Die Meister des direkten Wiederaufstiegs

von Günther Jakobsen15:21 Uhr | 22.09.2006

22 Jahre lang wähnte sich der VfL Bochum als „unabsteigbares“ Mitglied der Bundesliga - bis das Unvermutete doch geschah und fast zur Gewohnheit wurde. Seitdem ist der Slogan „Nie mehr Zweite Liga“ in Bochum mit Vorsicht zu genießen. Zumal nach dem schlechten Saisonstart.

Prompte Rückkehr
Aufsteiger werden gemeinhin gerne als Neuling bezeichnet, im Falle des VfL Bochum wäre der Begriff Bumerang vielleicht passender. Fünf Mal wurden die Westdeutschen, die 1971 erstmals den Zugang zur höchsten deutschen Spielklasse klar machten, aus selbiger hinauskatapultiert - und jedes Mal kehrten sie postwendend zurück. Als wäre der Abstieg nur ein Bungee Sprung, dem - bei normalem Verlauf - die elastische Rückkehr zum Absprungpunkt sicher ist. Das gelingt nicht vielen; die Liste von Klubs, die nach dem Abstieg über längere Zeit den Anschluss verpassten, oder gar komplett in der Versenkung verschwanden, ist lang. Den Bundesligaanschluss zu packen, ist nicht das Problem des VfL Bochum, wohl aber, seit Beginn der 90er Jahre, sich dort dauerhaft zu halten.

Bestens motiviert
Das verwundert umso mehr, als dass der VfL erst in vergleichsweise jüngerer Vergangenheit seine besten BL-Saisons hinlegte. 1996/97 kehrte der Klub nach seinem zweiten Abstieg wie Phönix aus der Asche zurück, erreichte als Aufsteiger sensationell den fünften Platz und qualifizierte sich direkt für die UEFA-Cup-Teilnahme. Die gleiche Platzierung belegten die Bochumer in der Endtabelle der Spielzeit 2003/04. In beiden Fällen waren die jeweiligen Trainer der Gattung „Motivationskünstler“ zuzurechnen: 1996/97 Klaus Toppmöller und 2003/04 Peter Neururer. Übungsleiter, denen eine Langstreckentauglichkeit abgesprochen wird. Dass ein kleiner Verein wie der VfL schwerlich dauerhaft mit den Branchengrößen der Liga mithalten kann, ist allerdings einzusehen. Dennoch weckten die spielerisch ansprechenden Leistungen der erfolgreichen Jahre berechtigte Hoffnungen, zumindest einen Level oberhalb der Abstiegsränge zu halten - dass dies nicht gelang, ist als unnötiges Scheitern zu betrachten.

Start verrissen
Das Unternehmen „direkter Wiederaufstieg“ bewältigten VfL-Coach Marcel Koller und sein Team in der vergangenen Saison mit großer Souveränität; das Korsett aus dem erfolgreichen Zweitligajahr wurde im Wesentlichen mit in die Bundesliga genommen. Ausnahme: Der Abgang des Brasilianers Edu (mit 12 Treffern bester VfL-Torjäger) zum FSV Mainz. Dessen Nachfolger feierten unterschiedliche Saisondebüts. Der griechische Nationalspieler Theofanis Gekas überzeugte bei seinem zweiten BL-Einsatz und traf in Nürnberg, derweil Benjamin Auer nach dem Auftaktspiel aufgrund mangelnder Fitness (Infekt) nicht mehr aufgestellt wurde. Auch mit anderen, als Stammplatzkandidaten eingekauften Neuverpflichtungen, lief der Saisonstart nicht optimal. Oliver Schröder (Innenbanddehnung), Christoph Dabrowski (schlechte Blutwerte), Benjamin Lense (schlechte Schilddrüsenwerte) hinken deutlich ihrer Bestform hinterher und blieben teilweise außen vor. Unter diesen widrigen Umständen ist der letzte Tabellenplatz nach vier Spieltagen erklärbar. Hoffnung macht, dass der VfL lediglich im Heimspiel gegen Cottbus enttäuschte. „Wir haben unsere Lehren aus dem Cottbus-Spiel gezogen“, sagt Linksverteidiger Philipp Bönig und setzt darauf, gegen Bielefeld den ersten Saisonsieg feiern zu können. „Dann relativiert sich auch das Tabellenbild wieder“, meint er. Es ist noch relativ viel Zeit, die Klasse zu halten und die Erfolgsstatistik des direkten Wiederaufstiegs nicht überzustrapazieren.

André Schulin



Was nützt die schönste Viererkette, wenn sie anderweitig unterwegs ist.

— Johannes B. Kerner