Der Putz bröckelte ab, das traditionsreiche Königshaus Real Madrid brauchte schon seit etwas Längerem eine Renovierung. Aber die 300 Millionen teuren Umbauarbeiten jetzt sind umstritten – ein Projekt zwischen großem Wahnsinn und Größenwahn.
Es war eine Art Abschiedsvorstellung der zwischen 2000 und 2003 für 216 Millionen Euro vom damaligen und Jetzt-wieder-Real-Präsidenten Florentino Perez zusammengekauften „Galaktischen“: Am 10. März 2004 schalteten Figo (58,5 Mio.), Zidane (75 Mio.), Ronaldo (45 Mio.) und Beckham (37,5 Mio.) mit Real Madrid den FC Bayern im Champions-League-Achtelfinale (1:0, 1:1) aus. Der damals sich ebenfalls etwas in Schieflage befindende deutsche Rekordmeister versuchte sich mit der knappen Niederlage gegen das ach so galaktische Real Madrid zu schmücken, konnte das aber nur vier Wochen lang tun. Denn dann wurden die Königlichen vom AS Monaco im Viertelfinale aus dem Wettbewerb geworfen.
Es war das bisher letzte Champions-League-Viertelfinale für den Rekordtitelträger aus Madrid. Seitdem schieden die Madrilenen fünfmal in Folge im Achtelfinale der Königsklasse aus, in der abgelaufenen Saison mit einer 0:4-Heimschlappe gegen den FC Liverpool, der höchsten Niederlage Real Madrids in der Champions League-Geschichte. National holte Real zwar immerhin noch zweimal die Meisterschaft (2007, 2008) - einmal davon sogar mit dem deutschen Trainer Bernd Schuster -, allerdings gewann der Erzrivale FC Barcelona in den vergangenen vier Spielzeiten genauso oft den „Ohrenpokal“.
Wenn am 22. Mai 2010 ausgerechnet im heimischen Bernabéu-Stadion der Champions-League-Sieger der Saison 2009/10 gekrönt wird, wollen die Königlichen wieder ganz oben auf dem Siegerpodest stehen. Dafür will Präsident Perez für insgesamt 300 Millionen Euro neue Spieler einkaufen, mehr als die Hälfte davon ist schon für Cristiano Ronaldo (94 Mio.) und Kaká (65 Mio.), die Weltfußballer der vergangenen beiden Jahre, draufgegangen. Obwohl Perez als einziger Kandidat der Real-Präsidentschaftswahl eine Bürgschaft über 57 Millionen Euro aufbringen konnte und deswegen diesmal kampflos an das Amt kam, will der milliardenschwere Bauunternehmer kein Geld aus der eigenen Tasche in die neue Real-Mannschaft investieren. Die Ablösesummen für Ronaldo, Kaká und weitere mögliche Neuzugänge, wie zum Beispiel Bayerns Ribery, Valencias Villa oder Liverpools Xabi Alonso, sollen erst durch Kredite finanziert und dann wieder hereingewirtschaftet werden: durch Verkäufe, Investoren und Sponsoren, aber ein Börsengang oder der Verkauf des Bernabéu-Stadions sind ebenfalls im Gespräch.
In der jüngsten Vergangenheit glänzte das weiße Real Madrid-Trikot nicht mehr so schön wie früher. Mit den Verpflichtungen von Ronaldo und Kaká hat das Königshaus seine Strahlkraft wieder - aber zu welchem Preis? In Zeiten der Weltwirtschaftskrise, wo andere Mäzene (Abramovich) ihr Engagement reduzieren, wirkt Perez´ 300-Millionen-Projekt befremdlich - selbst auf aktuelle und ehemalige Real-Profis. „Das ist eine Entwicklung, die ich schade finde und auch mit Sorge verfolge. Gerade in dieser Zeit finde ich es nicht richtig, 93 Millionen Euro auszugeben für einen Menschen, der sich verletzen und auch Formschwächen haben kann“, sagte Verteidiger Christoph Metzelder, dessen Platz im Real-Kader ebenfalls durch Neuzugänge gefährdet ist. Günter Netzer sieht es genauso: „Das hat Ausmaße angenommen, die die meisten Menschen nicht mehr verstehen können. Ich auch nicht.“
Und vielleicht haben sich die Madrilenen mit der Einkaufstour selbst eine Grube gegraben, denn die Forderungen nach einer Gehaltsobergrenze (salary cap) und einem Lizenzierungsverfahren für die Europapokal-Wettbewerbe werden jetzt lauter.
Senthuran Sivananda
Die Bayern laufen Gefahr, sich zu überfressen.
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