Deutschland will 2011 den dritten Titel in Folge. Die Konkurrenz ist zwar stark, doch der siebenfache Europameister bestreitet seine Heim-WM mit viel Selbstbewusstsein und einem starken Kader.
Bis 1970 noch verboten, fasste der Frauenfußball erst langsam Fuß in Deutschland. Trotz regelmäßigen Ligabetriebes nach der Aufhebung des Verbotes und mehreren inoffiziellen Länderspielen, wurde eine Nationalmannschaft erst 1982 gegründet. Teil dieser ersten Nationalmannschaft war unter anderem die damals 18-jährige Silvia Neid, heute als Bundestrainerin für die Nationalmannschaft verantwortlich. Bis zu ersten erfolgreichen Qualifikation für ein internationales Turnier (EM 1989) fand ein langsamer Aufbau innerhalb Deutschlands statt. Viele junge Spielerinnen wurden gefördert und integriert und auch die Auswahlmethoden wurden unter dem ersten Trainer Gero Bisanz (mit Unterstützung seiner Assistentin Tina Theune) verbessert. Das Ergebnis war die bereits erwähnte erfolgreiche Qualifikation für die Europameisterschaft 1989, dies gelang souverän – ungeschlagen und ohne Gegentor. Die Endrunde fand damals noch mit nur vier Mannschaften (Deutschland, Italien und die beiden skandinavischen Vorreiter im Frauenfußball Norwegen und Schweden) statt. Im Halbfinale gegen Italien tat sich die deutsche Elf noch schwer und gewann erst im Elfmeterschießen mit 4:3. Im Finale wurde Norwegen überraschend deutlich mit 4:1 geschlagen und Deutschland gewann seinen ersten Titel überhaupt.
Zwei Jahre später wiederholten die deutschen Damen ihren Triumph. Im Halbfinale wurde erneut Italien (3:0) besiegt, das Finale bestritt man wieder gegen Norwegen. Erst in der Verlängerung gewann Deutschland mit 3:1. Als Europameister qualifizierten die Deutschen sich direkt für die 1991 erstmals offiziell stattfindende Weltmeisterschaft in China. In der Gruppenphase wurden Nigeria (4:0), Taiwan (3:0) und Italien (2:0) besiegt, das Viertelfinale überstand die Elf von Bisanz durch ein 2:1 über Dänemark. Im Halbfinale musste Deutschland dann erkennen, dass die USA das damals stärkste Team der Welt sind – mit 2:5 gab es eine deutliche Niederlage gegen den späteren Weltmeister. Auch Schweden war im Spiel um Platz drei noch eine Nummer zu groß (0:4). Es folgte die bislang schlechteste EM der deutschen Mannschaft, die 1993 am Ende nur Platz vier belegte. 1995 wurde Deutschland erneut Europameister. Nach Hin- und Rückspielsiegen über Russland (1:0, 4:0) im Viertelfinale und England (4:1, 2:1), gewann die deutsche Elf, in der mittlerweile auch eine Birgit Prinz aktiv war, das Finale gegen Schweden mit 3:2. Seit 1995 findet die Frauen-Europameisterschaft wie die WM im Vier-Jahres-Rhythmus statt, außerdem startete Deutschland seine Finalsiegserie – seit ´95 gewannen die deutschen Damen jedes weitere Turnier (1997, 2001, 2005, 2009). Im gleichen Jahr spielte sich Deutschland bei der Weltmeisterschaft bis ins Finale, unterlag dort jedoch Norwegen mit 0:2. Nach dem olympischen Turnier ´95 (Aus in der Vorrunde) trat Bisanz als Bundestrainer zurück und Tina Theune übernahm seinen Posten.
