fünf mit zwölf Zählern an, vor den mit jeweils einem Spiel in Verzug liegenden Deutschen (elf Punkte ) und Schotten (acht Punkte). Zumindest ein zweiter Platz in der Abschlusstabelle, der zur Relegation berechtigt, ist in Reichweite. Vor den anstehenden Begegnungen trafen Islands Auswahl und die DFB-Elf erst zweimal, jeweils im freundschaftlichen Vergleich in Reykjavik, aufeinander. Im August 1960 gelang den Deutschen ein 5:0-Erfolg, im Mai 1979 hieß es nach Treffern von Walter Kelsch und Dieter Hoeneß (zwei Tore) 3:1 für die Gäste. Für Island traf Evaldsson.

Sigurvinsson holte Pott und Schale
Islands Nationaltrainer Asgeir Sigurvinsson (Jahrgang 1955, seit Mai 2003 im Amt) ist in Deutschland unter Fußballfans noch bestens bekannt. 1981 debütierte der dynamische Mittelfeldspieler in der Bundesliga und wurde mit den Münchner Bayern gleich DFB-Pokalsieger. Zum Stammspieler entwickelte er sich aber erst beim VfB Stuttgart, wohin er nach seiner Saison in München wechselte und acht Jahre blieb. Höhepunkt seines Wirkens bei den Schwaben war der Gewinn der Deutschen Meisterschaft in der Saison 1983/84, in der Sigurvinsson mit zwölf Treffern seine beste Torquote ablieferte.

Islands Bundesligalegionäre
Neben Sigursson spielten noch acht weitere Isländer in der Bundesliga: Petur Ormslev (Fortuna Düsseldorf), Magnus Bergs (Bor. Dortmund/Eintracht Braunschweig), Larus Gudmundsson (Uerdingen/Kaiserslautern), Atli Edvaldsson (Dortmund/Düsseldorf/Uerdingen), Helgi Sigurdsson (VfB Stuttgart) sowie die hier zu Lande noch aktiven Eyjölfur Sverrisson (Hertha) und die Brüder Bjarni und Thordur Gudjonsson (VfL Bochum). Thordur wurde für das Deutschland-Spiel nominiert.

Korsettstangen des Nationalteams
Als Nummer eins im Tor der isländischen Nationalelf ist Àrni Gautur Arason gesetzt, der bei seinem Klub, Rosenborg Trondheim, nur zweite Wahl hinter Espen Johnsen darstellt. Im Frühjahr 2002 war Arason kurzzeitig als Nachfolger von Frank Rost bei Werder Bremen im Gespräch, was sich jedoch zerschlug. Mit 101 Einsätzen hält Mittelfeldakteur Runar Kristinsson den isländischen Länderspiel-Rekord. Gemeinsam mit seinen Nationalelf-Kollegen Arnar Vidarsson, Arnar Gretarsson und Marel Baldvinsson steht er beim belgischen Erstligisten Sporting Lokeren unter Vertrag. Eidur Gudjohnsen hat bislang fünf Treffer in der EM-Qualifikation erzielt und ist damit erfolgreichster Goalgetter der Auswahl. Beim FC Chelsea bildete er gemeinsam mit Hasselbaink das etatmäßige Sturmduo. Der urplötzlich über den Verein hereingebrochene Wohlstand, ausgelöst durch den neuen "Geld-spielt-keine-Rolle"-Vereinsboss Roman Abramowitsch, gefährdet jedoch den Stammplatz des aufstrebenden Stürmers da mit Crespo und Mutu namhafte Konkurrenz verpflichtet wurde.

André Schulin



Was man nicht sieht, kann man nicht halten.

— Claus Reitmaier