Die Rückkehr der runderneuerten Zebras

Zunächst einmal die Klasse halten, dann weitersehen - so wird gewöhnlich das Motto eines jeden Aufsteigers im ersten Jahr formuliert. Duisburgs Vorstandsvorsitzender Walter Hellmich blickt weiter voraus, er strebt mehr als nur die „Nummer drei im Revier“ an.
Riegelnde Zebras
Der MSV Duisburg sorgte in der Bundesliga-Gründungssaison 1963/64 für eine ganz große Überraschung. Die damals noch als „Meidericher SV“ firmierende Zebra-Truppe um Manfred Manglitz, Werner „Eia“ Krämer und „Boss“ Helmut Rahn schnitt völlig unerwartet als Zweiter ab. Mittels des von Trainer Rudi Gutendorf verordneten „Riegel“-Systems, das den MSV mit nur 35 kassierten Gegentreffern zur abwehrstärksten Elf der Liga machte, gewannen die „Zebras“ ein ganz eigenständiges Profil. An dieses Niveau konnten die Duisburger in der Folgezeit nicht mehr anknüpfen, hielten sich aber 19 Jahre lang - meist im Mittelfeld angesiedelt - in der höchsten deutschen Spielklasse, ehe 1982 der erste Abstieg in die Zweitklassigkeit führte.
Auswärtsstärke auf dem Prüfstand
Trainer Norbert Meier, seit Dezember 2002 beim MSV, kann nicht mit einer innovativen Spielanlage wie dem „Riegel“ aufwarten. Immerhin, die sukzessive Verbesserung des Abwehrverhaltens unter seiner Regie war der Schlüssel zum Aufstieg anno 2005, mit einer Bilanz von lediglich 37 Gegentoren. „Als Aufsteiger stecken wir direkt im Existenzkampf“, erklärte Meier und weiß, dass Punkte gegen vermeintliche Konkurrenten im Abstiegskampf doppelt wertvoll sind. Das erste Auswärtsspiel der Saison, auf dem Betzenberg, führt den MSV zu einem solchen Gegner und wird Rückschlüsse erlauben, ob die Duisburger an ihre in der Zweiten Liga erfolgreiche Bilanz auf fremden Plätzen (21 Punkte, sieben Mal ohne Gegentreffer) anknüpfen können.
Angst vor der Stille
Daheim, in der neuen MSV-Arena, sieht Meier keine Probleme darin, dass eventuell das begeisterungsfähige und lautstarke Publikum mit seinen hohen Erwartungen das Team einem zu hohen Druck aussetzen könnte, wie es vergleichsweise die Gelsenkirchener Nachbarn anfangs erleben mussten: „Wir kennen die Atmosphäre ja schon. Bei uns darf es niemals leise werden. Die Stimmung gibt dem Team Selbstvertrauen“, setzt er vielmehr auf die Unterstützung durch das Publikum. Spätestens beim Stichwort „Stadion“ kommt der Name des Vorstandsvorsitzenden Walter Hellmich ins Spiel. Die Millionen des Bauunternehmers (ca. 1.000 Mitarbeiter) sicherten nicht nur den Bau der neuen Spielstätte, sie flossen auch in den Umbau der Mannschaft. 48 Spieler wurden in der Hellmich-Ära ausgemustert (Hellmich: „Als ich übernahm, hatten wir größtenteils Spieler, die nicht mal für die Zweite Liga brauchbar waren“), 39 neue verpflichtet. Auch Trainer Norbert Meier (Hellmich: „Zwischen den Trainer und mich passt kein Löschblatt“) wurde vom starken Mann beim MSV verpflichtet.
Der neue Schalke-Jäger
Als Hellmich-Volltreffer gelten insbesondere die Transfers von Keeper Georg Koch, Ivica Grlic und Torjäger Abdelaziz Ahanfouf, dem zur neuen Saison mit Klemen Lavric (von Dynamo Dresden) ein weiterer 17-Tore-Mann aus der vergangenen Zweitligaserie zur Seite gestellt wurde. Beim Saisonstart gegen Stuttgart (1:1) waren es wieder zwei Neue, die mit Bestnoten bedacht wurden: Uwe Möhrle, von Absteiger Hansa Rostock an die Wedau gewechselt und Tobias Willi (SC Freiburg), der sich ebenfalls den Gang in die Zweitklassigkeit ersparte. Setzt sich dieser Trend fort, könnte sich Hellmich seinem Fernziel („Auf Augenhöhe mit unserem Nachbarn Schalke kommen“) nähern. Daran waren zuletzt schon die Bochumer gescheitert. Zebras springen höher als (wiederergraute) Mäuse; das ist allerdings bar jeder Aussagekraft für fußballerischen Erfolg.
André Schulin