Ein Coup glückte bereits

von dpa14.11.2006 | 17:45 Uhr

Seit 1948 ist Zypern FIFA-Mitglied und berechtigt, an den EM- und WM-Qualifikationen teilzunehmen. Zum Erreichen einer Endrunde hat es bislang nie gereicht - das Land ist zu klein, die Ressourcen zu gering. 9.251 km² Fläche weist die drittgrößte Mittelmeerinsel aus, fast zwei Drittel davon zählen zum überwiegend griechisch geprägten Teil der Insel, der Republik Zypern. Der kleinere Teil ist der Türkei zugewandt. Die Grenze verläuft durch die Hauptstadt Nikosia, in der die beiden bekanntesten Klubs, Apoel und Omonia, beheimatet sind, die derzeit auch die Tabelle der ersten Liga anführen.

Für eine Überraschung gut
Nationaltrainer Angelos Anastasiadis hat acht Spieler aus diesen zwei Vereinen für das Deutschland-Spiel in seinen Kader berufen. Neben der einheimischen Liga rekrutiert Anastasiadis seine Spieler aus der griechischen Super League, in der fast alle zypriotischen Stürmer unter Vertrag stehen. Dass Zypern ernsthaft als Kandidat für einen der beiden ersten Plätze in der EM-Quali-Gruppe D in Frage kommt, ist indes wenig wahrscheinlich. Mit Deutschland, Tschechien und der Slowakei sind mindestens drei Mannschaften bedeutend stärker einzuschätzen als die Mittelmeerkicker. Allerdings glaubte man das auch von Irland. Und dann schlug das Team von Trainer Angelos Anastasiadis im ersten Heimspiel dieser Qualifikation gewaltig zu: In Nikosia mit einer 5:2-Packung eingedeckt, mussten die irischen Auswahlspieler den geballten Spott der heimischen und britischen Presse ertragen. Michalis Konstantinou und Costas Charalambides waren jeweils zweimal bei diesem historischen Triumph Zyperns erfolgreich. Der Nachteil: Wales, der nächste Gegner, war gewarnt und beging nicht den Fehler, die Zyprioten zu unterschätzen. Mit 1:3 verlor Zypern das Spiel in Cardiff, hinterließ jedoch einen wesentlich besseren Eindruck als noch bei der Begegnung in der Slowakei, deren 1:6-Endergebnis einem Debakel gleichkam. „Für uns wird es nicht leicht. Deutschland ist eine Fußballmacht“, hält Anastasiadis den Ball flach vor dem zweiten Quali-Spiel im eigenen Land.

Zypriot mit deutschen Wurzeln
Die vier Länderspielvergleiche mit der DFB-Auswahl sind allesamt im Rahmen von WM-Qualifikationen ausgetragen worden und deutlich zu Gunsten der Deutschen ausgefallen. Mit einer Torbilanz von 24:0 gewann Deutschland alle Begegnungen. Nur einmal, im November 1968, machten die Mittelmeerkicker dem hohen Favoriten das Leben schwer. Erst in der 90. Minute brachte Gerd Müller seinerzeit den dünnen 1:0-Erfolg unter Dach und Fach. Zum bekanntesten deutschstämmigen Fußballer auf Zypern avancierte jedoch ein Akteur, der in seiner Bundesligakarriere (Eintracht Frankfurt und Arminia Bielefeld) unauffällig geblieben war: Rainer Rauffmann, der 1997 zu Omonia Nikosia wechselte. In 152 Ligaspielen erzielte Rauffmann 181 Tore (in einem Spiel brachte er die Kugel acht Mal über die Linie). Endgültig zum Helden aber wurde er, als er 2002 die zypriotische Staatsbürgerschaft annahm und während seiner fünf Einsätze drei Tore hinlegte. Ein Knorpelschaden beendete seine aktive Laufbahn; danach wirkte er als Manager und Trainer auf der Insel. Für seine Verdienste um den zypriotischen Fußball wurde Rauffmann vom Verband mit einer Ehrenplakette ausgezeichnet.

André Schulin