Die Liga der Wölfe

von Günther Jakobsen13:16 Uhr | 05.08.2006

"Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf." – An keinem Ort in der Fußballwelt hat dieser Satz solch eine Gültigkeit wie in den Regionalligen. Denn diese Spielklasse ist der Scheidepunkt zwischen den Fleischtöpfen des Profifußballs und den leeren Speisekammern der Amateurebenen. Am Freitagabend ging das Hauen und Stechen wieder los.

In der Süd-Staffel traf die zweite Mannschaft des Karlsruher SC auf den Traditionsclub FK Pirmasens (2:2), der VfB Stuttgart II auf den Zweitligaabsteiger Sportfreunde Siegen (2:1) und der SV Elversberg auf den SV Wehen (0:3). Ein vergleichsweise gemächlicher Auftakt, bedenkt man, dass die Luft der Champions-League durch diese Liga weht. Dorthin zu gelangen ist nämlich der erklärte Anspruch des TSG Hoffenheim, seitdem Mäzen Dietmar Hopp Geld und Kompetenz in den Verein investiert. Der von Jürgen Klinsmann einst protegierte, aber vom DFB verschmähte Hockey-Coach Bernhard Peters wurde geholt, ebenso wie DFB-Sportpsychologe Hans-Dieter Hermann und der ehemalige Bundesligakeeper Philipp Laux als Torwarttrainer. Angeführt wird das Team von Ralf Rangnick. Zwar stapelt dieser noch recht tief: "Das erste Jahr könnte schwierig werden, weil der Stab erst spät im Laufe der Vorbereitung angefangen hat und viele interessante Spieler nicht mehr auf dem Markt sind." Immerhin konnten jedoch gestandene Profis wie Zsolt Löw, Jochen Seitz, Denis Lapaczinski und Mario Maric geholt werden. Und nicht von ungefähr sehen die anderen 17 Trainer den Sinsheimer Vorstadtclub als unumschränkten Favoriten auf einen der beiden Aufstiegsplätze in die 2. Bundesliga.

Aufsteigen ist kein Selbstläufer

Wieviel Geld der steinreiche Hopp tatsächlich in seinen Heimatverein gepumpt hat, weiß nur er selbst. Offiziell hat der 1. FC Saarbrücken mit einem Etat von vier Millionen Euro das dickste Portemonnaie in der Regionalliga Süd. Man riskiert viel, um nach der schmachvollen letzten Saison, in der man aus der 2. Liga abstieg, schleunigst wieder nach oben zu kommen. "Wir haben große Ambitionen und Ziele", so der neue Trainer Michael Henke. Aufzusteigen werde aber sicherlich kein Selbstläufer sein. Trotzdem müsse das Ziel lauten, oben mitzuspielen und vielleicht sogar schon im ersten Jahr aufzusteigen. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde der Leistungsträger und einstige Weltklassemann Mustapha Hadji gehalten. Ihm zu Seite stehen Routiniers wie Marco Gebhardt, Thorsten Nehrbauer und Taifur Diane. Doch Coach Henke weiß: " Fünf oder sechs Teams werden ein gewichtiges Wort mitreden werden. Ich rechne mit den Stuttgarter Kickers und dem SV Wehen. Auch auf Siegen und Darmstadt muss man achten."

Wie gesagt: Sie alle werden einander Wölfe sein. Denn schließlich geht es nicht nur um den unmittelbaren Aufstieg in die 2. Liga, sondern überhaupt um die langfristige Sicherung eines Platzes im nationalen Spitzenfußball: Zur Saison 2008/09 zwischen zweiter Bundesliga und Regionalliga soll eine eingleisige DFB-Liga eingefügt werden, die sich zur Hälfte aus Klubs der bestehenden Regionalligen Süd und Nord zusammensetzen würde. Diese 3. Bundesliga soll eine Profi-Liga sein.

Warnung vor übertriebenen Erwartungen

An diese Fleischtopf wollen auch die Nordwölfe. In deren Regionalliga wird ebenfalls am Freitagabend angestoßen: Die Reserveteams von Bremen und Dortmund empfingen Wilhelmshaven (2:1) bzw. Emden (0:0). Schon am Sonntag kommt es dann zum ersten Spitzenspiel: Der Absteiger Dynamo Dresden empfängt den Geheimfavoriten und Vorjahresvierten aus Kiel. Dort haben Trainer Frank Neubarth und der sportliche Leiter Daniel Jurgeleit ein junges Team aufgebaut, das von Routiniers wie André Breitenreiter und Michael Molata angeführt wird und in das Neuzugänge wie Nasir El Kasmi (zuletzt MSV Duisburg) und Rafael Kazior (Wacker Burghausen) intergriert werden müssen. Es gilt nun, stabiler zu werden als im Vorjahr und vereinzelte Glanzleistungen wie das 4:1 gegen St. Pauli in Serie bringen zu können. Noch tritt Neubarth leise: "Wir wollen uns nicht verschlechtern, aber ich warne vor übertriebenen Erwartungen", sagt er. "Mein Kollege Wollitz hat vor dieser Saison am lautesten geschrieen und ist dann mit Osnabrück im Mittelfeld gelandet. Dass der Aufstieg für uns Pflicht ist, halte ich für Blödsinn." Typisch Geheimfavorit.

In Dresden indes dürfte der Aufstieg Pflicht sein, zu sehr drücken die finanziellen Verbindungen und zu laut quengelt noch immer der eigene Mythos aus der Vergangenheit, als dass man sich eine weitere Saison in der Regionalliga leisten könnte. Um das Ziel zu erreichen wurde dem Kieler Konkurrenten Sturmtank Patrick Würli abgeluchst und Abwehrtalent Jan Koch aus Rostock geholt. Schon Anfang des Jahres holte man Edeltechniker Ivo Ulich aus Japan. Im tschechischen Spielmacher ballt sich auf verblüffende Weise der chimärische Charakter des 1. FC Dynamo Dresden: Er ist zu Großtaten im Stande, zweifellos. Allein: Steht ihm auch der Sinn danach?

Beides – sowohl die ungute Mischung aus finanzieller Belastung und überhöhten Ansprüchen als auch die Divenhaftigkeit – macht ebenfalls die anderen Traditionsvereine der Regionalliga Nord aus: Fortuna Düsseldorf, Rot-Weiß Erfurt, den 1. FC Magdeburg, St. Pauli und den VfL Osnabrück. Ihnen allen wäre nach Jahren der Tristesse ein Aufstieg zu gönnen. Doch ist der Wunsch, der Tristesse zu entrinnen, Ansporn genug? Sie alle müssen aufpassen, nicht von den jüngeren, noch hungrigeren Wölfen (vor allem den U23-Teams der Bundesligisten) weggebissen zu werden. Am Ende könnten sie bis auf die Rippen abgemagert dastehen - fern aller Fleischtöpfe.

Dirk Gieselmann/11Freunde-Redaktion



In der Bundesliga wird zu viel gedealt.

— Karl-Heinz Rummenigge