Der erste Schock über die harten Urteile im italienischen Manipulationsskandal ist verdaut, nun kämpfen Juventus Turin, Lazio Rom und der AC Florenz mit aller Macht gegen den beschlossenen Zwangsabstieg. Lazio-Präsident Claudio Lotito stempelte die Urteile als „lächerlich“ ab und droht bereits mit dem Gang vor den Europäischen Gerichtshof.
Alle Klubs reichten pünktlich am Samstagabend die Berufungsunterlagen ein und wollen außerdem vor dem italienischen Verwaltungsgericht klagen. „Die Bestraften schärfen ihre Waffen“, titelte La Republica und schrieb von „verrückten Tagen“ im Land des Fußball-Weltmeisters. Passend zu dieser Einschätzung könnte der Skandal für den vierten verurteilten Klub, den AC Mailand, sogar noch ein unerwartet positives Ende nehmen. Die „Rossoneri“, die in der kommenden Saison zwar weiter in der Serie A, nicht aber in der Champions League spielen dürfen, hoffen auf einen Einsatz im UEFA Cup durch die Hintertür. Da der FC Empoli, der in der bereinigten Tabelle vom zehnten auf den sechsten Platz vorgerückt ist, nicht für internationale Wettbewerbe gemeldet hat, könnte der auf Rang acht zurückgestufte Vizemeister automatisch nachrücken.
„Wir haben die Lizenz im Moment noch nicht, werden aber jetzt schnell handeln, um sie noch nachträglich zu bekommen“, sagte Empolis Präsident Massimo Corsi. Der Berufungsprozess soll am kommenden Samstag (22. Juli) beginnen und maximal bis zum folgenden Mittwoch dauern. Schon am Dienstag (25. Juli) sollen aber wenn möglich die Urteile endgültig feststehen, da dann die Liste der Starter für die internationalen Wettbewerbe der Europäischen Fußball-Union (UEFA) vorliegen muss. Sollte keine Einigung zustande kommen, wird der kommissarische Verbandspräsident Guido Rossi die Liste nach dem erstinstanzlichen Urteil gestalten.
Es gilt als sicher, dass die Zwangsabstiege von Juventus, Lazio und der Fiorentina auch nach der Berufung Bestand haben werden. Experten glauben, dass das Berufungsgericht allenfalls bei den verhängten Punktabzügen Milde walten lassen könnte. Finanzexperten versuchten derweil, den Horror in Zahlen zu fassen. Insgesamt wird der wirtschaftliche Schaden bei den vier betroffenen Klubs auf eine Milliarde Euro geschätzt. Die Umsätze sollen jeweils um gut 40 Prozent einbrechen. Rekordmeister Juventus, der nach der Aberkennung der Titel aus den letzten beiden Spielzeiten nur noch auf 27 Scudetti kommt, trifft es besonders hart. Die TV-Verträge mit den Unternehmen Mediaset von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi (Vertragsvolumen 248 Millionen Euro) und Sky Italia des australischen Medienmoguls Rupert Murdoch (150 Millionen Euro) sollen neu verhandelt werden. Hauptsponsor Tamoil will zwar bleiben, aber nur noch einen Bruchteil der ursprünglich vorgesehen 110 Millionen Euro bis 2010 an Juventus überweisen. Angesichts von drohenden 30 Minuspunkten zum Start der Serie B ist eine direkte Rückkehr der „alten Dame“ ins Oberhaus so gut wie ausgeschlossen.
„Das Niveau des Calcio wird sinken. Der Schaden ist enorm“, sagte Fabio Capello. Der Erfolgscoach hatte am 4. Juli das sinkende Juve-Schiff verlassen und kurz darauf seinen Dienst bei Real Madrid angetreten. Nicht zuletzt deshalb gilt der spanische Rekordmeister als erste Anlaufstelle für zahlreiche Stars, die nun die betroffenen Klubs verlassen werden. Juve-Kapitän Fabio Cannavaro soll allerdings bereits auf der Yacht von Chelsea-Besitzer Roman Abramowitsch gesehen worden sein. „Italienische Mode zu unglaublichen Preisen! Bitte greifen sie zu!“, titelte die spanische Marca süffisant. 13 von 23 Fußball-Weltmeistern stehen bei den vier Skandalklubs unter Vertrag. „Ich werde versuchen, einige Stars zum Bleiben zu bewegen“, sagte der neue Juventus-Coach Didier Deschamps, wirkte dabei aber nicht gerade hoffnungsfroh.
Bei den Fans der vier Skandalklubs ist eine Woche nach dem WM-Triumph von Berlin die Freude in Entsetzen umgeschlagen. Spontane Proteste nach der Urteilsverkündung am Freitag waren erst der Anfang. In Florenz verprügelten wütende Tifosi einen Fotografen, der Bilder von der Demonstration machen wollte. Am Montag werden bei zentralen Protestkundgebungen in Florenz und Rom mehrere tausend Fans erwartet.
Dirk Gieselmann/11Freunde-Redaktion
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— Augsburgs österreichischer Stürmer Michael Gregoritsch.