Mit dem Trainertausch fand auch ein Generationenwechsel innerhalb der Nationalmannschaft statt, Spielerinnen wir Heidi Mohr und Silvia Neid beendeten ihre internationale Karriere und machten Platz für die aufstrebenden Prinz, Stegemann und Co. Auch bei der WM 1999 mussten sich die deutschen Fans jedoch weiter gedulden; trotz der Überlegenheit, die die Mannschaft innerhalb Europas zur Schau stellte, sollte es auf globaler Ebene wieder nicht zum Titel reichen. Trotz zweimaliger Führung schieden die deutschen Damen nach einer 3:2-Niederlage gegen die USA aus. 2003 sollten die Bemühungen der Bundestrainerin jedoch Früchte tragen. Bereits die Gruppenphase bestritt die deutsche Elf souverän und setzte sich gegen Kanada (4:1), Japan (3:0) und Argentinien (6:1) durch. Im Viertelfinale schlug man ein überfordertes Russland mit 7:1, im Halbfinale wartete dann der zweifache Weltmeister aus den USA. In einem Spiel, das als eines der besten Frauenfußballspiele der Geschichte gehandelt wird, gewann Deutschland mit 3:0 und entthronte damit den als Favoriten gehandelten Titelverteidiger. Das Finale gegen Schweden endete nach regulärer Spielzeit mit 1:1, Nia Künzer war es, die in der Nachspielzeit ihre Mannschaft per Golden Goal zum Weltmeister machte. Birgit Prinz wurde zudem Torschützenkönigin und beste Spielerin des Turniers. 2007 wiederholte das Team seinen Triumph bei der WM in China. Nach Siegen über Argentinien (11:0) und Japan (2:0) sowie einem Unentschieden gegen England (0:0) spielte sich das Team von Silvia Neid, die mittlerweile das Amt der Bundestrainerin übernommen hatte, mit zwei 3:0-Siegen (über Nordkorea und Norwegen) bis ins Finale. Dort wuchs vor allem Torhüterin Nadine Angerer über sich hinaus und hatte mit etlichen Paraden und einem gehaltenen Elfmeter maßgeblich Anteil am 2:0-Erfolg über Brasilien. Für die WM 2011 qualifizierte sich Deutschland als Gastgeber automatisch.
Weniger erfolgreich war das deutsche Team bei den olympischen Spielen. Bei vier Teilnahmen konnte aber immerhin dreimal die Bronzemedaille gewonnen werden.
Die Mannschaft von Bundestrainerin Neid ist gespickt mit hervorragenden Einzelkönnerinnen, die aber vor allem im Team stark sind. Die „alte Garde“ um Spielerinnen wie Birgit Prinz, Kerstin Garefrekes oder Ariane Hingst wird 2011 durch die Nachwuchsstars Celia Okoyino da Mbabi, Fatmire Bajramaj, Alexandra Popp oder Kim Kulig ergänzt, was dem Team eine erfrischende Mischung aus Erfahrung und „jugendlicher“ Spielfreude gibt. In jüngsten Testspielen präsentierte sich die deutsche Elf in WM-Form; Italien (5:0), die Niederlande (5:0) und die WM-Teilnehmer Nordkorea (2:0) und Norwegen (3:0).
Aufgrund dieser Ergebnisse und der Tatsache, dass Deutschland als Titelverteidiger und zweifacher Titelträger ins das Turnier geht, sind die Erwartungen sowohl innerhalb des Teams als auch bei den Fans entsprechend hoch. Alles andere als das WM-Triple wäre eine Enttäuschung, doch die Mannschaft scheint gefestigt genug, diese Erwartungen auch zu erfüllen. Silvia Neid hat bei ihrer Aufstellung die Qual der Wahl, denn in nahezu allen Bereichen ist der Kader stark besetzt, Schwachstellen sind Mangelware. Scheitern kann die deutsche Elf wohl nur an sich selbst; diese Mannschaft zu schlagen wird nicht nur für die Gruppengegner Kanada, Frankreich und Nigeria mehr als eine Herausforderung.
Lisa Ramdor
Ich nähere mich schon meiner alten Form und lasse im Training nur noch jeden dritten Ball ins Tor.
— Gladbach-Torhüter Wolfgang Kleff nach einem Zehenbruch.