Die zweite Überraschung des Turniers

von Günther Jakobsen20:27 Uhr | 10.06.2012

Einen kleinen Dämpfer bekam die spanische „Mission Titelverteidigung“ in ihrem Auftaktspiel. Gegen stark auftretende Italiener fand der amtierende Welt- und Europameister nicht vollends zu seinem Spiel und musste sich mit einem gerechten 1:1 begnügen.

Allein die Vorzeichen versprachen bereits ein interessantes Auftaktspiel der Gruppe C. Im Traditionsduell Spanien gegen Italien traf schließlich der Weltmeister von 2010 auf den Weltmeister von 2006 und beide Trainer hatten taktische Überraschungen parat. Spaniens Übungsleiter del Bosque bot ein 4-3-3 auf, in dem kein nomineller Stürmer zu finden war. Mit Fabregas, Silva und Iniesta bildeten drei Mittelfeldspieler die Offensivreihe, ganz in Manier des mit diesem System so erfolgreichen FC Barcelona. Auf der anderen Seite schickte Coach Prandelli eine Defensivdreierkette in die Partie, auch dies war für den modernen internationalen Fußball doch eher ungewöhnlich. Noch überraschender war allerdings, dass mit de Rossi ein Spieler den Innenverteidiger gab, der sonst im Mittelfeld auftauchte. Die Aufstellungen versprachen also ein Spanien, das sich mit viel Kurzpassspiel vor das gegnerische Tor spielen würde und ein vor allem im Mittelfeld kompaktes Italien, das im Angriff auf sein Sturmduo Cassano/Balotelli setzte.

Beide Mannschaften gingen mit viel Tempo und Engagement in die Partie und nach wenigen Minuten bestätigten sich sämtliche Vorzeichen. Der amtierende Weltmeister agierte spielstark, Italien defensiv, war aber immer auf Konter aus. Erste Chancen boten sich auf beiden Seiten vor allem durch Standardsituationen und Distanzschüsse, so zielte Silva in der neunten Minute über das Tor. Dass auch Italien hier etwas erreichen wollte, zeigte sich in der 13. Minute, als Altmeister Pirlo mit einem Freistoß seinen Meister erst in Torhüter Casillas fand. Im weiteren Spielverlauf blieb das Tempo weiter hoch, beide Mannschaften schenkten sich wenig und die Partie blieb intensiv. Erst deutete auf italienischer Seite Cassano an, wie gefährlich er ist (22.), dann wurde auf der anderen Spielhälfte Iniesta von der vielbeinigen Abwehr Italiens geblockt (24.). Nach einer guten halben Stunde hatte die „Furia Roja“ mehr Spielanteile, die Azzuri blieben aber fast trotzig kampfstark und störten aggressiv. Offensivakzente zeigten dann der agile Cassano (33.) und Marchisio (36.), deren Schüssen es jedoch an Präzision mangelte. Kurz vor der Halbzeit hatte Iniesta noch einmal die große Chance zur Führung. Nach einer Flanke aus dem Halbfeld von Fabregas nahm er den Ball nur ganz kurz an, setzte das Spielgerät beim Abschluss aus wenigen Metern jedoch über das Tor (44.). Im direkten Gegenzug waren es dann die Italiener, die kurz vor dem 1:0 standen, doch Thiago Motta fand mit einem Kopfball seinen Meister im klasse reagierenden Casillas (45.). Unverdient wäre eine italienische Führung auf Grund der besseren Möglichkeiten nicht gewesen, Spanien fehlte der endgültige Zug zum Tor.

Italien kam besser aus der Kabine und setzte den Gegner schnell wieder unter Druck. Die erste Chance hatte dann jedoch Fabregas, der in der 50. Minute jedoch am guten Buffon scheiterte. Gleich darauf war es einmal mehr Iniesta, der aus spitzem Winkel knapp daneben schoss (51.). Auf der Gegenseite eroberte sich Balotelli den Ball und lief aus halbrechter Position allein auf Casillas zu, zögerte beim Abschluss jedoch zu lange, sodass Ramos nachsetzen und ihn am Abschluss hindern konnte (54.). Wer der Meinung war, es läge ein Tor in der Luft, wurde zum Ablauf der vollen Stunde darin bestätigt. Nach einem feinen Pass von Pirlo schüttelte der gerade für Balotelli eingewechselte di Natale Verteidiger Piquet ab und ließ Casillas beim Abschluss mit seinem allerersten Ballkontakt keine Chance. Die Freude währte jedoch nicht lange, denn nur drei Minuten später hatte Silva einen Geistesblitz. Mit dem Außenrist spitzelte er den Ball auf den in den Strafraum startenden Fabregas, der mit links zum Ausgleich vollendete. Waren es zu Beginn der ersten Halbzeit die Italiener, die aktiver aufgetreten waren, wirkte nun Spanien weitaus frischer, Angriffswelle um Angriffswelle rollte auf Buffons Tor. Entlastungsangriffe von Prandellis Elf waren selten, Spanien war zielstrebiger. Eine Viertelstunde vor Schluss brachte del Bosque mit Torres seinen ersten echten Stürmer in die Partie. Dieser fügte sich auch gut ein, als er allein Richtung Buffon lief, doch der Keeper spielte gut mit und luchste ihm den Ball ab. So blieb die Partie weiter spannend und auf höchstem Niveau. In der 77. Minute hatte erneut di Natale die große Chance zum Ausgleich, doch er setzte seine Direktabnahme deutlich neben das Tor. Spanien blieb jedoch spielbestimmend: zehn Minuten vor dem Ende setzte Xavi einen Freistoß aus guter Position in die Mauer. Fünf Minuten später hätte Torres seine Elf zum ersten Mal in Führung bringen können, als er sah, dass Buffon weit aus seinem Tor heraus kam. Der Stürmer setzte zum Lupfer an, zielte jedoch über das Tor. Beide Mannschaften warfen in den Schlussminuten noch einmal alles nach vorne, Tore fielen jedoch nicht mehr.

Lisa Ramdor



Eishockey ist auch ein Konkurrent, aber wir haben auch eine Zeitlang beschissen gespielt.

— Günter Thiele von Fortuna Düsseldorf im ZDF-Sportstudio (1985).